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Serie Weinwissen, Teil 6
Wein trinken und Wein trinken können
von Andreas Brensing
Wein verkosten? Kann ja nicht so schwer sein. Flasche auf, einschenken, fachmännisch dreinschauen, Nase ins Glas und dann ein großer Schluck. Dann weiß man, ob der Tropfen schmeckt oder nicht. Oder? Im sechsten Teil des one_Weinwissens erklärt Weinkeller-Chef Andreas Brensing, wie man seine Sinne schärfen und dadurch die Weinwelt völlig neu entdecken kann.
Verkosten
„Wein trinken und Wein trinken können zwei ganz unterschiedliche Erlebnisse sein: Entweder man genießt schlichtweg ein Glas des Weines der Wahl oder aber man taucht förmlich in ihn hinein. Letzteres nennt man Verkosten, man unterzieht den Wein einem „Prüfungsvorgang“ an dessen Ende zwar auch ein „schmeckt“ oder „schmeckt nicht“ steht, aber dazwischen gibt es sehr viel zu entdecken. Wie bei allem das komplex und vielschichtig ist muss man jedoch zunächst seine Sinne schärfen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie kennen das sicherlich noch aus der Schule, als man die ersten Gedichte analysieren musste: Beim ersten Lesen dachte man häufig, „Was ist das denn für ein Quatsch“, aber mit jedem weiteren Mal entdeckte man mehr Feinheiten und irgendwann konnte man auch ganz unbekannten Gedichten beim ersten Lesen etwas abgewinnen oder verstand zumindest ihren Aufbau. Man hatte sich ein Handwerkszeug erarbeitet mit dem man das Gelesene schnell analysieren konnte. Das ist auch das Ziel beim Wein, man analysiert die einzelnen Geschmacksnuancen. Man fragt sich ob das Erfahrene zur Region oder Rebsorte passt (Typizität), ob es ein stimmiges Gesamtbild ergibt (Harmonie) und ob er trotzdem vielschichtig und spannend ist (Komplexität), und dann natürlich, ob einem das auch gefällt (Subjektivität). Nun aber erst einmal zum Handwerkszeug!
Die Verkostung: Spielend lernen.
Es gab einmal eine Werbung für eine französische Weinregion in der hieß es: „Es dauert lange, bis man ein Weinkenner ist, aber es ist eine schöne Zeit.“ Genau das ist es. Es gibt so viele Regionen, Rebsorten, Weinstile und es kommen jedes Jahr neue Weine hinzu. Mit jedem Jahrgang werden alle Weine auf der Welt einmal ausgetauscht, jede Ernte bringt durch die unterschiedlichen Bedingungen während ihres Wachstums ihren ganz eigenen Geschmack hervor. Vergessen sie es also, sie können nicht alle Weine kennen, nicht einmal annähernd. Niemand kann das. Es ist auch gar nicht das Ziel in Blindverkostungen aufzutrumpfen mit einem „Eindeutig ein 71er Latour, aber etwas zu warm gelagert ….“. Das Ziel ist es, den eigenen Geschmack zu bilden und zu verbessern. Dazu muss man riechen, schmecken und das Geschmeckte hinterfragen. Üben Sie etwa bei einem geselligen Abend mit Freunden: Nehmen Sie sich vielleicht fünf verschiedene, weiße Rebsorten vor, die typisch sind für ihre Region. Verkosten Sie blind, also ohne dass man weiß, welche Sorte im Glas ist. Im Vergleich stellen sich dann die Eigenheiten der einzelnen Weinen heraus. Mit der Zeit lernen Sie dann wie ein Sancerre, ein Chablis oder ein Riesling schmeckt. Was besonders typisch ist, Sie lernen bessere und weniger gute zu unterscheiden. Gehen Sie immer analytisch vor, denn auch bei Wein gilt der Satz, den Berthold Brecht einmal über das Analysieren von Gedichten formuliert hat: „Zerpflücke eine Rose und jedes Blatt ist schön.“ Ach ja und vergessen Sie vor lauter Analysieren natürlich das Trinken nicht.“
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