Märkte sind Stromfresser. Jan-Oliver Heidrich und Dirk Mithöfer, Geschäftsführer der REWE Group-Energietochter EHA, erläutern, wie Händler ihren Stromverbrauch kontrollieren und optimieren können – und wie jetzt auch Toom und PENNY International davon profitieren.
one: Die EHA Energie-Handels-Gesellschaft ist eine 100prozentige Tochter der REWE Group, aber sie erwirtschaftet die Hälfte ihres Umsatzes mit Drittkunden. Für wen sind Sie ansonsten tätig?
Dirk Mithöfer: Wir sind mit der REWE groß geworden. Die dabei gewonnen Erfahrungen bringen wir heute in das Geschäft mit anderen Kunden wie dm, depot oder Peek & Cloppenburg ein. Auch bei der Verbindung zu anderen Genossenschaften profitieren wir von in der Zusammenarbeit mit REWE gewonnenem Learning. Dazu zählen etwa die Sparda-Bank, Bäko Ost, Landgart, fürSie, Intersport, Agravis, RWZ Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main oder Soennecken. Eine für uns relativ neue Branche, in die wir im Bereich Funksendemasten eingestiegen sind, ist die Telekommunikation. Seit dem vergangenen Jahr betreiben wir die Stromzähler an mehr als 25.000 Funksendemasten von Vodafone in Deutschland.
one: EHA wird häufig vor allem als Lieferant von Grünstrom und Gas wahrgenommen. Dabei ist das Unternehmen inzwischen ein 360 Grad-Energiedienstleister. Welches Tätigkeitsfeld bietet die größten Wachstumspotenziale?
Jan-Oliver Heidrich: In Zeiten der Digitalisierung gewinnen die Erfassung und die Analyse von Daten sowie das Handling von großen Datenmengen immer mehr an Bedeutung. Für uns heißt das, dass der Bereich Messstellenbetrieb wichtiger wird, denn hier liegen Zukunftsthemen wie Smart Meter und der Zugang zu Big Data. Darüber hinaus glauben wir an die Kombination von Erzeugung erneuerbarer Energien – in unserem Fall über Photovoltaik-Anlagen - und struktureller Beschaffung von Energie für unsere Kunden. Zusätzlich umfasst unsere Beratung alle Bereiche rund um das Thema Energie: von der Beschaffung über das Controlling bis hin zur Energieeffizienz.
one: Seit kurzem ist EHA auch als Strombeschaffer für PENNY International tätig. Welches Wachstumspotential bieten die Märkte außerhalb Deutschlands und Österreichs?
Jan-Oliver Heidrich: Die Zusammenarbeit mit PENNY in Ungarn, Rumänien, Tschechien und Italien öffnet uns neue Türen zum internationalen Markt und schafft die Möglichkeit, mit weiteren Unternehmen in der REWE Group Erfahrungen zu sammeln. Viele unserer Drittkunden wie etwa Peek & Cloppenburg sind ebenfalls europaweit aufgestellt. Wir hoffen, auch mit ihnen jenseits der deutschen Grenzen stärker ins Geschäft zu kommen und wünschen uns, dass auch andere Unternehmen der REWE Group dem Beispiel von PENNY International folgen.
one: Der Handel ist eine energieintensive Branche. Welchen Beitrag leistet EHA zur Energieeffizienz?
Dirk Mithöfer: Mit unseren Messsystemen und der Aufbereitung der erhobenen Energiedaten sorgen wir für völlige Transparenz. Die Verbräuche können über das EHA Energieinformationssystem leicht für alle Kostenstellen überwacht werden. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Energiemanagementsysteme des Konzerns. Wir stellen den Energiebeauftragten des Energiemanagementsystems für die REWE Group in Deutschland, das auch erfolgreich nach IS0 50001 zertifiziert ist.
one: Blick nach vorn: Wie positioniert sich der Handel zum Thema Klimaschutz und wie sind die Auswirkung auf REWE?
Jan-Oliver Heidrich: Aktuell ist das Klimapaket der Bundesregierung in aller Munde. Wir haben Zweifel, ob es die erhoffte Wirkung haben wird. Aber wir begrüßen, dass sich ein Systemwechsel ankündigt und wir in Deutschland auch bezogen auf die Höhe des CO₂-Preises eine Übergangsphase haben, die sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen gilt. Ich denke, wir werden uns künftig intensiver mit einem steigenden CO₂-Preis auseinandersetzen müssen.
Bei PENNY International funktionierte der Energieeinkauf für die Märkte in Italien, Ungarn, Tschechien und Rumänien lange Zeit zu einem an einem Stichtag vereinbarten Festpreis. Ärgerlich, wenn der Preis gerade an diesem Termin außerordentlich hoch ist. Um dieses Risiko auszuschalten, setzt PENNY International mit Unterstützung von EHA seit kurzem auf eine flexiblere Form der Strombeschaffung und nutzt dabei die Chancen des Energiemarktes. Der Discounter verteilt den Stromeinkauf über mehrere Zeitpunkte. „Im Rahmen einer mit PENNY vereinbarten Strategie werden die Termine für die Beschaffung von Teilmengen des Gesamtbedarfs festgelegt und wir übernehmen die Tranchenbestellung bei den jeweiligen Energieversorgern“, erläutert EHA-Geschäftsführer Jan-Oliver Heidrich.
Die kundenindividuelle Strombeschaffung ist eine Kernkompetenz von EHA. Seit vielen Jahren senkt das Unternehmen mit seinen Einkaufsmodellen das Kostenrisiko für die REWE Group in Deutschland und Österreich. Die Strommärkte in den „PENNY-Ländern“ Italien, Ungarn, Tschechien und Rumänien sind durch ähnliche Faktoren wie beispielsweise das Wetter oder die Öl- und CO2-Preise beeinflusst. Die EHA-Experten aus der Abteilung „Trading und Portfoliomanagment“ verfolgen permanent die Marktentwicklungen, damit zu günstigen Zeitpunkten eingekauft werden kann. Marek Rada Funktionsbereichsleiter Bau Discount für PENNY International: „Mit der verteilten Strombeschaffung durch EHA minimieren wir unser Kostenrisiko. Zusätzlich profitieren wir von EHAs Marktkenntnis und Erfahrung in der Energiebeschaffung.“
Neben der stetigen Umstellung auf LED-Beleuchtung hat Toom Baumarkt vor kurzem in mehr als 100 Märkten die Steuerung der Beleuchtung optimiert. Dank der Zusammenarbeit mit EHA weiß Toom sehr genau, wie sich diese Maßnahmen auf den Energieverbrauch auswirken. Das Messstellenbetriebssystem und das zum Controlling genutzte Energieinformationssystem verfolgen die Verbrauchsentwicklung der Standorte sehr genau. Ergebnis: Dank Umstellung auf LED-Beleuchtung und Optimierung war der Stromverbrauch im bisherigen Jahresverlauf um sechs Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum 2018.
„Die Erfolge sind direkt messbar und können mit Hilfe des Konzern-Energiereports direkt mit anderen Unternehmenseinheiten kommuniziert und diskutiert werden“, sagt Frank Brenner, verantwortlich für den Bereich Energie- und Umwelttechnik bei Toom Baumarkt. Ein weiterer Schwerpunkt der Zusammenarbeit von toom und EHA ist die Stromverbrauchserfassung von Konzessionären. Dank des Einsatzes von fernauslesbaren Strom-Unterzählern kann toom beispielsweise die Verbräuche von Bäckereien im Vorkassenbereich präzise berechnen. Bei einem Mieterwechsel sind jederzeit Verbrauchsabgrenzungen möglich.
Ein bedeutender Anteil der Energiekosten entfällt bei Toom Baumarkt auf Gas, denn es müssen vergleichsweise große Flächen und hohe Räume beheizt werden. EHA misst den Gasverbrauch über zusätzliche Hardwarekomponenten am Gaszähler. Der zeitliche Verlauf macht ersichtlich, ob Heizungsanlagen im zur Jahreszeit passenden Betriebsmodus sind und ob der Gasverbrauch der Außentemperatur angemessen ist.
Derzeit implementiert EHA Untermessungsstrukturen an einem neuen Toom-Standort. Ziel ist es, den gesamten Energieverbrauch erklärbar zu machen. Erste Messwerte zeigen Einsparpotenziale, die auf andere Standorte übertragen werden können. Außerdem wird im Rahmen eines Pilotprojekts überprüft, wie eine Erfassung von nicht fernauslesbaren Messgeräten wie Wasserzählern über eine Anwendung von EHA erfolgen kann. Wenn künftig auch diese Daten für das Controlling von EHA zugänglich wären, könnte für jeden Standort ein Bericht aus dem Energieinformationssystem spartenübergreifend über die aktuelle Entwicklung informieren. „Toom Baumarkt hat einen guten Überblick über Energiedaten und Energieverbräuche. Das ist eine hervorragende Basis für weitere Einsparungen und noch mehr Energieeffizienz in der Zukunft“, meint Holger Krämer, Leiter Vertrieb und Kundenservice bei EHA.