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Arbeiten im Ausland
„Der Sprung ins kalte Wasser
hat sich gelohnt“
Das Gespräch führte Julia Klotz
Lesedauer: 5 Minuten
Neue Kulturen kennenlernen, den eigenen Horizont erweitern, internationale Arbeitserfahrung sammeln: Mehr als jeder dritte Deutsche kann sich vorstellen, im Ausland zu arbeiten. Tina Holzknecht hat die Chance ergriffen. Vor vier Monaten tauschte sie ihren Job in der Personalentwicklung der Kölner Konzernzentrale gegen einen Projektmanager-Posten bei REWE Far East in Hongkong. Im Interview erzählt sie, was sie an ihrer neuen Wahlheimat liebt, wie die Verständigung auch mit Händen und Füßen klappen kann und warum sie manchmal Deutschland vermisst.
one: Sie sind vor vier Monaten von der Konzernzentrale in Köln als Projektmanagerin zur REWE Far East nach Hongkong gegangen. Haben Sie sich inzwischen gut eingelebt?
Tina Holzknecht: Hongkong selbst hat mich von Anfang an begeistert: Es ist eine pulsierende Metropole, die gleichermaßen Natur, Strände und Kultur bietet. Ich entdecke auch nach vier Monaten bei jedem Ausflug Neues und genieße es, so viele Möglichkeiten zu haben. Außerdem ist Hongkong ein perfekter Ausgangspunkt, um mehr von Asien kennen zu lernen. Ich habe mich sehr gut eingelebt, da ich von meinen Kollegen sehr nett aufgenommen wurde, einige Freunde gefunden habe und in einer schönen Wohnung wohne, wo ich mich zu Hause fühlen kann.one: Wie haben Sie sich auf die neue Aufgabe und den Umzug vorbereitet?
Tina Holzknecht: Eigentlich bin ich ins kalte Wasser gesprungen, vor allem, was die Aufgaben angeht. In Köln war ich in der Personalentwicklung als Referentin für Talentmanagement beschäftigt - bei REWE Far East bin nun Projektmanagerin. Als Ende Januar dieses Jahres feststand, dass ich nach Hongkong ziehe, war gar nicht mehr so viel Zeit für Vorbereitungen. Natürlich habe ich Impfungen aufgefrischt, Behördengänge erledigt und noch einmal meine Familie besucht, aber dann ging es auch schon los. Bei der Flugbuchung, dem Visumsantrag und der Wohnungssuche hat mich die REWE Group sehr unterstützt, sodass mir der Start hier sehr leicht gefallen ist.
Mit über 7 Millionen Einwohnern und einem bedeutenden Wirtschafts- und Finanzsektor zählt Hongkong zu den Weltstädten
Für viele Touristen überraschend: Der größte Teil Hongkongs besteht aus grüner Natur
Die Metropole hat auch schöne Strände zu bieten
one: Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Tina Holzknecht: Ich komme zwischen halb neun und neun ins Büro und checke die E-Mails, die meist nach meinem Feierabend aus Deutschland kamen. Durch die Zeitverschiebung sind die deutschen Kollegen noch nicht im Büro, sodass interne Meetings hier meist vormittags stattfinden. Am Nachmittag beginnen dann die Videokonferenzen und Telefonate mit den Kollegen in Köln. Ansonsten unterscheidet sich der Arbeitstag nicht stark von einem Bürotag in Deutschland. Inhaltlich ist es natürlich etwas ganz anderes, was der Wechsel aus der Personalentwicklung in ein Einkaufsbüro mit sich bringt.one: Bemerken Sie interkulturelle Unterschiede?
Tina Holzknecht: Ich empfinde die kulturellen Unterschiede geringer als erwartet, da hier in Hongkong alles sehr gut durchorganisiert ist, was mich auch an Deutschland erinnert. Natürlich sind die Asiaten sehr freundlich und schlagen einem ungern einen Wunsch ab. So war es beispielsweise in der Wäscherei. Ich wollte meine Wäsche gern einen Tag eher abholen, das wurde mir auch zugesichert und als ich dann am Abholtag bereit stand, war die Wäsche nicht fertig. Das sind die kleinen Dinge im Alltag, an die man sich gewöhnen muss.
one: Die meisten Einwohner in Hongkong sprechen Kantonesisch oder Mandarin - die zweite Amtssprache ist Englisch. Kommt man damit immer aus?
Tina Holzknecht: Im Großen und Ganzen kommt man hier mit Englisch sehr weit. Da ich in einer sehr chinesischen Wohngegend wohne, nutze ich auch manchmal Hände und Füße oder mein Smartphone, um Bilder zu zeigen. Bisher konnte ich mich immer verständlich machen und wenige Worte Kantonesisch habe ich auch schon gelernt. Im Berufsleben spreche ich überwiegend Englisch oder sogar Deutsch, weil einige Kollegen Deutsche sind und ich auch sehr viel Kontakt nach zu den Kollegen in Köln habe.one: Was hat Sie an ihrer neuen Heimat am meisten überrascht?
Tina Holzknecht: Dass mir hier vieles vorkommt wie in England. Ich habe ein Semester in England studiert und dass Hongkong lange Zeit eine britische Kolonie war, macht sich nicht nur im Linksverkehr bemerkbar. Die Organisation in den Behörden, das U-Bahn-System oder das Schlange stehen - sogar am Fahrstuhl - sind nur wenige Punkte, die mir nicht unbekannt sind.
one: Gibt es auch etwas, das Sie vermissen?
Tina Holzknecht: Die Familie vermisst man immer und dann oft die kleinen alltäglichen Dinge. Beispielsweise habe ich die Spargelzeit verpasst oder mir fehlt das gute deutsche Brot mit Leberwurst, was aber nicht heißen soll, dass ich es nicht hätte kaufen können. In Hongkong kann man eigentlich alles kaufen, man muss nur bereit sein, den Preis zu zahlen. Während der Fußball-Weltmeisterschaft habe ich auch meinen Freundeskreis besonders vermisst, da bei den Fußballevents in Deutschland nun doch eine andere Stimmung aufkommt als hier.one: Viele Deutsche, die für längere Zeit im Ausland leben, berichten, dass Sie einen völlig anderen Blick auf zu Hause entwickelt haben. Würden Sie das bestätigen?
Tina Holzknecht: Ja, das ist mir schon bei meinen Auslandssemestern aufgefallen und bestätigt sich hier wieder. Man fängt einfach an, die Kulturen zu vergleichen, spricht viel mehr darüber, was zu Hause anders ist als in der neuen Umgebung und entwickelt eine ganz andere Beziehung zur eigenen Herkunft. Das kann einem auch erst bewusst werden, wenn man Abstand zur eigenen Kultur gewinnt und Vergleiche ziehen kann.
one: Welchen Rat würden Sie anderen Mitarbeitern geben, die eine Zeit lang im Ausland arbeiten möchten?
Tina Holzknecht: Mir hat es sehr viel gebracht, ohne Vorurteile und Bedenken nach Hongkong zu gehen. Ich bin neugierig und offen für alles Fremde, wodurch ich mich auch sehr schnell in einen chinesischen Freundeskreis integriert habe. Auch, wenn beim Abendessen nicht immer Englisch gesprochen wird, fühle ich mich sehr gut aufgenommen und bin davon überzeugt, dass das nur durch Unvoreingenommenheit möglich war. Ich glaube, wenn man so ein Abenteuer wagt, sollte man nicht versuchen, sein deutsches Leben in Hongkong aufzubauen, sondern muss sich auf den Neustart komplett einlassen.
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