Aller guten Dinge sind drei - so kann man das Modell hinter den drei digitalen Technologietöchtern der REWE Group zusammenfassen. Commercetools, paymenttools und fulfillmenttools wickeln den Online-Einkauf von der Auswahl des Produkts über den Warenkorb und den Bezahlvorgang bis hin zur Logistik hinter der Lieferung ab. Wir stellen jede Woche ein Unternehmen vor. Den Auftakt macht commercetools.
Seit knapp acht Jahren investiert die REWE Group in commercetools. Nicht erst seit der Pandemie ist die Nachfrage nach der Handelssoftware im Baukastensystem rasant gestiegen. Allein im vergangenen Jahr verdoppelte sich der Umsatz, knapp 100 Millionen Euro sollen es 2022 schon sein. One sprach mit CEO und Mitgründer Dirk Hoerig über Flexibilität im Online-Handel, den Einhornstatus und Wachstumsmärkte in Übersee.
Dirk Hoerig, CEO commercetools
one: Herr Hoerig, um unsere Leser zum Auftakt abzuholen: Was genau macht commercetools? Welchen Service bieten Sie an und wie unterscheiden Sie sich von „herkömmlichen“ Anbietern? Oder anders gefragt: Gibt es ein eingängiges Bild dafür, was eine Microservices-basierte, API-first, Cloud-native, Headless (MACH) Technologie ist?
Dirk Hoerig: Wir bieten eine Software für den Online-Handel an mit dem Fokus auf Unternehmen, die schnell wachsen und herausragende Einkaufserlebnisse bieten wollen. Dabei konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die schnell auf neue Kundenbedürfnisse reagieren müssen und großen Wert auf Flexibilität seitens der Technologie legen. Zudem sehen wir die Vorteile der Cloud, was besonders dann wichtig ist, wenn unsere Systeme aufgrund eines hohen Besucheraufkommens verfügbar sein müssen. Wir haben unsere Handelssoftware also auf Unternehmen ausgerichtet, die ähnliche Anforderungen haben und dabei nicht auf einen unflexiblen Monolithen setzen wollen, der in der Entwicklung vergleichsweise kostenintensiv und aufwändig ist.
one: Wie kann ich mir das vorstellen?
Dirk Hoerig: Eine gute Analogie kommt aus der Spielzeugindustrie: Wenn Sie einen Bauernhof von Playmobil kaufen, dann können Sie schnell loslegen, denn die Teile sind größtenteils vorgefertigt. Aber dafür ist es schwierig, den Bauernhof zu erweitern oder für einen gänzlich anderen Zweck zu nutzen. Das war zu Beginn des Online-Handel sinnvoll, denn da gab es zuerst nur den PC und auch nur wenig Wettbewerb und Veränderung. Inzwischen brauchen viele Kunden jedoch flexiblere Lösungen. Unsere Software ist im Vergleich dazu ein Lego-Bauernhof. Sie haben viele Einzelteile, die sie zunächst zusammenbauen müssen, dafür können Sie den Bauernhof aber einfach erweitern. Die einzelnen Teile erfüllen eine bestimmte Funktion, können aber jederzeit erweitert oder umgebaut und an neue Anforderungen angepasst werden. Unser Baukastensystem ist flexibler.
Wir haben bereits 2010 erkannt, dass Online-Handel nicht nur am Computer, sondern auch mobil auf Smartphones und Tablets eine Rolle spielen wird. Die dafür notwendigen Anpassungen, sind mit commercetools leicht umsetzbar. Oder nehmen Sie einen Online-Shop für Mode, der nun seinen Katalog um Möbel erweitern möchte. Hier haben Sie ganz andere Anforderungen an die Informationen, die Sie dem Kunden mitgeben möchten. Unsere Technologie erlaubt es, diese zusätzlichen Informationen schnell und flexibel zu ergänzen. Man kann also sagen, unsere Software bietet einen Baukasten aus der Cloud bei maximaler Flexibilität, Sicherheit und Skalierbarkeit.
one: Sie sind mit commercetools seit 11 Jahren auf dem Markt aktiv und waren Pionier, im Bereich der sogenannten cloudbasierten headless E-Commerce-Systeme. Dennoch war 2021 für Sie ein besonderes Jahr. Warum?
Dirk Hoerig: Sie spielen auf den Einstieg von Accel und unsere erste Übernahme an. Ja, im vergangenen Jahr ist alles ein paar Nummern größer geworden. Dennoch war es auch in den Jahren davor immer so, dass wir uns regelmäßig neu erfinden mussten. Wir beschäftigen uns durchgehend mit Produktthemen und überlegen, was unsere Kunden brauchen. Aus dieser Perspektive betrachtet, war 2021 ähnlich wie die Jahre zuvor, nur um ein paar Dimensionen größer. Mit Accel haben wir einen Topinvestor an Bord geholt, der in zahlreichen großen US-Techfirmen wie Facebook oder Slack investiert hat. Und mit der Bewertung von einer Milliarde haben wir die Hürde zum Einhorn genommen. Nicht zuletzt haben wir unser erstes Start-up übernommen. Wir sind froh, dass wir die Kollegen von Frontastic überzeugen konnten, sich uns anzuschließen.
one: Sie haben es eben schon erwähnt: Seit 2021 ist commercetools ein Einhorn – eines der wenigen deutschen Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro. Was bedeutet das für ein Unternehmen?
Dirk Hoerig: Die Bewertung hilft zunächst, dass unsere Firma in einer breiteren Öffentlichkeit mehr Relevanz und Sichtbarkeit bekommt. Seit 2021 gehören wir was die Größe angeht weltweit in die Top 5 der Softwareunternehmen, die Online-Handelstechnologie anbieten. In Europa sind wir nach SAP die Nr. 2. Und mit Blick auf unser Wachstum sind wir die Nummer 1.
Ein weiterer und für uns wichtigerer Aspekt ist die Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern. Sowohl Insight Partners als auch Accel gehören zu den erfolgreichsten Technologieinvestoren der USA. Dieses Know-How steht uns jetzt zur Verfügung und hilft uns dabei, die Herausforderungen und die Themen, die vor uns stehen, einzusortieren. Nicht zuletzt ist es für uns wichtig, wie wir nach innen aufgestellt sind. Wir schauen immer wieder auf unsere langfristige Orientierung und ob wir das beste Team an Bord haben – auch hierfür ist der Einhorn-Status ein Plus. Insgesamt sind wir in den letzten Jahren das am schnellsten wachsende Unternehmen der Branche und das liegt ganz einfach am Produkt.
one: Die Zahlen für 2021 sind beeindruckend: Über 150 neue Kunden. Und die kommen aus völlig unterschiedlichen Branchen und haben auch unterschiedliche Zielgruppen – von B2B bis B2C. Braucht es keine Spezialisierung mehr?
Dirk Hoerig: Es ist so: Die Unternehmen, die zu uns kommen, stehen grundsätzlich vor Wachstumsschmerzen. Sie fragen sich, wie sie noch schneller wachsen können und haben oftmals schon viele Millionen oder sogar Milliarden im Online-Handel verdient. Nun kommen sie an die Grenzen der Skalierbarkeit und Flexibilität. Und genau das geben wir den Unternehmen. Sie können mit unseren Produkten schneller wachsen und haben keine Einschränkungen mehr. Denn wir haben unsere Produkte extrem auf den Kunden ausgerichtet und versuchen nicht mit angepassten alten Lösungen auf die Probleme der Zukunft zu reagieren. Das wäre so als würde ich einen Verbrennermotor in einen Tesla packen. Das ergibt auch kein modernes Auto.
one: Viele Tech-Unternehmen verdanken ihren Erfolg der letzten Jahre vor allem der Pandemie und dem damit verbundenen Wachstum beim Online-Handel. Wie nachhaltig ist dieser Erfolg?
Dirk Hoerig: Insgesamt wächst der Online-Handel ja schon seit Jahren und hat durch die Pandemie nochmal hinzugewonnen. Man muss jedoch unterscheiden in welchen Kategorien. Die Präferenzen unterscheiden sich je nach Anlass, ob es sich um Food oder Non-Food handelt und auch nach Region.
Doch ganz allgemein gesprochen gehe ich davon aus, dass die Entwicklung nachhaltig ist und wir noch mehr Wachstum sehen werden. Dazu muss man sich nur die blanken Zahlen anschauen: 4 von 10 gleichpreisigen Kleidungsstücken werden heute online gekauft. Wir sind beim Non-Food Handel insgesamt bei 20 Prozent Marktanteil.
Schaut man sich das Wachstum an, so ist auch klar, dass es beim Online-Handel keine lineare Entwicklung gibt. Früher haben für einen Marktanteil von 20 Prozent rund 23 Jahre gebraucht. Doch die letzten 5 Prozent haben wir in den letzten 2 bis 3 Jahren geschafft. Das bedeutet: Wir werden allein in nächsten 5 bis 10 Jahren im Online-Handel mindestens genauso viel zulegen wie in der Zeit vorher zusammen.
one: Was bedeutet das für den stationären Handel?
Dirk Hoerig: Das bedeutet jedenfalls nicht, dass der stationäre Handel irrelevant ist. Und es kommt darauf an, ob wir Food oder Non-Food betrachten. Gerade Non-Food-Handel erleben die Kunden heute anders. Es geht mehr um das Erlebnis. Die Kunden gehen – wenn man jetzt mal die Stadt als Beispiel nimmt - in die Innenstadt, um sich inspirieren zu lassen. Aber sie wollen anschließend noch essen gehen oder ins Kino. Dann lassen sie sich trotzdem ihre Einkäufe nach Hause schicken, weil sie keine Lust haben, mit den Tüten durch die Gegend zu laufen. Kurz: Das Modell, dass Handel ein Vor-Ort-Logistikzentrum ist, in dem ich mich bediene, hat mehr und mehr ausgedient. Wir fahren ja auch heute nicht mehr mit der Kutsche durch die Stadt. Die Dinge ändern sich und wir müssen überlegen, was für unsere Kunden die passende Antwort darauf ist.
one: Erst im Herbst vergangenen Jahres haben Sie mit Frontastic erstmals selbst ein Start-up gekauft. Wie ergänzt das Unternehmen ihre Services?
Dirk Hoerig: Frontastic bietet ein Produkt an, mit dem Online-Shopping-Welten auf dem PC, dem Smartphone und dem Tablet sehr schnell zusammengebaut werden können. Frontastic hat sich schon vor Jahren auf Kunden von commercetools spezialisiert. Frontastic hilft vor allem den Kunden, die Flexibilität haben möchten, aber im ersten Schritt jemanden brauchen, der viele Einstellungen und Anwendungen vorkonfiguriert. Um bei meinem Lego-Bild vom Anfang zu bleiben: Es richtet sich an Kunden, die gerne schon 80 Prozent des Lego-Modells zusammengebaut hätten, aber mit der Option es später wieder zu zerlegen und Funktionen hinzufügen zu können.
one: Mit Blick auf 2022: Wo soll es nun als nächsten hingehen?
Dirk Hoerig: Für das laufenden Jahr stehen 3 Dinge im Vordergrund: Als ersten Schwerpunkt wollen wir den Vorsprung unserer Produkte weiter ausbauen und unter anderem verstärkt Funktionalitäten für den B2B-Bereich zur Verfügung stellen. Denn da sind die Nachfrage und unsere Kundenbasis sehr groß und das gibt uns die Möglichkeit, uns vom Wettbewerb zu differenzieren. Gleichzeitig werden wir unsere Produktionskapazitäten verdoppeln und mit Valencia neben Berlin und Durham in den USA eine dritte Entwicklungsstation eröffnen.
Der zweite Schwerpunkt wird der Ausbau unserer Marktpräsenz in unseren Kernmärkten Nordamerika und Europa sein. Dort werden wir unsere Vertriebs- und Marketingaktivitäten fast verdoppeln. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir in diesen Regionen ein weiteres sehr gutes Jahr haben werden.
Der dritte Schwerpunkt sind Spielfelder, in denen wir versuchen etwas Neues auszuprobieren. Es gibt einige Themen, die wir jetzt aufnehmen. Dazu gehört unter anderem China, das wir uns schon länger anschauen. Hier wurden wir von der Pandemie ausgebremst. Doch jetzt nehmen wir das Land wieder ins Visier.
Insgesamt wollen wir unsere Führungsposition erhalten und ausbauen. Daher gehen wir davon aus, dass wir unsere Personalkapazitäten verdoppeln. Das heißt, wir haben auch viele Herausforderungen ans Recruiting.
one: Herr Hoerig, vielen Dank für das Gespräch.
commercetools ist ein weltweit führendes Software-Unternehmen und steht für die gleichnamige Plattform für den B2C- und B2B-Handel der nächsten Generation. Die cloudbasierte headless E-Commerce-Software stützt sich auf einen API-First-Ansatz und flexible Microservices.
commercetools bietet seinen Kunden flexible Entwicklungsbausteine und eine echte Cloud-Plattform. Damit können Unternehmen innovative Geschäftsmodelle realisieren und ihren Kunden über alle Touchpoints hinweg umfassende und inspirierende Einkaufserlebnisse bieten. Internationale Marken und Fortune-500-Unternehmen aus den verschiedensten Branchen – von Automotive über Telekommunikation und Retail bis hin zu Fashion – nutzen die Multi-Tenant-SaaS-Lösung der commercetools GmbH.
Seit seiner Gründung 2006 hat commercetools seinen Hauptsitz in München. Mit Niederlassungen in den USA, in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum ist das Unternehmen global aufgestellt.
Weitere Informationen finden Sie unter https://commercetools.com/de/.
Das Unternehmen bietet seinen Kunden flexible Entwicklungsbausteine und eine echte Cloud-Plattform, die sowohl den jeweils lokalen Datenschutzanforderungen entspricht und gleichzeitig höchste Skalierbarkeit bietet.
Seit dem Start 2010 hat commercetools seinen Hauptsitz in München. Mit Niederlassungen in den USA, in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum ist das Unternehmen global aufgestellt.