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„Innovation wird aus Mut gemacht“
ArticleId: 3165magazineLastenrad statt Auto: Diese Alternative testet der REWE Lieferservice seit einem Jahr in Köln. Nun wird das Pilotprojekt auf weitere Städte ausgerollt. Welche Vorteile bringt das für die sogenannte letzte Meile und die Umwelt? One hat mit Projektmanager Viktor Geist gesprochen.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/e/8/csm_Fahrradhub_standard_teaser_bc91568bda.pngJa, wir sind mit dem (Lasten-)Radl daREWE Lieferservice
Pilotprojekt bei REWE Lieferservice
Ja, wir sind mit dem (Lasten-)Radl da
von Julia Klotz

Lastenrad statt Auto: Diese Alternative testet der REWE Lieferservice seit einem Jahr in Köln. Nun wird das Pilotprojekt auf weitere Städte ausgerollt. Welche Vorteile bringt das für die sogenannte letzte Meile und die Umwelt? One hat mit Projektmanager Viktor Geist gesprochen.

Frische Lebensmittel, online bestellt und bis an die Wohnungstür geliefert - So kennen die Kunden den REWE Lieferservice seit zehn Jahren. Seit einem Jahr testet REWE bereits zusätzlich die Auslieferung per Muskelkraft: Im Kölner Süden startete die Auslieferung per Lastenräder, die vom zentralen Food Fulfillment Center (FFC) versorgt werden und aus einem innerstädtischen Umschlagplatz, dem sogenannten Hub, auf Tour gehen. Mit Erfolg: Jetzt schaltet der Lieferservice einen Gang höher und liefert auch in Berlin und Hamburg per Fahrrad aus.

Nach einer bildlich gesprochenen Erdumrundung mit rund 40.000 Kilometern im ersten Praxistest stand fest: Das läuft rund, eignet sich für die Belieferung der Kund:innen des REWE Lieferservice in Ballungsräumen. „Wir sind in den ersten Wochen selbst geradelt, haben die Lieferungen am FFC eingeladen und an die Kunden im Kölner Süden geliefert. Dadurch haben wir hautnah viele Erkenntnisse sammeln und im Test nachsteuern können“, erzählt Viktor Geist, Senior Projektmanager Logistikentwicklung Lieferservice bei REWE.

Heute radeln Geist und seine Kolleginnen und Kollegen nicht mehr selbst, sondern es übernimmt mit VeloCarrier ein Experte für Fahrradlogistik die letzten Radmeter der Lieferung. „Alle unsere Erkenntnisse und insbesondere die spezifischen Vorgaben an die Auslieferung der sensiblen Lebensmittel sind in den nächsten Schritt des Projektes eingeflossen. Gemeinsam sind wir in der Lage, heute von zwei Fahrrad-Hubs in Köln, einem Hub in Hamburg sowie direkt von einem unserer FFCs in Berlin aus Kunden per Lastenrad zu beliefern”, freut sich Geist. In Hamburg ist das Projekt Teil des RealLab Hamburg in Kooperation mit der Hochbahn Hamburg. Das Netzwerk der Fahrrad-Hubs umfasst damit bereits vier Hubs, in denen rund 60 Fahrerinnen und Fahrer von Montag bis Samstag zwischen 7 und 22 Uhr kräftig in die Pedale treten. An Bord: Reguläre Bestellungen des REWE Lieferservice mit Produkten aus allen Sortimentsbereichen - von Obst und Gemüse über frische Fleisch- und Wurstwaren bis Tiefkühlprodukte und Getränke.


Viktor Geist im Interview
„Wir gehen schon von einem ökologischen Vorsprung aus“

Viktor Geist, Senior Projektmanager Logistikentwicklung Lieferservice bei REWE
one: Viktor, zu Beginn des ersten Praxistests habt ihr noch selbst in die Pedale getreten – heute seid ihr einige Schritte weiter. Wie funktioniert die Logistik beim Fahrrad-Hub genau?
Viktor Geist: Für die Kundinnen und Kunden ändert sich nichts: Sie bestellen wie gewohnt beim Lieferservice. Dann wird in unseren Food Fulfillment Centern kommissioniert und die Ware bereitgestellt. Ab hier nehmen Lieferungen unterschiedliche Wege – die Touren für die Fahrradbelieferung werden separat bereitgestellt. In Köln und Hamburg werden die Touren gebündelt zum Hub gebracht, dort werden die Lieferungen auf die einzelnen Räder verteilt. In Berlin beliefern wir direkt aus dem FFC mit dem Lastenfahrrad.
Natürlich spielt auch bei der Fahrradbelieferung das Einhalten der Kühlkette eine wichtige Rolle. Das erreichen wir mit Trockeneis, eutektische Platten oder Gelpacks. Eine Software berechnet im Lager bei der Kommissionierung die exakt benötigte Menge.
Die Bestellungen decken in der Regel einen Wocheneinkauf aus dem gesamten Supermarkt-Sortiment des REWE Lieferservice. Bei der Planung der Touren werden bestimmte Postleitzahlen im nahen Umkreis der Fahrradstandorte automatisch ausgewählt. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob eine Bestellung umfangreich oder kleiner ist. Je nach Anzahl und Kapazitäten im Fahrradhub kann es auch sein, dass sowohl Lieferfahrzeug oder Lastenrad gleichzeitig unterwegs sind. Aktuell radeln rund 60 Kolleginnen und Kollegen von unserem Dienstleister Velocarrier für den REWE Lieferservice.

one: Welche Erkenntnisse habt ihr in dem ersten Testjahr gewonnen?
Viktor Geist: Unsere wichtigste Erkenntnis ist sicher: Wir sind keine Fahrradmechaniker, unsere Expertise liegt in der Lieferung von frischen Lebensmitteln sowie Produkten aus Küche und Haushalt. Die Erfahrungen zeigen, dass Lastenräder wartungsintensiv und angesichts unserer Lasten regelmäßig von Ausfällen betroffen sind. Das reicht von einfachen Reifenpannen bis zu komplexen Problemen bei Ketten, Schaltungen und dem E-Antrieb. Die Räder müssen enorme Lasten tragen und zuverlässig sein, da wir auch frische Lebensmittel transportieren und uns hier keine Verzögerung erlauben dürfen. Grundsätzlich funktioniert der Prozess, von der Bestellung über die Kommissionierung und Tourenplanung bis zur Anlieferung und Auslieferung, sehr gut. Hier profitieren wir von unserer Expertise im Lieferservice. Wir haben aber sicher noch Verbesserungspotenzial, zum Beispiel was das Steuern der Tourenplanung angeht. Noch sind wir hier zum Beispiel eher Fahrzeug- statt Fahrrad-getrieben unterwegs. Die Räder müssen nach einer ersten Runde zurück zum Standort und nachladen – das berücksichtigen wir auf den Strecken noch nicht optimal.

„Der Verkehr in den Städten wird zunehmend komplexer, das sehen wir bundesweit. Verschiedene Nutzungen konkurrieren immer mehr miteinander.“
Viktor Geist
one: Welchen Vorteil hat die Belieferung per Lastenrädern gegenüber herkömmlichen Kleintransportern oder LKW?
Viktor Geist: Das können wirtschaftliche und ökologische Vorteile, aber auch Vorteile für den urbanen Verkehrsraum sein. Genau das soll das Projekt aufzeigen. Um einem Vorurteil direkt entgegen zu wirken: Lastenräder sind nicht schneller als unsere Lieferfahrzeuge. Auch gibt es keinen Unterschied in der Pünktlichkeit, die grundsätzlich sehr hoch ist. Das liegt schlicht daran, dass die Tourenplanung – unabhängig von Auto oder Rad – ja die Route plant und Wetter, Verkehr und auch Pausen der Fahrerinnen und Fahrer von vornherein einkalkuliert. Unsere Annahme ist, dass Lastenräder einen positiven Effekt auf den innerstädtischen Verkehr haben können. Wir schauen uns das also auch an: Wie bewegen sich die Räder in der Stadt, wo gibt es Vorteile und wo Einschränkungen? Mit dem ersten Rad, einem Anhänger, haben wir in Köln schnell gemerkt: Das mit den Bordsteinen funktioniert mit diesem Modell gar nicht gut. Wir gehen insgesamt schon von einem ökologischen Vorsprung aus, aber ob und wie hoch, das wird das Projekt zeigen. Letztlich kommt es darauf an, wie breit man den Vergleich anstellt, ob zum Beispiel das Laden der Räder mit Ökostrom passiert und so weiter.

one: Wie sind die Reaktionen der Kund:innen?
Viktor Geist: Oft ahnen Kundinnen und Kunden nichts, denn die Übergabe der Bestellungen erfolgt wie gewohnt – mit Abstand – an der Wohnungstür. Von dort weist nichts auf das Rad hin, es sei denn man hat die Ankunft des Rades aus dem Fenster beobachtet. Die Fahrerinnen und Fahrer der Lastenräder berichten immer wieder von erstaunten Kund:innen, aber auch von vielen Passant:innen, die sich nach dem Lastenrad im Look des REWE Lieferservice umdrehen. Manche sprechen sie auch gezielt an und erkundigen sich nach technischen Details des Fahrrads oder sind begeistert, weil REWE hier neue Wege geht. Überhaupt ist das das zentrale Feedback: Jedem ist klar, dass wir nicht über Nacht alle Lieferungen per Rad ausliefern können. Umso mehr freuen sich Kund:innen, dass wir nicht nur theoretisch planen, sondern konkret Alternativen probieren.

one: Wie schätzt du die Perspektive für andere Städte in Deutschland ein? Gibt es Rollout-Pläne?
Viktor Geist: Der Verkehr in den Städten wird zunehmend komplexer, das sehen wir bundesweit. Man muss sich also heute damit beschäftigen und in der Praxis mögliche Optionen prüfen. Die theoretische Beschäftigung reicht nicht aus, denn jede Stadt und jeder Standort hat andere Voraussetzungen oder Anforderungen.
Wir sind mit einem Hub in Köln gestartet, haben jetzt zwei Standorte in Köln sowie einen Standort in Berlin und sind Teil eines Microhubs in Hamburg. Es ist natürlich viel zu früh, um über konkrete Rollout-Pläne zu sprechen. Jetzt wollen wir erst einmal mehr lernen, vor allem die Lastenräder weiter prüfen und weiterentwickeln. Aber auch an unserer Tourenplanung arbeiten. Auf dieser Basis lässt sich in sicher später besser einschätzen, wie es weitergeht. Aber sicher: Grundsätzlich bieten sich weitere Standorte im REWE Lieferservice für die ergänzende Belieferung per Lastenrad an. Die Herausforderungen an innerstädtischen Verkehr gibt es in vielen Metropolregionen. Ich würde andererseits nicht davon ausgehen, dass es auf absehbarer Zeit sinnvoll ist, von innenstadtnahen FFCs lange Radtouren in den ländlichen Bereich zu fahren.

one: Welche Infrastruktur brauchen Lastenräder im Wirtschaftsverkehr? Wo siehst Du noch Schwachpunkte?
Viktor Geist: Wir arbeiten in drei Städten mit unterschiedlichen Konzepten, um verschiedene Rahmenbedingungen zu testen: In Hamburg sind wir Teil des Projektes „RealLab“ mit der Hochbahn und anderen Logistikunternehmen. Der Test läuft seit Januar 2021 und vereint an einem gemeinsamen Microdepot Paketdienstleister wie Hermes, DHL sowie den REWE Lieferservice. In Berlin haben wir auf einen eigenen, separaten Fahrradhub verzichtet und liefern direkt aus einem innerstädtischen Food Fulfillment Center des REWE Lieferservice. In Köln nutzen wir mit dem Wandelwerk ein urbanes Projekt, das aus einem ehemaligen Autohaus zur Zwischennutzung Flächen für diverse Projekte zur Verfügung stellt. Ein weiterer Fahrradhub ist eine Logistikfläche in der Südstadt.
All dies zeigt: Wir haben wenige bauliche Anforderungen für unsere Hub-Standorte zum jetzigen Zeitpunkt. Wir benötigen auch keine spezialisieren Flächen mit Kühlhäusern oder extra Rampen. Natürlich haben wir Idealvorstellungen, aber gerade in der aktuellen Projektphase sind wir flexibel - die Anlieferung muss funktionieren und die Lastenräder müssen sich gut innerstädtische bewegen können.
Im Projekt wollen wir anhand der verschiedenen Optionen mehr erfahren und lernen, welche Rahmenbedingungen für unser Modell welche Vor- und Nachteile bieten. Besonders die vielfältigen individuellen Anforderungen sind spannend: Die Auslieferung von Paketen ist eben nicht ohne weiteres zu vergleichen mit der Lieferung frischer Lebensmittel, verbunden mit einem kompletten Sortiment, von Tiefkühl bis Obst und Gemüse.

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