Nyelete S. Gonçalves Chilenge leitet bei der REWE Systems den Bereich Testmanagement. Wir sprachen mit ihr über den Frauenmangel in IT-Berufen – und wie Frauen sich besser positionieren können.
one: Frau Chilenge, Sie haben Wirtschaftsinformatik studiert. Waren Sie alleine unter Männern?
Nyelete Chilenge: Nicht ganz. Wir waren eine kleine Gruppe von vielleicht 15 Studenten. Davon waren drei Frauen. Am Ende des Studiums waren wir dann noch zu zweit.
one: Wie sind Sie zur IT gekommen?
Nyelete Chilenge: Ich fand es schon immer spannend, was man mit Technik machen kann und wie sie uns im Alltag hilft. Meine Eltern haben dieses Interesse schon während meiner Schulzeit gefördert. So kam ich zu meiner Ausbildung zur IT-Kauffrau und später zum Studium der Wirtschaftsinformatik.
one: Schon seit Jahrzehnten wird darüber nachgedacht, wie man Mädchen und Frauen stärker für IT-Berufe begeistern kann. Warum hat sich bislang so wenig getan?
Nyelete Chilenge: Hierfür gibt es aus meiner Sicht mehrere Gründe: Zum einen glaube ich müssten Universitäten besser informieren. Viele junge Frauen denken bei dem Wort „Informatik“ ans Programmieren, an Nerds, die den ganzen Tag am Computer sitzen und programmieren. Wirtschaftsinformatik ist vielseitig. Man muss zwar ein gewisses Grundverständnis für Technik haben. Aber ich zum Beispiel programmiere nicht. Meine Aufgabe ist es, mein Team zu managen. Das heißt ich muss ein tiefes Verständnis für die technischen und die betriebswirtschaftlichen Prozesse haben. Insofern wäre es sicher hilfreich, wenn die Hochschulen und Unis mehr über die konkreten Inhalte der betreffenden Studiengänge aufklären würden und den damit verbundenen Berufsmöglichkeiten. Dazu kommt aber auch, dass Frauen einfach mutiger werden sollten. Mir ist aufgefallen, dass viele Frauen klassische Studiengänge wie zum Beispiel Betriebswirtschaft belegen, aber später in einem IT-Unternehmen arbeiten. Die Tätigkeit, die sie ausüben, erfordert meist ein tiefes Verständnis der IT. Warum also nicht direkt in den Studiengang Wirtschaftsinformatik einsteigen?
„Es ist sicher hilfreich, wenn die Hochschulen und Unis mehr über die konkreten Inhalte der betreffenden Studiengänge und den damit verbundenen Berufsmöglichkeiten aufklären würden.“Nyelete S. Gonçalves Chilengeone: Gilt das auch für Bewerbungen, beispielsweise auf Führungspositionen?
Nyelete Chilenge: Auf jeden Fall! Frauen sehen, was sie nicht können. Männer dagegen sehen, was sie können und hinterfragen sich selbst seltener. Als mir meine jetzige Stelle als Leiterin des Testmanagements angeboten wurde, habe ich auch zunächst überlegt, ob ich das schaffe, dann habe ich aber einfach entschieden, dass ich das probiere. Und heute bin ich natürlich sehr glücklich mit meiner Entscheidung, zumal ein solches Angebot ja auch eine große Wertschätzung ist. Aber mir war natürlich auch klar, dass es eine große Herausforderung wird.
one: Hatten Sie Bedenken, ob das Team Sie als Führungskraft akzeptiert?
Nyelete Chilenge: Eigentlich nicht. Ich habe mir von Anfang an überlegt, wie ich meine Mitarbeiter so einbinde, dass alle möglichst ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden. Dazu haben wir viele Gespräche geführt und jetzt habe ich ein tolles Team. Ich glaube, Frauen führen einfach anders als Männer, nicht besser oder schlechter, einfach nur anders.
one: Werden Frauen, wenn sie Führungskräfte sind, auch anders wahrgenommen als Männer?
Nyelete Chilenge: Ich glaube schon. Was bei Frauen schnell als zickig oder verbittert interpretiert wird, wird bei Männern als durchsetzungsstark gedeutet. Und leider gibt es auch Frauen, die diese Stereotype unterstützen. Hier würde eine Gleichbehandlung der Geschlechter sehr helfen.
one: Was könnten Frauen denn tun, um solche Vorurteile abzubauen und sich in Karrieredingen mehr zu unterstützen?
Nyelete Chilenge: Programme wie Women’s Drive und Netzwerke wie F.ernetzt sind hierfür ausgesprochen wichtig. Der Austausch mit anderen engagierten Frauen und deren Wissensschatz hilft sehr. Wir hatten aber auch einige kontroverse Gespräche mit männlichen Führungskräften, die wertvoll waren. Mein Eindruck ist, dass sich viele Frauen etwas schwerer tun, Netzwerke zu knüpfen. Umso wichtiger ist es, dass es jetzt ein solches Netzwerk für Frauen gibt. Außerdem sollten Frauen in Führungspositionen verstärkt Frauen fördern.
„Frauen müssen sich einfach mehr trauen und lauter werden.“Nyelete S. Gonçalves Chilenge
one: Nicht nur in der IT fehlt es immer noch an Frauen in Führungspositionen. Wie können Unternehmen gemischte Führungsteams fördern?
Nyelete Chilenge: Frauen müssen sich einfach mehr trauen und lauter werden. Wir wollen immer alles perfekt machen und hoffen dann, dass jemand das sieht und uns die Wertschätzung entgegenbringt – beispielweise in Form einer Führungsposition. So funktioniert das aber leider nicht. Hier braucht es auf Seiten der Frauen mehr Mut zur Positionierung. Ich weiß natürlich auch, dass es manche Frauen trotz aller Bemühungen nicht in eine Führungsposition schaffen. Hier müssen Unternehmen mehr machen und sich dazu aussprechen, Frauen mit Führungspotenzial auch tatsächlich zu fördern. Was ich damit sagen möchte: Auf Worte müssen auch Taten folgen.
Nyelete S. Gonçalves Chilenge wurde in Deutschland als Tochter einer Portugiesin und eines Mosambikaners geboren. Nach ihrem Schulabschluss, absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur IT-Kauffrau. Bereits während ihres anschließenden Studiums jobbte sie bei der REWE Systems, zunächst nur stundenweise, schließlich Halbtags.
Nach Abschluss des Studiums bot die REWE Systems ihr eine Vollzeitstelle an. Seit Juli 2013 leitet sie den Fachbereich Testmanagement.