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Das Omnichannel-Team: Hintere Reihe v. l.: Till Gronostay, Lisa Paulus, Christian Schubert, Simon Steingrobe, Christian Bock, Christian de Pay. Vordere Reihe v.l.:Vanessa Connemann, Andreas Conrad, Thomas Berents. Es fehlte: Elisa Prieß
Andreas Conrad im Interview
„Unterscheidung zwischen Online- und Offlinehändler wird es nicht mehr geben“
das Gespräch führte Julia Klotz
Omnichannel ist das Gebot im Handel: Kunden überall dort bedienen, wo diese es wollen. Davon ist Andreas Conrad überzeugt. Seit Mitte 2016 ist er Director Omnichannel bei REWE Digital. Im one_Interview erzählt er, warum das Einkaufsverhalten sich ändert, wie die REWE Group dem begegnet und wieso der Handel sich stärker an Kundenbedürfnissen ausrichten muss.
Andreas Conrad
one: Herr Conrad, der E-Commerce ist die Zukunft, der Einzelhandel stirbt aus dieses Hororr-Szenario malen die Medien nahezu täglich an die Wand. Nach vielen Jahren Erfahrung bei der REWE Group im stationären Handel und nun bei REWE Digital – teilen Sie diese düstere Prognose?
Andreas Conrad: Das kann ich so nicht unterschreiben. Klar ist: Das Einkaufsverhalten hat sich durch das Internet massiv verändert, und wird es weiterhin tun. Aber die Unterscheidung zwischen dem erfolgreichen Online- und dem schwächelnden Offlinehandel halte ich für oberflächlich und nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen viel stärker aus der Sicht des Kunden denken: Wie beschafft er sich heutzutage Informationen, wie vergleicht er Preise, wie und wo möchte er einkaufen? Dann werden wir schnell merken, dass die Antwort nicht online oder offline lautet, sondern: Kommt auf den Kunden und seinen Bedarf an. Es geht um Omnichannel, und zu Omnichannel gehören nicht nur online oder offline, sondern beides.
one: Bis vor kurzem war noch Multichannel ein großes Thema. Ist Omnichannel alter Wein in neuen Schläuchen?
Andreas Conrad: Die Idee hinter Multichannel lautet, die Kunden über möglichst viele Kanäle zu erreichen. Darum geht es auch bei Omnichannel, die Herangehensweise ist aber eine andere. Bei Multichannel kommen die Unternehmen von ihren Prozessen her. Sie denken in Kanälen. Das Entscheidende bei Omnichannel ist, dass wir viel stärker vom Kunden her denken: Was garantiert ihm das bestmögliche Einkaufserlebnis? Unsere Hauptaufgabe ist es also, dem Kunden einen Wechsel zwischen den einzelnen Vertriebswegen – stationär, mobil, im Netz – auf seiner Reise durch die Einkaufswelt zu ermöglichen. Und das so lückenlos wie möglich.
one: Im Kern heißt das, für Kunden sollte es egal sein, ob sie im Web einkaufen oder im Ladengeschäft – oder online bestellen und die Ware im Geschäft abholen. Wie stellen sie die Verknüpfung der verschiedenen Kanäle sicher?
Andreas Conrad:
Dazu ist zunächst viel Basisarbeit nötig. Ich vergleiche die Arbeit, die wir machen, gern mit der Erschaffung eines Eisbergs: Ein großer Teil des Eisbergs liegt unsichtbar unter der Wasseroberfläche. All das, was unter Wasser ist, ist das, was wir an Infrastruktur bereitstellen müssen, damit wir Omnichannel ermöglichen können. Wenn dieser Teil nicht da wäre, würde man über Wasser auch keine Eisspitze sehen. Konkret bedeutet das: Wir müssen die Systeme, die die unterschiedlichen Kanäle bedienen und die häufig noch isoliert sind, integrieren. Neben den Systemen müssen auch die Prozesse und Workflows integriert werden. Sie müssen so ausgelegt sein, dass man kanalübergreifend und kanalunabhängig mit den Kunden kommunizieren und interagieren kann.


Wie sieht das konkret aus, wenn ein Händler unabhängig vom Kanal mit dem Kunden kommuniziert? Für Andreas Conrad beginnt das schon beim WLAN in den Märkten: Ohne WLAN kann ein Händler den Kunden mobil im Geschäft nicht erreichen. Und dann auch seine Customer Journey nicht nachvollziehen. Bevor also Sichtbares für den Kunden umgesetzt werden kann, müssen zuerst viele Infrastrukturprojekte angepackt werden. Dazu passt das Symbol des Eisbergs: Die Arbeit an diesen Dingen kann sehr aufwändig sein und das sichtbare Ergebnis ist am Ende vielleicht nur ein Button auf einer Website.

Noch ein Beispiel: Kochrezepte im Netz zu suchen, ist nichts Neues. Wenn REWE einen Button etabliert „Zutaten jetzt bei REWE bestellen“ ist das aus Kundensicht nur ein Tastendruck. Aber die Arbeit dahinter ist enorm: Man muss definieren, welche Produkte für ein Rezept gebraucht werden, welche Produkte im Sortiment diesen Zutaten entsprechen und welche Mengen man braucht. Zusätzlich bekommt der Kunde noch die Auswahl, ob er zum Beispiel ein Markenprodukt oder Preiseinstiegsprodukt kaufen möchte. Da steckt viel Technik drin.


one: Lohnt sich denn der große Aufwand für die überschaubare Anzahl an Kunden, die beispielweise solch einen Button auch wirklich nutzt? Man könnte ja auch sagen: Der REWE Group geht es gut, unsere Märkte waren auch in 2016 sehr erfolgreich. Wir konzentrieren uns auf unsere Wurzeln: das stationäre Geschäft.
Andreas Conrad: Ich glaube, dass es langfristig die Unterscheidung zwischen einem Online- und Offlinehändler nicht mehr geben wird. Die Kunden werden die REWE als ihren vertrauten, kompetenten Ansprechpartner auf allen Kanälen erleben. Denn einerseits sehen wir, dass stationäre Händler sich bemühen, ihr Unternehmen so weit zu digitalisieren, dass sie in der Lage sind im Onlinegeschäft zu bestehen. Und auf der anderen Seite sind Online Player dabei, sich ein stationäres Standbein aufzubauen – sei es Zalando oder Amazon. Dabei werden natürlich auch neue Formate und Vertriebstypen entstehen. Ich glaube, dass es für ein Unternehmen unserer Größe elementar wichtig ist, sich solchen Veränderungen anzupassen. Tun wir das nicht, verlieren wir den Anschluss am Markt. Jedes Unternehmen, dass Autos baut, muss sich mit autonomen Fahren beschäftigen – denn das wird die Zukunft sein. Auch wenn wir sie auf den Straßen jetzt noch nicht sehen.

one: Sollten wir uns demnach Amazon als Beispiel nehmen?
Andreas Conrad: Nein. Wir wollen gar nicht beweisen, dass wir online besser können als Amazon. Sondern wir wollen die REWE fit machen für das digitale Zeitalter.
Und bisher besteht die REWE primär aus dem stationären Geschäft. Natürlich wird sich das im Laufe der Jahre ändern und transformieren, aber der stationäre Handel ist unsere Basis, da kommen wir her. Das hat durchaus Vorteile, die wir nutzen können. Das haben wir der Konkurrenz voraus.

one: Inwiefern?
Andreas Conrad: Wir sind überzeugt, dass der größte Wettbewerbsvorteil unsere Märkte und unsere Kaufleute sind. Gerade die Kaufleute sind ein positiver Motor für uns. Denn die sind selbstständige Unternehmer und jeder Unternehmer weiß: Ohne Innovation wird er nicht ewig bestehen. Daher empfinde ich den Input der Kaufleute als extrem wertvoll. Das funktioniert in der Praxis bereits gut: Mit unseren sogenannten Category Killern wie Zooroyal oder Weinfreunde versuchen wir, das Onlinegeschäfte mit dem stationären Geschäft so zu verbinden, dass beide Vertriebskanäle davon profitieren. Wir haben im vergangenen Jahr zum Beispiel das erste Depot der Weinfreunde eröffnet und werden in diesem Jahr einige Depots gemeinsam mit REWE Kaufleuten eröffnen. Denn ein Kaufmann ist sehr nah an seinen Kunden und kennt ihre Bedürfnisse. Wenn wir ihm ein Element geben wie ein Weindepot, das noch dazu bausteinartig aufgebaut ist, wird das auch im stationären Bereich zu mehr Umsatz und mehr Ergebnis führen. Und wir können den Kunden, den wir stationär erreicht haben, auch online versorgen.


Noch wird mit dem Lebensmittel-Onlinehandel nicht das große Geschäft gemacht – im Gegensatz zu anderen Sparten, wie Elektronikartikeln oder Büchern. Für Andreas Conrad steht fest: Man muss kein Prophet sein um zu sagen, dass der Onlinehandel mit Lebensmitteln wachsen wird. Die Frage ist nur: Wie schnell geht das? Der aktuelle Stand ist 99 zu eins, liest man immer wieder: 99 Prozent der Lebensmittel werden demnach noch im stationären Handel verkauft, ein Prozent online. Die Betrachtung ist für Conrad genauso richtig wie falsch: „Wenn ich mir den Markt in Deutschland anschaue, gibt es diesen einheitlichen Markt so nicht“, stellt er fest. Einerseits gebe es in ländlichen Regionen kein wirklich gut nutzbares Angebot für die Lebensmittellieferung, zumindest nicht bei Frischwaren. In Ballungszentren wie Berlin hingegen, in denen der REWE Lieferservice als Marktführer aktiv ist, sind die Umsätze bereits deutlich höher als ein Prozent.


Das heißt: Die Nachfrage kommt mit dem Angebot, Davon ist Andreas Conrad überzeugt. Entscheidend sei aber, den Bedürfnissen des Kunden an der richtigen Stelle zu begegnen. „Heute sei schon zu sehen, dass die interessantesten Kunden die sind, die sowohl online als auch offline bei uns einkaufen. „Meine Überzeugung ist, dass der Kunde sein Einkaufsverhalten stark daran ausrichtet, wofür er einkauft.“ Den Grundbedarf zu decken ist nicht unbedingt ein Lustkauf. Hier ist die Bereitschaft relativ groß, sich Waren liefern zu lassen. Wer aber für Gäste einkaufen möchte und noch gar nicht genau weiß, was er kochen möchte, den zieht es eher in den Supermarkt, mit einer Fleisch- Fisch und Käsetheke. Beraten lassen, probieren: Das ist eine ganz andere Motivation – hier steht das sinnliche Erleben im Vordergrund, oder die Belohnung. „Wir möchten beides bieten: Erlebnis im stationären Handel, aber gleichzeitig über die virtuelle Thekenverlängerung die Einkaufsmöglichkeiten und Vielfalt für Kunden erhöhen. Sei es über Gourmetprodukte, die man in den Markt ordern und abholen kann oder Waren, man nach Hause liefern lassen kann, weil wir online eine viel größere Auswahl als im einzelnen Markt anbieten.“


one: Stichwort Abholen: Vor mehreren Jahren hat REWE das Abholkonzept „Drive“ gestartet. Nach einem Dornröschenschlaf wird nun der Abholservice ausgebaut. War die Zeit damals noch nicht reif?
Andreas Conrad: Der Abholservice wird nach meiner Überzeugung an vielen Standorten künftig ein Standardelement sein. Denn er füllt eine wichtige Nische: Wenn ich berufstätig bin, muss ich mir beim Lieferservice – stand heute – ein Zeitfenster freihalten, in dem ich die Ware entgegennehme. Viele Menschen können ihren Tag jedoch gar nicht so genau im Voraus planen, kommen aber zum Beispiel auf dem Heimweg bei einem REWE-Markt vorbei. Da liegt der Gedanke nah, den Einkauf online zu bestellen und im Markt zur Abholung bereitstellen. Dann muss ich nur noch kurz im Markt vorbeifahren und die Waren am Abholschalter abholen – das eigentliche Kommissionieren und Schlange stehen an der Kasse entfällt. Daher glaube ich, dass das eine attraktive Einkaufsergänzung sein wird, die – je mehr wir sie anbieten – umso mehr von Kunden genutzt werden wird.
one: In wie vielen Märkten ist so ein Abholservice denkbar?
Andreas Conrad: Nicht jeder Markt eignet sich als Abholmarkt. Die Standortkriterien – was macht einen Markt erfolgreich oder auch nicht – haben wir natürlich mit der Zeit und Erfahrung besser kennengelernt. Wir haben inzwischen genaue Standortkriterien definiert, die als Grundvoraussetzung vorliegen müssen. Und natürlich haben wir größere Erfolgsaussichten, wenn wir auf einer Ausfahrtstraße liege zu Gebieten, in denen es eher wenig Nahversorger gibt. Daher haben wir nicht nur Metropolen, sondern verstärkt auch kleinere Städte im Blick. Derzeit gibt es 16 Abhol-Standorte. Mit Lieferservice und Abholservice zusammen erreichen wir derzeit 76 Städte – Tendenz steigend.  Wir haben eine genaue Planung erstellt und werden den Abholservice auf dieser Basis sukzessive ausrollen.
one: Als alter Hase im stationären Handel: Sind Sie mit ihrem Wissen bei den Digital-Kollegen ein gefragter Ansprechpartner für diese Themen?
Andreas Conrad: Zunächst kann ich sagen, dass ich mich im Kreis von so vielen jungen und kompetenten Menschen sehr wohl fühle. Ich darf immer noch etwas Neues lernen – das genieße ich sehr und macht mir großen Spaß. Nach meinem persönlichen Empfinden geben mir die Kollegen an der Stelle mehr, als ich zurückgeben kann. Idealerweise aber haben die Kollegen umgekehrt das gleiche Gefühl.
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Anonym
vor 7 Jahren und 6 Monaten

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