Kennen Sie die Spitzenkandidaten der deutschen Parteien zur Europawahl? Falls nein, sind Sie in guter Gesellschaft – denn so geht es fast jedem zweiten Deutschen. one schafft Abhilfe und stellt die Kandidaten und Partei-Positionen zu den wichtigsten Handels-Themen vor.
Addiert man die Europa-Wahlprogramme derjenigen Parteien, die im Bundestag sitzen, kommt man auf 512 Seiten Text. Das ist viel Lesestoff. Die einen setzen dabei auf den Kampf gegen Populismus und Nationalismus, andere fordern radikale Reformen. Doch wie stehen die Parteien zu den wichtigsten Handelsthemen – Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Klima und Nachhaltigkeit sowie Digitales? Hier lesen Sie die Positionen im direkten Vergleich.
In der Verbraucherschutzpolitik strebt Bündnis 90/Die Grünen eine Ernährungswende an. Im Wahlprogramm fordert die Partei eine leicht verständliche Nährwertampel, eine Reduktion von Zucker, Salz und Fetten sowie eine verpflichtende Tierhaltungs- und Gentechnikkennzeichnung auf Lebensmitteln. Außerdem wollen die Grünen die Möglichkeit einer Verbandsklage auf EU-Ebene einführen.
Die FDP möchte für den Schutz des Verbrauchers wettbewerbsverzerrende Praktiken konsequent verfolgen.
Mit der Verbraucherschutzpolitik der EU beschäftigen sich CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm nur partiell. So heißt es lediglich, dass sich ein „Europa der sozialen Sicherheit“ auf Grundstandards bei Arbeitnehmerrechten sowie Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards konzentrieren solle.
Die SPD möchte den Verbraucherschutz im digitalen Raum stärken. Dazu zählt unter anderem eine europäische Regulierung von Medienplattformen und die Etablierung internationaler Ethikstandards für den Einsatz von Algorithmen. Außerdem soll es Verbrauchern ermöglicht werden, bei Onlinegeschäften auch anonym bezahlen zu können. Algorithmusbasierte Entscheidungen und Scoring-Methoden sollen grundsätzlich eingeschränkt werden. Abseits der digitalen Welt fordert die SPD eine Nährwert-Ampel für Lebensmittel entsprechend dem französischen Nutri-Score.
Im Bereich Verbraucherschutz fordert die Partei ein Verbandsklagerecht von Tierschutzverbänden. Wenn Lebens- und Futtermittel mit Pestiziden behandelt wurden, soll eine Kennzeichnungspflicht verordnet werden. Eine weitere, einheitliche Kennzeichnung soll zudem für vegetarische und vegane Lebensmittel eingeführt werden.
Bündnis 90/Die Grünen strebt die Ausrichtung der Landwirtschaft in der EU nach ökologischen Kriterien an. Dafür soll der Einsatz von Pestiziden drastisch eingeschränkt werden – Glyphosat soll komplett verboten werden. Auch den Einzelhandel sehen die Grünen für eine erfolgreiche Agrarwende in der Pflicht. Markt-regulierende Mechanismen sollen überprüft werden, um die Preise zu stabilisieren. Europaweite Regelungen sollen sogenanntes Preisdumping im Lebensmitteleinzelhandel verhindern.
Die FDP möchte die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) marktwirtschaftlich modernisieren. Landwirtschaftliche Betriebe sollen unterstützt werden, schrittweise unabhängig von Fördermitteln zu werden. Für einen stärkeren Tierschutz fordert die Partei die kurzfristige Einführung eines verpflichtenden europäischen Tierschutzsiegels auf tierischen Lebensmitteln.
In der Landwirtschaftspolitik wollen sich CDU/CSU auf Europaebene für den Erhalt der bisherigen Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderpolitik mit gleicher finanzieller Ausstattung einsetzen. Gleichzeitig sollen finanzielle Anreize dafür sorgen, dass bäuerliche Betriebe vermehrt auf einen ökologischen und nachhaltigen Anbau setzen. Gesetzliche Vorgaben soll es jedoch nicht geben.
Die SPD setzt sich dafür ein, dass künftig die Förderung der Gemeinsamen Agrarpolitik an Bedingungen im Tier- und Umweltschutz geknüpft wird. Durch Anreizsysteme sollen Betriebe angehalten werden, den Tierschutz und die Bewahrung der Artenvielfalt mitzudenken. Außerdem soll in der Landwirtschaft vollkommen auf Glyphosat und andere schädliche Pflanzenschutzmittel nach Ablauf der Zulassungsfrist verzichtet werden. Ebenso lehnt die SPD den Anbau genmodifizierter Pflanzen ab.
Die Linke möchte die Agrarpolitik durch faire Handelsbeziehungen und eine veränderte Subventionspraxis nachhaltiger machen. Ein Mittel dazu sollen regionale Kreisläufe sein. Dabei soll der Einsatz von chemischen Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmitteln reduziert werden und die Zulassung von Glyphosat nicht weiter verlängert werden. Es sollen verbindliche Kriterien für die tier- und umweltgerechte Tierhaltung etwa durch ein Verbot Lebendtiertransporten sowie ein EU-weites Tierschutzsiegel eingeführt werden. Zudem will sich die Linke für ein Verbot von Gentechnik und Tierversuchen einsetzen.
Bündnis 90/Die Grünen setzt sich für eine rasche Verkehrswende ein. Dafür brauche es ambitionierte europäische CO2-Grenzwerte für Neuwagen, eine Förderung der europäischen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und eine EU-weite Quote für abgasfreie Neuwagen. Ab 2030 dürften nur noch abgasfreie Autos zugelassen werden. Darüber hinaus fordert die Partei einen deutlich steigenden Mindestpreis für CO2-Emmissionen.
Mit einer Strategie für nachhaltigen Konsum will Bündnis 90/Die Grünen außerdem auf europäischer Ebene Anreize setzen, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Dafür sollen die Lebensdauer und Gewährleistungsfristen von Gütern erhöht werden. Zudem soll die Lebensmittelverschwendung eingedämmt werden. Nicht verkaufte Lebensmittel sollen an karitative Einrichtungen gespendet werden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum will die Partei durch ein Verzehrdatum ersetzen. Außerdem soll der Verpackungsabfall bis 2030 um 50 Prozent reduziert werden und eine europäische Transparenzrichtlinie eingeführt werden, die die gesamte Herstellung und Lieferkette der Textilindustrie umfasst.
Wie auch die Grünen möchte die FDP der CO2-Emmission einen „fühlbaren Preis“ geben. Damit würden Investitionen in die Vermeidung von CO2-Emmissionen unmittelbare wirtschaftliche Vorteile ergeben. Grundsätzlich seien weitere Steuererhöhungen und Abgaben der Verkehrsteilnehmer zu verhindern. Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm außerdem, die Bewältigung des Plastikmülls in den Meeren global anzugehen. Die EU soll international ihre Vorreiterrolle ausbauen.
CDU/CSU möchten die europäische Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickeln und fordern eine globale Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Außerdem soll der Mikroplastikeintrag europaweit in einer einheitlichen Strategie verringert werden. Im Bereich Mobilität setzen sich die Schwesterparteien für eine verstärkte Nutzung der Elektromobilität ein. Dafür sollen alternative Antriebsformen technologieoffen bei gleichzeitiger Stärkung der Automobilindustrie erforscht werden.
Die SPD strebt eine Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien sowie einen CO2-Preis für Sektoren, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind, an. Gleichzeitig soll die Erforschung neuer und klimafreundlicher Antriebstechnologien ausgebaut werden. Außerdem stellt die SPD die Forderung auf, dass alle Kunststoffverpackungen bis 2030 wiederverwendbar oder recycelbar sein sollen.
Die europäische Klimapolitik soll auf die Erfüllung der Ziele des Pariser Klimaabkommen ausgerichtet werden. Im Bereich Energie fordert die Linken eine CO2-Steuer, um Kosten des Klimawandels abzubilden. Die Linke fordert zudem, die Nahrungsmittelversorgung und Biodiversität nicht durch den Ausbau von Bioenergie zu gefährden. EU-Flächenprämien sollen darüber hinaus für klimaverträgliche Landwirtschaft ausgezahlt werden. Die Linke bekennt sich zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen der UN-„Agenda 2030“ und der Erreichung der EU-Biodiversitätszielen. Außerdem will sie für nachhaltige Handelsbeziehungen, die die langfristige und ökologisch nachhaltige Energieversorgung sichern, einstehen. Große Energieunternehmen sollen verstaatlicht werden.
Das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen sieht eine flächendeckende digitale Infrastruktur in der EU vor. Bei der Erforschung neuer digitaler Technologien sind der Partei besonders die ethischen Implikationen wichtig. So sollen beispielsweise algorithmische Entscheidungssysteme überprüfbar und anfechtbar gemacht werden.
Die FDP kündigt an, die europäische Glasfaserinfrastruktur und den Ausbau der 5G-Technologie vorantreiben zu wollen. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz soll durch eine gemeinsame europäische Strategie gefördert werden.
CDU/CSU wollen mithilfe einer strategischen Förderung von Zukunftstechnologien „digitale Weltmarktführer der Zukunft“ entstehen lassen. Eine europäische Digitalplattform für smarte Anwendungen und Künstliche Intelligenz soll etabliert werden und die Gründungskultur durch eine einheitliche, europäische Start-up-Definition gestärkt werden.
Die SPD kündigt in ihrem Wahlprogramm an, den Menschen ins Zentrum der Digitalisierung stellen zu wollen. Insbesondere in ländlichen Räumen soll ein Zugang zu schnellem Internet und flächendenkender Mobilfunk bereitgestellt werden. Ein offener Zugang zur Nutzung von vollständig anonymisierten und nicht-personenbezogenen Daten in Europa soll zudem verhindern, dass Daten weiterhin exklusiv von großen Konzernen verwertet werden und Europa digital unabhängig agieren kann. Für Konzerne wie Google, Apple oder Amazon soll eine Digitalsteuer eingeführt werden.
In ihrem Wahlprogramm fordern die Linken eine Digitalisierungsstrategie der EU. Zentrales Anliegen ist dabei die digitale Teilhabe. Daher sollen Dateninfrastrukturen in öffentlicher Hand bleiben und das 5G-Netz flächendeckend ausgebaut werden. Die Plattformarbeit soll so reguliert werden, dass die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten und Verbrauchern in der digitalen Wirtschaft vor Betrug geschützt werden. Auch soll die elektronische Kommunikation stärker reguliert werden.
Schließe mich Ronny an. Unvollständige Darstellung.
Leider schafft hier `one´ keine Abhilfe in Bezug zu den Kandidaten und den Partei-Positionen bzw. ist dies völlig unvollständig.
Bekanntlich sitzen im Bundestag seit Herbst 2017 sechs Parteien, hier werden aber nur Positionen von vier Parteien vorgestellt:
Dies finde ich sehr schade und mir fehlt da die Objektivität sowie Neutralität.
Lieber Ronny,
herzlichen Dank für den Kommentar. Unsere Auswahl spiegelt die vier größten Fraktionen des Europa-Parlaments wider, in denen aktuelle Bundestags-Parteien vertreten sind. Wenn man hingegen die derzeitige Sitzverteilung im Deutschen Bundestag zugrunde legt, ist Ihr Einwand natürlich berechtigt. Daher haben wir nun die Position der Linken in den oben angeführten Handlungsfeldern ergänzt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den EU-Positionen der AfD in diesen für unser Unternehmen wichtigsten Handlungsfeldern ist leider kaum möglich, da die AfD der Europäischen Union grundsätzlich die Legitimation abspricht: Die EU sei ein „bürgerferner Kunststaat, der auf Vertrags- und Rechtsbrüche zurückgeht“. Weiter hält die AfD „die quasistaatliche ,Europäische Union‘ […] für einen Widerspruch in sich“. Der Vollständigkeit halber möchten wir die zentralen inhaltlichen AfD-Positionen an dieser Stelle aber gerne wiedergeben: Die AfD reduziert die Rolle der EU darauf, einen „möglichst unbehinderten Binnenmarkt“ sicherzustellen. In den übrigen Feldern fordert die AfD – zusammengefasst – nationale Lösungen anstelle von europäischer Zusammenarbeit.
Herzliche Grüße
Ihre one_Redaktion