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Wettlauf um gute Standorte
Flächen und Formate
von Stefan Weber
Überall, wo Menschen leben, arbeiten oder reisen, möchte die REWE Group mit ihren Märkten nicht weit sein. Aber gute Standorte zu finden, wird schwieriger. In den Metropolen kümmern sich Projektentwickler derzeit vorrangig um den Wohnungsbau. Und in Großstädten macht die Politik häufig strenge Vorgaben. So vergehen nicht selten drei Jahre zwischen ersten Planungen und der Eröffnung eines Supermarktes.
Der Steckbrief lautet ungefähr so: „Gesucht wird ein bezahlbarer Standort mit einer Verkaufsfläche von 1.000 bis 1.500 Quadratmetern und Platz für etwa 100 Pkw-Stellplätze. Wohngebietsnah gelegen, aber mit guter Anbindung an den privaten und öffentlichen Verkehr sowie mindestens 10.000 kaufkräftigen Einwohnern im Einzugsbereich.“ Eine solche Immobilie hätten alle Supermarkt-Betreiber gerne. Denn sie bietet beste Voraussetzungen für einen gut funktionierenden Vollversorger.

Das Problem ist nur: Solche Flächen sind immer schwieriger zu bekommen – vor allem in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder München. „Dort ist Wohnraum besonders knapp. Somit konzentrieren sich viele Projektentwickler auf den Wohnungsbau, anstatt neue Flächen für den Einzelhandel zu schaffen. Denn da ist die Wertschöpfung aktuell höher“, beobachtet Christian Schneider, Funktionsbereichsleiter Expansionssteuerung bei der REWE Markt GmbH.
Hinzu kommt: Der Wettbewerb um gute Supermarkt-Standorte wird härter, weil es mehr Mitbewerber gibt. Denn auch mancher Discounter interessiert sich inzwischen für Flächen bis 1.500 Quadratmeter, wie sie lange Zeit nur von Supermarkt-Betreibern gesucht waren. Noch ist Schneider nicht beunruhigt. Noch machen Projektentwickler, Investoren, Vermieter und die Expansionisten der REWE vor Ort genügend Standort-Vorschläge für neue Märkte. Sowohl zur Anmietung als auch zum Kauf. In diesem Jahr wird REWE 200 Märkte neu eröffnen oder erweitern. In den meisten Fällen ist dies ein klassischer Supermarkt, sehr häufig aber auch ein REWE City, der in verdichteten Stadtlagen auch ohne Parkplätze funktioniert. Oder ein REWE Center – an Standorten, die für den großen Einkauf mit dem Auto angesteuert werden. Künftig kommen auch viele REWE To Go-Märkte hinzu. Denn mit diesem Convenience-Format für Hochfrequenzlagen wie Bahnhöfe, Flughäfen und Fußgängerzonen in  Großstädten wird REWE nun auch bundesweit expandieren. Aufgrund der Vielzahl der Formate hat REWE für viele Flächen, egal ob 500 oder 5.000 Quadratmeter groß, das passende Konzept. Mitunter sogar auch für Standorte mit nur 100 oder 200 Quadratmetern – mit REWE To Go. „Wir sind sehr flexibel, lehnen keine Immobilie vorschnell ab, sondern schauen in jedem Fall, welche Möglichkeiten sich dort bieten“, betont Schneider. Lässt sich zusätzlich ein Nachbarobjekt erwerben, falls die Fläche nicht ausreicht? Wie steht der Vermieter zu einem eventuellen Umbau? Solche Fragen klären Schneider und seine Kollegen frühzeitig. Ob ein Objekt dann tatsächlich realisiert wird, hängt von vielen Faktoren ab. Vom Einzugsgebiet, von der Erreichbarkeit und der Wettbewerbssituation vor Ort. Zum anderen natürlich vom aufgerufenen Preis und den Optionen, die das Baurecht dort überhaupt zulässt.
Zwischen ersten Planungen und der Eröffnung eines REWE Supermarktes vergehen nicht selten mehr als zwei bis drei Jahre. Bei den kleineren REWE City-Märkten geht es meist sehr viel schneller, weil sie in bestehende Gebäude integriert werden. Angesichts der langen Mietverträge, die REWE üblicherweise für seine Märkte abschließt (vergleichbar mit der Ausrichtung von vier Fußball-Weltmeisterschaften), relativieren sich laut Schneider jedoch auch Vorlaufzeiten von drei Jahren und mehr. Wie schnell es geht, ist meistens abhängig vom Baurecht. Gibt es einen Bebauungsplan und kann der tatsächlich umgesetzt werden, kann es fix gehen. Aber das ist nach den Erfahrungen des REWE-Managers nur sehr selten der Fall. Meist existiert kein Bebauungsplan oder eine bestehende Planung muss geändert werden. Dann kann es zu Einwänden von Nachbarn oder auch Nachbargemeinden kommen. Die Folge sind Klagen – was die Sache deutlich verzögert. Oder am Ende gar verhindert. 
Vor allem in Großstädten mit etwa 100.000 bis 250.000 Einwohnern gibt es Schneider zufolge für REWE durchaus noch gute Möglichkeiten zu expandieren. Denn dort seien die Immobilienpreise nicht so rasant gestiegen wie in Metropolen und es gebe Bedarf für moderne Lebensmittelmärkte. „Aber die Politik dort hat klare Vorstellungen, wo größere Lebensmittelläden hin sollen und wo nicht. Außerhalb dieser Bereiche werden größere Flächen rigoros abgelehnt. Das macht die Expansion schwierig.“
Manchmal kommt REWE dennoch zum Zuge – weil sie mit den Green Building-Märkten ein architektonisch reizvolles, umweltverträgliches Ladenkonzept anbietet.
„Dadurch haben sich in Gesprächen mit Politikern und Stadtplanern mitunter Türen wieder aufgetan, die bereits geschlossen waren“, betont Harald Fischer, Bereichsleiter Bauwesen der REWE Markt GmbH. Denn die Ansprüche von Städten und Gemeinden hätten sich gewandelt. „Die wollen keine dunklen Höhlen oder 08/15-Immobilen. Da haben wir mit dem Green Building-Konzept die passende Antwort.“
Illustration: Kühnl + Schmidt Architekten AG, NL Leipzig
Flirt-Location mit Parkdeck
Abgerundete Fassade, schicke Green Building-Architektur mit viel Holz und auf dem Dach 80 Pkw-Stellplätze: Der vor wenigen Wochen eröffnete REWE-Markt an der Schivelbeiner Straße 38 im Osten Berlins ist ein Schmuckstück. Und er ist ein Beispiel dafür, welch langen Atem Standort-Entwickler bisweilen haben müssen, um ein Projekt zu verwirklichen. Denn eigentlich wollte REWE den früheren Extra-Markt gleich nach der Übernahme im Jahr 2008 umgestalten. Linoleum-Böden, abgewetzte Regale, Kassen von anno dazumal – alles, was noch an realsozialistische Kaufhallenathmosphäre erinnerte, sollte schnell raus. Aber der Eigentümer der Immobilie hatte einen Mietvertrag mit einem Mitbewerber geschlossen. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit – ohne dass REWE zwischenzeitlich nennenswert in den Markt investieren konnte. Aufgeben kam nicht in Frage. Dafür war der Standort zu beliebt. Vor allem bei jungen, urbanen Kunden, trotz 1970er Jahre Einkaufsromantik. Aber vielleicht, weil ein Szene-Blatt den Laden einmal zu den Top Ten-Flirt-Locations in Berlin gekürt hatte. Nach gut fünf Jahren war der Fall zu Gunsten von REWE entschieden. Der Markt war inzwischen so marode, dass im Sommer 2014 nur ein Abriss und Neubau in Frage kamen. Für REWE, inzwischen auch Grundstückseigentümer, ergaben sich nun neue Hürden: Der Baustadtrat von Pankow wünschte sich, dass über dem Markt Wohnungen entstehen. Für REWE jedoch war klar: „Wir können Supermarkt, und dabei wollen wir bleiben.“ Mit dem Green Building-Konzept und dem Zugeständnis, auf dem Marktdach Pkw-Stellplätze einzurichten, hat REWE den Stadtrat dann überzeugt. Der neue Laden ist sehr gut angelaufen. Über den Status als Flirt-Location indes ist noch nichts bekannt.
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