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ArticleId: 2373magazineGewaltsame Proteste auf Haitis Straßen. Mittendrin wie eine feste Burg: das Collège Verena. Die Schule bedeutet für die Kinder nicht nur Bildung, sondern auch Schutz. Und Sattwerden. Ein Überblick über die Situation und ein Einblick in das neue Chemielabor.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/3/0/csm_Haiti_Chemielabor_mgt_st_caa5786bf8.jpg„Der einzige Ort, wo wir uns sicher fühlen, ist die Schule“Haiti
Hier gibt es Normalität, Schutz, Spaß und Zusammenhalt: Die Kinder im Collège Verena freuen sich jeden Tag auf die Schule.
Hilfe für Haiti
„Der einzige Ort, wo wir uns sicher fühlen, ist die Schule“
von Bettina Rees

Gewaltsame Proteste auf Haitis Straßen. Mittendrin wie eine feste Burg: das Collège Verena. Die Schule bedeutet für die Kinder nicht nur Bildung, sondern auch Schutz. Und Sattwerden. Ein Überblick über die Situation und ein Einblick in das neue Chemielabor. 

Haiti kommt nicht zur Ruhe: Die heftigen Straßenproteste gegen die Regierung wirken sich auch auf die Schwächsten aus, auf die Kinder. Im Armenviertel Delmas 2 wurde der Schulweg für viele in den vergangenen Wochen zu einem gefährlichen und beängstigenden Gang. Warum uns das hier in Deutschland betrifft? Weil die Kinder trotzdem unbedingt in die von der REWE Group und ihren Mitarbeitern unterstützte Schule Collège Verena wollen. Sie gibt ihnen in dem aufgeheizten Land einen Anker, Normalität, Sicherheit – und eine warme Mahlzeit.

In unruhigen Zeiten wie eine Burg: Das Collège Verena

Jürgen Schübelin von der Kindernothilfe hat Haiti und das Collège Verena vor kurzem besucht, mit Schülern gesprochen und sich ein Bild von der Situation gemacht:

one: Herr Schübelin, Sie haben vor einigen Wochen bei Ihrem Haitibesuch das Collège Verena in der Hauptstadt Port-au-Prince, besucht. Wie geht es den Schülern der Schule, die dank der Unterstützung der REWE Group nach dem schweren Erdbeben 2010 in den Folgejahren wieder aufgebaut werden konnte? Wie ist die Situation in dem von der Gewalt sehr betroffenen Stadtteil? 

Jürgen Schübelin:
Die Situation war und ist extrem schwierig für die Schule und für die Bewohner des Stadtteils, von denen viele ihr Geld mit kleinen Jobs, zum Beispiel mit dem Verkauf von etwas Obst und Gemüse auf der Straße  verdienen. Sie haben keine finanziellen Reserven, und wenn sie kein Geld verdienen, weil die Straßen blockiert sind oder geschossen wird, ist das dramatisch. Die Wasserversorgung erfolgt durch Tanklastwagen, diese kommen aber oft nicht mehr durch. Kurz: Kein Geld für Nahrung, kein Wasser. Viele hungern. Das trifft besonders die Kinder des Viertels. 

Die Schule musste immer wieder für Tage schließen, da die Kreuzungen total blockiert waren und bewaffnete Banden sich in den Straßen bekämpften. Als die Schule zwischenzeitlich wieder öffnete, kamen viele Kinder dehydriert und unterernährt zum Unterricht. Die Schule konnte das leider nicht immer ausgleichen, denn wenn auch die Dieseltankwagen für die Generatoren oder der Lieferwagen mit den Gasflaschen nicht durchkamen, gab es keine Möglichkeit, in der Schulkantine warme Mahlzeiten zu kochen.

„Nach den Blockaden kamen viele Kinder dehydriert und unterernährt zum Unterricht“
Jürgen Schübelin
leitet das Referat Lateinamerika und Karibik der Kindernothilfe .
„Ohne Schulabschluss haben wir Kinder, hat dieses Land keine Zukunft.“

one: Trotz der Gefahren wagten sich die Kinder in die Schule, wenn diese geöffnet war?

Jürgen Schübelin: Jugendliche, die das Erdbeben vor fast zehn Jahren miterlebt haben, sagten zu mir: „Seit dem Beben hat uns kein Ereignis mehr solche Angst gemacht wie diese Unruhen. Der einzige Ort, wo wir uns sicher fühlen, ist die Schule.“  Diese traumatisierten Kinder haben das Gefühl, dass ihnen in der Schule nichts passieren kann. Denn dort gibt es Wasser, weitestgehend zu essen - und vor allem Menschen, die auf sie aufpassen. 

Die Schule vermittelt den Kindern nicht nur Bildung und Perspektiven, sondern auch Sicherheit, Normalität, also einen geregelten Alltag. Wir als Kindernothilfe öffnen mit der wertvollen Unterstützung von REWE ein Fenster in die Zukunft. Das auch dank der Lehrer, die in meinen Augen einen heldenhaften Job leisten. 

one: Auch die Lehrer ließen sich von blockierten oder bekämpften Straßen nicht abschrecken...

Jürgen Schübelin:
Die Lehrer kämpfen um jede Stunde „normalen“ Unterrichts. Denn für die Kinder bedeutet es enorm viel, sich jeden Morgen auf die Schule freuen zu können. 

one: Wie kann das Collège Verena im aktuellen Haiti positiv für die Kinder wirken? 

Jürgen Schübelin: Ein Schulprojekt wie das Collège Verena wirkt in dem „failed state“ Haiti, der seine grundlegenden Aufgaben als Staat kaum mehr erfüllt, wie ein Anker. Ohne Bildungsprojekte wäre wirklich alles verloren. Ein Jugendlicher sagte mir: „Wenn Haiti überhaupt eine Chance haben will, dann müssen wir um diese Schule kämpfen, wir müssen weiter hingehen und unseren Abschluss machen. Ohne Abschluss haben wir Kinder, hat dieses Land keine Zukunft.“ Dieser Junge hatte, wie alle älteren Jugendlichen, das Erdbeben überlebt, den Wiederaufbau mitgemacht. Sie sind daran nicht zerbrochen, sie haben ganz ohne psychologische Hilfe ihren Weg gemacht. Es sind tolle Kinder, die verstanden haben, dass es ohne unser Projekt keine Perspektive gibt für sie. Gottseidank gibt es diese Schule, diesen Ort. Er ist wie eine Burg. 

Hintergrund

Als echte „Fründe en dr Nut“, wie die Kölner wahre Freunde in Notsituationen nennen, erwies sich die REWE Group und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als in Haiti 2010 die Erde bebte. Seit knapp zehn Jahren begleiten sie als Spender, Unterstützer und Freunde die Zukunftsprojekte, die mit ihrer Hilfe entstanden und entstehen. Diese Freundschaft bildete auch das Fundament für den Bau des Collège Verena sowie für den Aufbau von einer Reihe von weiteren Bildungsprojekten.

Das ist in Haiti passiert:
Proteste gegen Korruption
Erdbeben, Wirbelstürme, Korruption, bewaffnete Proteste, bittere Armut... Haitis Dramen treffen vor allem die Kinder

Im Frühjahr flammten erstmals Proteste gegen die Regierung auf, die bis heute rund 30 Menschen das Leben gekostet haben sollen. Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei, Straßenblockaden, bewaffnete Banden, brennende Reifen, fliegende Steine prägten wochenlang das Bild in einigen, vor allem ärmeren Stadtvierteln. Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Präsident Jovenel Moïse, dem sie Betrug und Machtmissbrauch vorwerfen. Hintergrund: Ein offizieller Bericht über Fälle von Korruption. Mitglieder der jetzigen sowie der Vorgängerregierung sollen öffentliche Gelder aus dem Petrocaribe-Programm veruntreut haben. Die Rede ist von 3,4 Milliarden Euro, die unter anderem in die Bildung fließen sollten. Das Strukturförderungsprogramm Petrocaribe dient der Unterstützung der lateinamerikanischen und karibischen Wirtschaft.

Der Korruptionsskandal trifft ein Land mit einem extremen sozialen Gefälle: Zehn Prozent der Bevölkerung des ärmsten Landes der westlichen Halbkugel gilt als reich, 54 Prozent lebt geschätzt von einem US-Dollar pro Tag. Ungleich verteilt sind auch die Bildungschancen: Die Alphabetisierungsrate liegt bei rund 60 Prozent, nur 25 Prozent der Kinder gehen auf eine weiterführende Schule, die armen besuchen öffentliche Schulen, bei denen es an gut ausgebildeten Lehrern und Lehrmaterialien mangelt. Eine private Schule können sich aber die wenigsten leisten. 

Hier spielt eine Schule wie das Collège Verena eine wichtige Rolle. Die in einem Armenviertel gelegene Schule ist – auch dank der Spendengelder der REWE Group und seiner Mitarbeiter – gut ausgestattet mit qualifizierten Lehrern, Unterrichtsmaterialien und Fachräumen. Dazu gehören nicht nur die Sportmöglichkeiten oder die Klassenräume, sondern auch das kürzlich eröffnete Chemielabor: 

Das neue Chemielabor
„Mir ist etwas gelungen, was mir unmöglich schien“
„Eins der schönsten Fächer“: Dank der praktischen Arbeit im Labor begeistern sich die Schülerinnen und Schüler nun für Chemie

Gut ausgestattet und voll funktionsfähig ist das kürzlich eröffnete Chemielabor des Collège Verena. Hier lassen es die Schüler krachen – und lernen dabei wesentliche Dinge, die für ihr Leben wichtig sind. 

Sandra*, 18, Schülerin

„Bevor wir die Experimente im Labor durchführten, mochte ich Chemie gar nicht. Also, ich hatte schon Lust darauf, aber ich verstand überhaupt nichts. Jetzt, mit der Arbeit im Labor, ist mir klar geworden, dass Chemie eins der schönsten Fächer ist. Ich klemme mich jetzt dahinter, so wie ich es schon für Physik tue. 
    
Wir machen eine Menge Experimente, aber am liebsten mag ich die Versuche mit den homogenen und heterogenen Gemischen. Bei einem Experiment ist es mir gelungen, mit Holzkohle als Reinigungsfilter sauberes und klares Wasser zu gewinnen. Ich war sehr zufrieden, dass mir etwas gelungen ist, was mir kurz zuvor noch unklar und unmöglich schien.

In der Schule lernen wir lesen, schreiben und viele andere Dinge, die für uns wichtig sind. Im Chemielabor aber vertiefen wir unser Wissen über Dinge, die wir für für unser Leben brauchen können. Ich möchte jetzt einen Beruf ergreifen, wo ich mit Chemie zu tun habe. Wenn möglich, möchte ich Medizin studieren.“

Durch die Praxis öffnet sich der Zugang zu Chemie: Schüler bei einem Experiment im Labor

Luke*, Chemielehrer

„Das Chemielabor hilft den Schülern dabei, das Fach Chemie zu verstehen. Durch die Praxis im Labor verstehen sie die Theorie besser. Bei manchen Experimenten folgt der praktische Teil auf den theoretischen Unterricht. Manchmal aber lassen wir sie erst die Experimente durchführen und darauf aufbauend die Theorie dazu erarbeiten. Damit sich alle aktiv beteiligen können, arbeiten wir in Kleingruppen von zehn Schülern. Der Unterricht von meinem Kollegen und mir besteht vor allem darin, sie bei der Durchführung der Experimente anzuleiten und zu helfen, die Versuchsergebnisse wie auch Chemie im Allgemeinen besser zu verstehen. 

Die Arbeit im Labor hilft den Schülern, sich in jeglicher Hinsicht weiterzuentwickeln. Wenn man ihren Werdegang verfolgt, von ihrem allerersten Mal im Chemielabor bis heute, dann sieht man: Es liegen Welten dazwischen, und sie haben Riesenfortschritte gemacht. Durch die Praxis im Labor haben sie gelernt, wie wichtig es ist, mitzumachen, keine Stunden zu verpassen und dafür zu lernen. Sie verstehen Chemie und ihre Bedeutung für viele Dinge des Lebens nun besser. Und vielen, die das Fach früher nicht mochten, gefällt es nun gut.“ 

* Name geändert

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