Trotz der anhaltenden Corona-Krise und ihrer schweren Auswirkungen auf die Supermärkte, Lieferketten und landwirtschaftlichen Erzeuger verliert REWE das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen. Als erster der vier größten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland bietet REWE bundesweit Bio-Obst und Bio-Gemüse weitestgehend ohne Plastik oder mit verbesserter Verpackung an.
Jährlich 210.000 Kilogramm Plastik sowie 80.000 Kilogramm Papier können durch die Maßnahmen eingespart werden. Doch ganz auf Verpackungen zu verzichten ist gar nicht so leicht – und an vielen Stellen auch nicht sinnvoll, wie ein „Unverpackt-Test“ in 630 REWE- und Nahkauf-Märkten zeigt.
Eisbergsalat / Austrocknung
© Getty Images | nolexa Plastikverpackungen helfen, die Frische, Qualität und Hygiene der Ware vom Feld bis in den Supermarkt zu sichern. Das macht vor allem Sinn, wenn ein Produkt wie zum Beispiel Salat auf diese Weise vor frühzeitiger Austrocknung geschützt werden kann. Trocknet der Salat schneller aus, wird er welk und somit auch weniger gekauft. Zwar könnte mit unverpacktem Bio-Eisbergsalat einerseits bundesweit rund 3.000 Kilogramm Plastik jährlich einspart werden, andererseits würden aber gleichermaßen voraussichtlich 18,5 Tonnen derart an Frische und Qualität im Markt einbüßen, dass sie unverkäuflich werden. In diesem Fall beugen die dünnen Folien also mit einem sehr geringen Ressourcenverbrauch effektiv der Lebensmittelverschwendung vor.
Himbeeren, Heidelbeeren / Verderb
Bei verschiedenen Beeren ist das Problem zu beobachten, dass sie ohne Verpackung schnell an Feuchtigkeit verlieren. Die empfindliche Haut bekommt Risse, fällt ein und schimmelt.
Brokkoli / Frische
© Getty Images | Ales-A Der Brokkoli kommt häufig mit einer dünnen Plastikfolie daher. Die ist notwendig, denn bei der unverpackten Variante blüht das Gemüse schneller auf und verliert an Frische. Die Folge: der Brokkoli wird früher gelb und unansehnlich, Kunden wollen ihn nicht mehr kaufen. Das Gleiche gilt auch für frische Blattsalate wie Feldsalat, Rucola und Romanasalatherzen.
Möhren / Kundenwunsch
Bei den Karotten hat der Test zwar keine Qualitäts-Einbußen gezeigt, aber dafür ein ganz anderes Phänomen offenbart: In der Zeit, in der Bio-Möhren lose angeboten wurden, sank die Nachfrage danach deutlich. Dagegen griffen immer mehr Kunden nach den verpackten, konventionellen Möhren. Das Verbrauchervotum ist somit klar pro Verpackung. Dazu kommt, dass, auch wenn die Möhre qualitativ noch in Ordnung ist, sie durch den Feuchtigkeitsmangel eher weich wird. Diese Entwicklung ist bei den meisten harten Waren, wie beispielsweise auch Pastinaken, zu beobachten.
Beeren, Feldsalat / Empfindlichkeit
© Getty Images |ArtCookStudio Eine Verpackung leistet bei empfindlichen Waren wie Beeren oder Feldsalat auch einen großen Schutz vor Beschädigungen und Verschmutzung. Hier kommen mittlerweile überwiegend gesiegelte Plastik- oder Pappschalen zum Einsatz, bei denen sogar auf die zuvor übliche Ummantelung mit einer dünnen Plastikfolie (Flowpack) verzichtet wird.
Trauben / Transporthilfe
© Getty Images | Paola Giannoni Bei losem Obst wie Trauben sind Verpackungen nützlich, um sie einfacher und komfortabler zu transportieren. Damit sie nicht beschädigt werden und sich nicht im ganzen Einkaufswagen verteilen, kommt eine praktische Tragetasche aus Papier zum Einsatz. Hier steht vor allem die bequeme Handhabung im Vordergrund.
Erdbeeren / Verkaufseinheiten
© Getty Images | rclassenlayouts Bei Obstsorten wie Erdbeeren helfen Verpackungen dabei, sie in sinnvolle Verkaufseinheiten zu bündeln. So kann der Verbraucher sicher sein, dass in einer 500g-Schale auch immer 500 Gramm drin sind.
Tomaten / Unterscheidbarkeit & Rückverfolgbarkeit
Bei Produktgruppen mit sehr großer Auswahl – zum Beispiel Tomaten oder Äpfel - ist es außerdem sowohl bei der Produktauswahl als auch beim Zahlen hilfreich nachvollziehen zu können, welche Sorte es ist oder ob es Bio oder konventionelle Ware ist. Verpackungen gewährleisten die Rückverfolgbarkeit und Unterscheidbarkeit, ermöglichen Zusatzinformationen, erleichtern durch Codes das Kassieren und dienen den Kennzeichnungspflichten (u.a. Inhaltsstoffe, Allergene). Neben einem Klebeetikett oder einer Banderole zur Kennzeichnung kommen hier mittlerweile auch oft Netze zum Einsatz.
Kürbis / Umstellung bei Verpackungsbetrieben
Es gibt aber auch Rahmenbedingungen, die REWE nicht beeinflussen kann. So zum Beispiel ist eine Umstellung auf eine ressourcenschonendere oder umweltfreundlichere alternative Verpackungsart oft aufgrund der gegebenen Möglichkeiten der Lieferanten schwierig. Diese müssten in entsprechende Anlagen investieren. An dieser Stelle ist es eine Abwägungssache, ob sich das Investment lohnt, wenn die Art und Weise in wenigen Jahren eventuell schon wieder rückschrittig ist. Das ist insbesondere bei Saisongemüse wie Kürbis, der nur einige Monate im Jahr erhältlich ist und direkt von kleineren regionalen Erzeugern angeliefert wird, der Fall. Ein Branding wie bei Süßkartoffeln, die zentral über den Hafen Rotterdam importiert, dort gelasert und weitertransportiert werden, ist deswegen kaum möglich.
Schon mehr als 1.200 Eigenmarkenverpackungen hat REWE nach der Devise „Vermeiden, Verringern, Verbessern“ über alle Warenbereiche hinweg umweltfreundlicher gestaltet, aber die Umstellung ist noch lange nicht zu Ende. Ob „Natural Branding“ von Bio-Süßkartoffeln, die Reduzierung von Folienstärken oder die Umstellung von Folienverpackung auf Klebebanderolen, Klebeetiketten und Rispenstecker – in den Regalen wird noch einiges passieren. „Wir sind am Beginn einer sehr langen Reise. Unser Regal sieht heute zwar schon ziemlich gut aus, aber es ist noch relativ viel Plastik zu sehen“, so Stephan Weist, Bereichsleiter Obst/Gemüse/Blumen/Pflanzen der REWE Group. „Ich bin sicher, dass hier in den nächsten zwei bis drei Jahren schon wieder ein ganz anderes Abteilungsbild herrschen wird. Wir beschäftigen uns jede Woche mit neuen Ideen, aktuell zum Beispiel viel mit Coating.“
Als Zwischenschritt zur optimalen Lösung reduziert und verbessert REWE die Verpackungen also immer weiter, sodass sich schon jetzt große Einsparungen erzielen lassen. Und die Erkenntnisse sollen - wo möglich – auch bald auf Obst und Gemüse aus dem konventionellen Anbau übertragen werden.
Bei PET-Flaschen gibt es mit dem Pfandsystem eine hohe Rückgabe. Das Material wird recycelt und wieder verwendet. Kann man dieses System nicht auch auf z.B. die Erd-/Himbeerschalen ausweiten? Oder sogar auf Eisverpackungen? ... Oder auch ein Tauschsystem, wie mit den Eierkartons auf dem Markt. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn die Verpackungen zwar in der gelben Tonne landen, aber da mühsam sortiert werden müssen, bevor sie recycelt werden können, soweit sie dort auch wirklich landen. Deswegen würde ich mir hier ein höheres Denken im Kreislauf innerhalb der REWE wünschen.
Beim meist türkischen Obst-/Gemüsehändler um die Ecke gibt es das meiste ohne Verpackung - auch Möhren, Salat und Kirschen - da ist es normal, warum nicht auch beim REWE? Liegt es an den verschiedenen Kundengruppen?
Ansonsten bin ich immer froh, wenn wir Schritt für Schritt weniger Müll produzieren. Danke.
Interessanter Gedanke. Das Pfandflaschenrücknahmesystem ist jedoch eine Branchenlösung mit gesetzlichem Hintergrund. Das heißt als Kunde habe ich eine weitgehende Flexibilität, die Pfandflaschen zurückzugeben, ohne an einen bestimmten Händler gebunden zu sein. Und ebenso steckt dahinter ein kompliziertes System, dass Mehrwegflaschen wieder zu den jeweiligen Abfüllern und PET-Flaschen in getrennte Wertstoffströmen zurückfließen lässt sowie unter den Beteiligten die Pfandbeträge verrechnet. Bei Lebensmittelverpackungen gibt es ja schon bei jedem Händler und jedem Lieferanten etliche stoffliche Unterschiede, die sich über die Zeit sicherlich auch schnell ändern. Eine Branchenlösung für geschlossene Wertstoffkreisläufe schließt sich damit schon aus. Weiterer Aspekt: Zurückgegebene Lebensmittelverpackungen können verschmutzt sein, bei Erd-/Himbeerschalen, Eisverpackungen oder auch Eierkartons sogar mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Das birgt für einen Lebensmittelmarkt sehr hohe Hygienerisiken. Ergo bräuchte es wieder ein vom Verkaufsraum abgeschlossenes Rücknahmesystem a la Pfandflaschen mit rückwärtigem Lagerplatz. Das schmälert natürlich die Verkaufsfläche und die Rentabilität des Marktes. Letzter Punkt: Für die haushaltsnahe Sammlung, Entsorgung und Verwertung von gebrauchten Verkaufsverpackungen hat der Gesetzgeber in Deutschland das Duale System etabliert. Dazu gehört, dass jeder, der eine Verkaufsverpackung in Umlauf bringt, verpflichtet ist, für die Leistung des Dualen Systems Geld zu bezahlen. Nach dem Prinzip der Arbeitsteilung ist es deutlich effizienter, wenn einige wenige große Spezialisten sich um die Wertstoffe kümmern und die Recyclingquote maximieren als ganz viele kleine (Märkte, Händler) sich darum bemühen. Zum türkischen O&G-Händler lässt sich ohne Infos wenig sagen. Wird dort bedient? Wie viele Kunden hat er? Wie viel Ware schmeißt er weg. Verursacht sein Geschäft wirklich weniger Plastik oder bleibt das nur im Lager, wo es der Kunde nicht sieht. Kommen die Kunden zu Fuß für wenige Artikel oder per Auto für einen Großeinkauf. Das alles muss man wissen, bevor man klären kann, ob der Händler wirklich nachhaltiger agiert als REWE. Ansonsten sind wir uns ja einig im Ziel: Schritt für Schritt weniger Müll produzieren. Liebe Grüße