Wenn sich Jan Flemming das zukünftige Arbeiten vorstellt, sieht er vor seinem inneren Auge großzügige, offene Flächen. Im Zentrum eines hellen Raums bietet eine Lounge-Arena mit Kaffeemaschine Platz für spontane Begegnungen, umgeben von gläsernen Besprechungsräumen, in denen man Kolleg:innen aus verschiedenen Teams sehen und sich nach dem Meeting spontan zum Kaffee oder Mittagessen verabreden kann. Ein Ort, der Lust auf die Fahrt ins Büro macht und den bereichsübergreifenden Austausch fördert.
In der Stolberger Straße, am hinteren Ende des Flurs, in dem das REWE-Marketing seine Büros hat, ist diese Vision in Teilen bereits zu erleben. Gut, die Lounge-Arena gibt es nicht, dafür ist die erste Open-Space-Fläche am REWE-Traditionsstandort im Kölner Westen doch zu klein. Aber den gläsernen Konferenzraum in der Mitte des Raums gibt es immerhin. Und auch sonst bekommt man eine Idee davon, warum der 35-Jährige so überzeugt ist, dass so oder so ähnlich das Arbeiten von morgen aussieht.
Der Kontrast könnte kaum größer sein, wenn man auf dem Weg in die Heimat der Teams Marketing-Strategie und Marketing-Partnerschaften durch die fensterlosen Gänge der zweiten Etage in der S76 läuft, vorbei an zahlreichen, geschlossenen Bürotüren. Sobald man die Fläche der Teams von Jan Flemming betritt, wird es plötzlich hell, von beiden Seiten flutet das Licht durch den Raum. Je sechs aufgeräumte Schreibtische zur Linken und zur Rechten. In der Mitte der gläserne Konferenzraum, durch den kaum Schall nach außen dringt. Daneben sitzt ein Kollege in einer „Telefonbox“ im Video-Call, schallisoliert – und natürlich belüftet.
Ganz andere Erinnerungen hat Jan Flemming an seine ersten Tage in der Stolberger Straße. „Als ich das Team Marketing-Strategie übernommen habe, habe ich von meinem Vorgänger ein Einzelbüro geerbt“, blickt er zurück. „Da habe ich gleich gesagt: Das brauche ich nicht und mich zum Team gesetzt.“ Sein Büro hat er umgebaut zu einem Teamraum. Nur Whiteboard und Flipchart duften bleiben, anstelle des Schreibtischs steht dort nun ein Konferenztisch für Besprechungen. „Der Raum steht allen Kolleg:innen hier auf dem Gang offen“, sagt er.
Diese waren anfangs nicht alle begeistert von der Idee, nun auch noch Wände einzureißen und künftig auf einer komplett offenen Fläche zu arbeiten. „Wir haben auch andere Kolleg:innen hier auf dem Marketing-Gang gefragt, ob sie die neue Open-Space-Fläche beziehen möchten“, berichtet Flemming. Viele fanden den Ansatz zwar interessant, wollten sich aber dann doch nicht vorwagen. Auch im eigenen Team musste Flemming Überzeugungsarbeit leisten.
Was passiert mit dem ergonomischen Stuhl?
„Die Grundstimmung war positiv“, sagt er rückblickend. „Aber natürlich gab es auch Fragezeichen und Vorbehalte.“ Was passiert mit dem höhenverstellbaren Tisch oder dem ergonomischen Stuhl, den sich ein Teammitglied zuvor per Antrag bestellt hat, um die Rückenprobleme in den Griff zu bekommen? Wird es in so einem großen Raum nicht viel zu laut, wenn dort mehrere Kolleg:innen telefonieren?
„Das muss man dann auch mal pragmatisch lösen“, lautet Flemmings Antwort. Wer einen ergonomischen Stuhl hat, kann den natürlich auch im Open Space behalten. Höhenverstellbare Schreibtische sind ohnehin Standard an allen Arbeitsplätzen. Und für Telefongespräche und Konferenzen gibt es den schallisolierten Konferenzraum und die Telefonbox.
Auf der Habenseite steht die helle, offen Atmosphäre des Raums, die kaum in größerem Kontrast zum Ursprungszustand stehen könnte. In der Mitte des Raums, wo man heute die offene Fläche betritt, war früher ein dunkler Flur. Von dort gingen je zwei Büros nach links und rechts ab. Das Umbauteam hat kurzerhand alle Wände entfernt. Was früher der Flur war, ist nun das Zentrum der Open-Space-Fläche. „So haben wir sogar Fläche dazugewonnen“, freut sich Flemming.
Mehr Platz, das wäre im REWE-Marketing schon Argument genug für den Umbau gewesen. Auf der bestehenden Fläche war es in den vergangenen Jahren schon eine Herausforderung, genügend Arbeitsplätze für alle Kolleg:innen bereitzuhalten. „Obwohl wir händeringend Platz für alle Kolleg:innen gesucht haben, gab es immer wieder die Situation, dass in einzelnen Büros Plätze frei waren“, erinnert sich Flemming. „Man hat es nur nicht mitbekommen“. Denn wenn Kolleg:innen, die sonst etwa im Carlswerk sitzen, tageweise in die Stolberger Straße kamen und dort auf der Suche nach einem Arbeitsplatz durch die Gänge streiften, trafen sie meist auf geschlossenen Holztüren oder persönlich dekorierte Schreibtische. Zwei Gründe, die die meisten davon abhielten, sich mit einem guten Gefühl an einen der eigentlich freien Schreibtische zu setzen.
„Mit unserer Open-Space-Lösung wollten wir diesen Kolleg:innen auch klar zeigen: Hier könnt ihr euch immer gerne hinsetzen“, erinnert sich Flemming. Und auch bei den Kolleg:innen, die der neuen Offenheit anfangs skeptischer gegenüberstanden, wuchs mit dem Fortschritt auf der Baustelle die Vorfreude. Als die Teams Marketing-Strategie und Marketing-Partnerschaften dann endlich einziehen konnten, bemerkte Flemming nach kurzer Zeit ein ganz neues Teamgefühl: „Die räumliche Offenheit fördert auch die Offenheit im Team, man lernt sich besser kennen.“ Auch Kolleg:innen aus anderen Teams schauen inzwischen öfter vorbei. Wenn heute im Marketing über neue Räume diskutiert wird, ist der neue Raum immer ein Bezugspunkt. Flemming legt übrigens Wert darauf, dass er die neue Offenheit nicht exklusiv für sein Team beansprucht: „Wer von unseren Marketing-Teams hier arbeiten möchte, ist herzlich willkommen.“
Dr. Jan Flemming ist als Head of Marketing Strategy & Media für die Marketing-Strategie und Partnerschaften von REWE sowie für das Mediageschäft der REWE Group verantwortlich. Der 35-Jährige kam 2016 aus der Unternehmensberatung zu REWE Digital, wo er für Strategie zuständig war und u.a. die Zusammenführung des klassischen REWE-Marketings mit dem Digital-Marketing und der Payback-Kommunikation in ein REWE-Omnichannel-Marketing geleitet hat.
2018 übernahm er den Bereich Marketing-Strategie, ehe 2019 mit Marketing-Partnerschaften das REWE-Sponsoring und Mitte 2020 das REWE-Group-Mediageschäft hinzukamen. Seine Teams aus der Stolberger Straße und dem Carlswerk arbeiten standortübergreifend mit verschiedenen Bereichen in der REWE Group zusammen.
one: Jan, wie hast du persönlich die Zeit nach dem Umzug auf eure neue Fläche erlebt?
Jan Flemming: Sehr gut, allerdings war es für mich auch nicht komplett neu. Ich habe sowohl in meiner Zeit in der Unternehmensberatung als auch nach meinem Einstieg bei REWE Digital bereits mit meinen Teams im Open-Space-Flächen zusammengesessen. Im Carlswerk fand ich diese offene Fläche, auf der man auch immer wieder Kolleg:innen aus anderen Bereichen über den Weg läuft, total hilfreich für die Kommunikation. Da ergibt sich mal zwischendurch ein kurzer Austausch, für den man sonst umständlich einen Termin finden muss.
one: Wie lief der Umbau in der Stolberger Straße?
Jan Flemming: Wir mussten teilweise noch viel Überzeugungsarbeit leisten, Regeln hinterfragen und die von uns gewünschte moderne Arbeitswelt immer wieder erklären. Das hatte schon etwas vom Bau eines Prototyps, von den Baugenehmigungen mit dem Vermieter bis hin zur Frage, wo nun welches Kabel verlegt oder ob ein Beamer an die Decke gehängt werden darf. Von der Entscheidung für den neuen Raum bis zum Einzug hat es fast ein Jahr gedauert. Da müssen wir im Konzern sicherlich noch besser werden.
one: Wie können offene Räume auch die Führungsarbeit unterstützen?
Jan Flemming: Ich habe auch vor Corona schon stark auf flexibles Arbeiten gesetzt, weil ich überzeugt davon bin, dass es für das Team und das Arbeitsergebnis besser ist, wenn jeder eigenständig entscheiden kann, ob es für ihn an einem Tag sinnvoller ist, zuhause in Ruhe etwas wegzuschaffen oder zum Austausch ins Büro zu kommen. Für diesen Austausch braucht es aber genau solche Begegnungsräume, gerade wenn das Team an unterschiedlichen Standorten oder im Home Office sitzt. Ich selbst mag es total, als Führungskraft Teil des Teams zu sein. So bekommt man mit, wie die Stimmung ist und was die Kolleg:innen umtreibt. Und sich bei aller Fachlichkeit persönlich auszutauschen und auch mal zu flachsen. Mein Team ist für mich ein Antrieb, warum ich gerne zur Arbeit gehe.
one: Wenn jeder selbst entscheidet, wo er arbeitet, funktioniert der Austausch ja aber nur, wenn jeder Einzelne eigenverantwortlich plant.
Jan Flemming: Das ist ein Stück weit so. Aber Flexibilität bedeutet ja nicht, dass jetzt jeder nur noch im Home Office arbeiten muss. Oder dass man als Führungskraft nun pauschal weniger eng führt und die Mitarbeiter:innen nur noch ganz alleine lässt. Es geht vielmehr um situative Führung, also die bewusste Auswahl des richtigen Führungsstils für Mitarbeiter:innen bei verschiedenen Aufgaben und anderen Rahmenbedingungen. Da kann es sein, dass in einem Fall eine enge Führung schon vor Corona falsch war. Es kann aber umgekehrt auch passieren, dass Mitarbeiter:innen jetzt in der Distanz mehr Führung brauchen, weil gewohnte Strukturen wegfallen und im Home Office neue Herausforderungen entstehen.
one: Besteht auch ein Risiko, dass ein Team durch die neue Flexibilität auseinanderfällt?
Jan Flemming: Ja, das muss man im Blick behalten. Wir zehren jetzt noch von den Beziehungen aus der Vor-Corona-Zeit, aber die Pandemie hat uns auch die Grenzen des Home Office gezeigt. Viele sehnen sich danach, wieder Kolleg:innen zu treffen. Neben all den technischen Investitionen, die momentan viel diskutiert werden, müssen wir daher auch unsere Bürokonzepte überdenken, damit unsere Teams gerne ins Büro kommen und der Austausch gefördert wird. Hierfür ist es hilfreich, wenn man vorab in einem Tool sehen kann, wer wann da ist. Auch für die Kapazitätssteuerung brauchen wir ein entsprechendes Tool, wenn nicht mehr jedes Teammitglied einen festen Arbeitsplatz hat. Wer etwa als Pendler einen weiten Weg ins Büro hat, muss sich dann natürlich darauf verlassen können, einen freien Arbeitsplatz zu finden.
one: Nun sind nicht alle begeistert von Open Space und Desksaring. Warum lohnt es sich aus deiner Sicht auch für diejenigen, die solchen Veränderungen eher skeptisch gegenüberstehen?
Jan Flemming: Wir leben in einem extrem dynamischen Umfeld und müssen uns alle permanent hinterfragen. Dazu gehört, dass wir auch immer wieder unsere Komfortzone verlassen. Ich bin überzeugt, dass wir als REWE Group von mehr Kollaboration, Austausch und Transparenz profitieren. Und dafür brauchen wir mehr solche Flächen. Klar ist aber auch, dass wir nicht alle über einen Kamm scheren können. Es gibt sicher Bereiche, für die zum Beispiel unsere neue Fläche nicht das Richtige wäre. Flexibles Arbeiten heißt für mich nicht, dass man allen eine Lösung überstülpt, sondern zu sehen, welche Bedürfnisse es an welcher Stelle gibt. In Gesprächen erlebe ich, dass sich die meisten das Beste aus beiden Welten wünschen, also die richtige Mischung aus Arbeit zuhause und Präsenz im Büro: flexibles Arbeiten, genau wie das Projekt DNA das auch vorsieht.
REWE Group führt Desksharing ein
Die REWE Group macht sich bereit für die Arbeitswelt der Zukunft: Ab dem 1. Januar ist es erwünscht und erlaubt, im Desksharing Schreibtische zu tauschen. Welche weiteren Veränderungen in den Büroräumen die Neue Arbeitswelt (DNA) noch mit sich bringt, erläutert Heike Wilhelm im one_Interview.
Wie Kolleg:innen die Arbeit auf der Open-Space-Fläche erleben
Drei Kolleg:innen berichten, welche Vor- und Nachteile das Arbeiten auf einer offenen Fläche mit sich bringt - und wie für sie die ideal gestaltete Arbeitswelt aussieht.
Ich freue mich für Jan und sein Team und musste fast ein bisschen schmunzeln: Als ich vor 4 Jahren in der S92 / 3. Etage anfing, fand ich die Büros schon sehr offen und kommunikativ, aber scheinbar ist das auf anderen Etagen anders. Dann zog ich wegen eines Jobwechsels in die Domstraße und fand den Unterschied sehr krass: Nur weisse Wände in unserem Abteilungsflur, keine Bilder, alle Türen zu, keine Teeküche, keine Besprechungsecke...nichts. Da hoffe ich nun auf die DNA-Projekte und ein bisschen Veränderung für unsere Etage.