Dirk Heim, Bereichsleiter Nachhaltigkeit Ware bei der REWE Group, erklärt den Testlauf mit der Verbraucher-Milch und verrät, warum er bei einem Erfolg des Projekts nicht traurig wäre, wenn REWE seine Exklusivität rasch einbüßt
one: Milch der Verbrauchermarke „Du bist hier der Chef“ gibt es ab Mitte Juli als Erstes bei REWE zu kaufen. 400 Märkte der Region Mitte nehmen den Artikel testweise ins Regal. Warum hat sich REWE entschieden, bei diesem Projekt mitzumachen?
Dirk Heim: Die Idee, Verbraucher entscheiden zu lassen, wie Lebensmittel produziert werden, ist in Frankreich ein großer Erfolg. Wir beobachten das schon eine Weile. Als sich dann Nicolas Barthelmé entschloss, dieses Konzept nach Deutschland zu importieren, haben wir uns sehr früh zusammengesetzt und geprüft, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte. Das Projekt ist spannend: Erstmals bestimmen die Verbraucher, welche Mehrwerte ein Produkt etwa in Bezug auf Regionalität und Tierwohl haben soll. Gleichzeitig erfahren sie, welche Kosten damit verbunden sind. Obendrein ist sichergestellt, dass die Landwirte eine faire Vergütung erhalten. Eine so gute Idee ist es wert, getestet zu werden.
one: Warum in der Region Mitte?
Dirk Heim: Weil die Upländer Bauernmolkerei, die die Milch liefert, in Nordhessen zu Hause ist. Das verkürzt die Wege und wir punkten zusätzlich beim Thema Regionalität.
one: Wie lange soll der Test laufen?
Dirk Heim: Wir haben keinen Zeitraum fixiert, wir handhaben das flexibel. Wir möchten ein Gefühl entwickeln, welche Chancen die Verbraucher-Milch am Markt hat. Der Erfolg eines Produkts hängt sehr stark davon ab, wie der Start ausfällt. Wenn die Nachfrage stimmt, spricht nichts dagegen, die Milch schon bald etwa auch in Märkten der Region West anzubieten.
one: Welchen Absatz erhoffen Sie sich?
Dirk Heim: Ich möchte keine Liter-Zahl nennen. Aber natürlich muss es für alle Beteiligten betriebswirtschaftlich Sinn machen, Milch der Marke „Du bist hier der Chef“ ins Sortiment zu nehmen. Dabei sind zwei Dinge zu berücksichtigen. Zum einen die vergleichsweise kurze Haltbarkeit von sieben Tagen. Das heißt, die Milch muss nach der Anlieferung im Markt möglichst schnell verkauft werden. Zum anderen der Preis, in dem sich die hohen Anforderungen der Verbraucher spiegeln. Da muss sich zeigen, ob sie auch bereit sind, diesen Betrag zu bezahlen. Alle frischen Produkte, die keinen Käufer finden, führen zu Abschriften - und die möchte jeder Händler möglichst klein halten.
one: REWE ist der erste Lebensmittelhändler, der die Verbraucher-Milch anbietet. Es gibt jedoch keine exklusive Vereinbarung. Wie lange wird REWE den Vorsprung halten können?
Dirk Heim: Wir hoffen, dass das Projekt erfolgreich ist. Dann wird es nicht lange dauern, bis auch Mitbewerber die Verbraucher-Milch ins Sortiment aufnehmen möchten. Denn es ist ja so: Jeder, der eine gute nachhaltige Idee hat, wird anderen nur eine Zeitlang voraus sein können. Bei einem Konzept wie der Verbraucher-Milch, bei der es auch um eine faire Entlohnung der Landwirte sowie um Tierwohl geht, kann Exklusivität auch nicht im Interesse des großen Ganzen sein.
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one: Die Covid-19-Pandemie hat viele Verbraucher für eine gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittel snsibilisert. Das könnte bedeuten: Die Verbraucher-Milch kommt genau zur richtigen Zeit in die Märkte?
Dirk Heim: Dieses neue Bewusstsein zeigt sich bei uns in einer deutlich gestiegenen Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln. Dabei ist allerdinbgs zu berücksichtigen, dass mancher Kunde in den Wochen des Lockdown möglicherweise nur deshalb zugegriffen hat, weil die Nicht-Bio-Version des gewünschten Produkts zwischenzeitlich nicht verfügbar war. Zukünftig wird die Frage sein, wie stark die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise die verfügbaren Einkommen der Verbraucher schmälern, so dass sie ihre Kaufentscheidung bei Lebensmitteln wieder stärker am Preis ausrichten.
one: Wird REWE bei einem Erfolg der Milch auch die geplanten nächsten Produkte der Marke „Du bis hier der Chef“, nämlich Eier und Kartoffeln, ins Sortiment nehmen?
Dirk Heim: Natürlich werden wir uns dann auch damit intensiv beschäftigen.
Ein tolles Konzept. Ich würde mir z.B. eine regionale Pflanzenmilch (Haferdrink) in einer Pfandverpackung (Glasflasche) wünschen - am liebsten noch mit Calcium anreichert. Auch hier könnte man den Verbraucher abstimmen lassen, welche "Features" das Produkt haben soll - dabei aber Aufklärung betreiben hinsichtlich der Auswirkungen auf CO2, Transportwege etc.