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Lesedauer: 4 Minuten
Das bringt uns die EU
Gemeinsam statt einsam
von Julia Klotz

Europa? Das ist für viele Menschen ein abstraktes Gebilde, eine Bürokratie-Maschine. Dabei regelt die EU vieles, was jeden Bürger im täglichen Leben betrifft. Fünf Beispiele, auf was wir ohne EU verzichten müssten.

Diese Zahlen sprechen für Europa: Nach einer Umfrage des Europäischen Parlaments vom September 2018, dem sog. Eurobarometer, halten 81 Prozent der deutschen Bevölkerung die EU für eine gute Sache. Im EU-Durchschnitt sind es 62 Prozent, immerhin der höchste Wert seit 25 Jahren. Und noch 76 Prozent der Deutschen glauben, dass ihr Land von der Mitgliedschaft in der EU profitiert. 
Doch es gibt auch andere Stimmen: Trotz der wachsenden Unterstützung für die EU im Allgemeinen ist die Hälfte der Befragten nicht zufrieden mit der Richtung, in die sich die EU entwickelt. Einige glauben sogar: Europa wäre besser dran ohne die EU. Nach einer Emnid-Umfrage befürwortet nahezu jeder Dritte eine Abstimmung über einen Austritt Deutschlands aus der EU.

Wie sähe unser Leben also ohne europäische Einigung aus? Das zeigen die folgenden Beispiele. Ohne die EU...

…würde Reisen komplizierter
© Getty Images/Imgorthand

Innerhalb der Europäischen Union reisen EU-Bürger grundsätzlich ohne Reisepass. Ohne diesen sogenannten Schengen-Raum würden Grenzkontrollen reisende Menschen und Warenströme verlangsamen oder sogar behindern. Das gut ausgebaute europaweite Verkehrsnetz würde ohne die EU-Koordination verkommen, weil die Staaten nur noch nach nationalen Bedürfnissen bauen würden. 
Auch bei den Fahrgastrechten sähe es ohne die EU mau aus: Beispielsweise bei großen Verspätungen garantiert eine EU-Verordnung Fluggästen eine Entschädigung. Ähnliche Fahrgastrechte gibt es für Reisende mit Bus, Bahn und Schiff. Und das Ende der Roaming-Gebühren macht den Anruf nach Hause einfacher: Kostete es noch vor zehn Jahren über 40 Cent, aus dem EU-Ausland mit dem eigenen Handy zu telefonieren, entstehen seit 2017 keine Zusatzkosten mehr. Man kann auch im EU-Ausland zu den Preisen des Inlandstarifes kommunizieren.
Bei Reisen außerhalb der EU gibt es ebenfalls Vorteile für EU-Bürger: Verliert man beispielsweise den Ausweis oder Reisepass in einem Land, in dem der eigene Staat keine Vertretung hat, helfen die Botschaften anderer EU-Mitglieder aus.

…leiden Wirtschaft und Handel
© Getty Images/ Weerasaksaeku

Italienischer Schinken im Regal, ein französisches Café in Köln und ein Job in Spanien – das ist gelebte europäische Realität. Der europäische Binnenmarkt als einheitlicher europäischer Wirtschaftsraum mit seinen vier Freiheiten – Warenverkehr ohne Grenzen, Dienstleistungsfreiheit, freier Kapital- und Personentransfer – ist eines der Wesensmerkmale der EU. Am 1. Januar 1993 eingeführt, sorgt er seitdem für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung. Für Verbraucher bedeutet er eine größere Produktvielfalt und niedrigere Preise, wirbt die EU. Ohne diese Freiheiten müssten wir vermutlich wieder Zölle zahlen und Visa beantragen. 
Außerdem ist Deutschland eine Handelsnation: 60 Prozent der Exporte gehen in EU-Länder, rund 11 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom Export ab – das entspricht fast jedem vierten Arbeitsplatz. Ohne Binnenmarkt hätten deutsche Unternehmen keinen einfachen Zugang zu einem Markt mit 500 Millionen Menschen, sondern müssten zahlreiche Regelungen beachten.
Auch andere Errungenschaften der freien Marktwirtschaft stünden auf dem Spiel: Ganz gleich, ob Kündigungsschutz, der Schutz werdender Mütter oder ein europäisches Wettbewerbsrecht, das Kartelle daran hindert, Preise zu diktieren – all dies ist in der EU garantiert.

…wäre Deutschlands Verhandlungsposition geschwächt
@ Getty Images/ MarioGuti

Deutschland hat eine starke Wirtschaft. Aber alleine als einzelnes Land Handelsabkommen mit China oder den USA aushandeln? Für Global Player können die europäischen Staaten nur als Handelsblock ein ernstzunehmender Verhandlungspartner sein. Unsere Position allein wäre viel schwächer als im Verbund mit allen EU-Mitgliedsstaaten, die geschlossen mit einer Stimme sprechen. Am EU-Binnenmarkt mit 500 Millionen Verbrauchern kommt keine Wirtschaftsmacht vorbei. Somit hat die EU die Macht, auf Normen für Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz hinzuwirken oder sich für Menschenrechtsstandards stark zu machen.
Es ist auch nur die EU, die noch ernsthafte Aussichten darauf hat, privaten Wirtschaftsmächten Paroli bieten zu können. Internetökonomie und Digitalisierung haben große, weltumspannende Konzerne wie Google und Amazon geschaffen, die Steuerpflichten mit geschickter Ansiedlungspolitik ausweichen und Konkurrenten ausschalten. Brüssel tritt ihnen auf die Füße.

…wäre weniger Umweltschutz
© Getty Images/ PhoThoughts

Gerade in der Umweltpolitik wird deutlich, welche Vorteile die Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg hat: Denn nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Verschmutzung von Flüssen und Meeren oder der Luft macht nicht an Landesgrenzen halt. Die EU-Umweltpolitik versucht, globale Maßstäbe zu setzen und Umweltprobleme zu bewältigen. Dreckige Gewässer oder Phosphate im Trinkwasser sind zum Beispiel kaum noch vorstellbar. Ohne gemeinsame Regeln wären solche Erfolge schwer zu erzielen. Diese sichern nicht nur die Gesundheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger, sondern auch gleiche und damit faire Ausgangsbedingungen für die Industrie. So kann nicht die Firma eines Landes einen Vorteil daraus ziehen, dass die Umweltstandards und damit auch die Produktionskosten niedriger sind als jenseits der Grenze. Etwa 80 Prozent aller nationalen Umweltgesetze haben ihren Ursprung in der EU.

…hätten wir weniger berufliche Freiheit
© Getty Images/ oneinchpunch

EU-Bürger dürfen überall in der Europäischen Union leben und arbeiten. Diese Freizügigkeit ist nach Meinung vieler Bürger der größte Vorteil des vereinigten Europas. 
Gäbe es die EU nicht, würde das Studium an einer Uni im heutigen EU-Ausland schwierig bis unmöglich. Gleiches gilt für bestimmte Jobs im Ausland – und ebenso umgekehrt: Deutsche Unternehmen könnten weniger benötigte Fachkräfte aus dem Ausland einstellen. Das trifft insbesondere den Handel.

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