Handel ist Wandel. Trend heißt Entwicklung. Beides steht für Bewegung. Ohne jegliche Trends im Regal wird der Handel bei Flaute segeln. Ohne den Handel wird ein potenzieller Foodtrend im Meer der essbaren Neuheiten sang- und klanglos untergehen. Aber wann reitet der Handel zum richtigen Zeitpunkt die richtige (Trend-)Welle? In welchem Trend steckt Potenzial?
Antworten darauf geben acht Trendkenner der REWE Group: ein Bereichsvorstand, sechs Einkaufsprofis und eine Social Media-Expertin.
Jochen Baab, Discount-Bereichsvorstand Ware, über den Mut beim Aufspüren und das richtige Timing beim Einführen von Trends, über Butcher´s Erfolg und Regenbogenbagels Scheitern. Und über sinnvolle Lebensmittel, die die Welt ein bisschen besser machen.
one: Herr Baab, braucht der Discount Trends und trendige Produkte?
Jochen Baab: Trends haben für den Discount eine hohe Bedeutung, und diese Bedeutung nimmt zu. Der Discount ist nicht mehr nur der klassische Grundversorger, sondern in den vergangenen Jahren näher an die Vollsortimenter herangerückt. Im Zuge von PENNY 2015 beispielsweise haben wir alle Sortimente verändert, mit Best Moments eine Premiummarke- und mit Naturgut ein umfassendes Biosortiment eingeführt.
Das hat einerseits die Erwartungen der bestehenden Kunden erhöht und uns andererseits neue Kunden gebracht. Die Discountkunden suchen vermehrt auch hochwertige Produkte für eine bewusste Ernährung. Aber nicht nur der Kunde, auch PENNY hat sich in seinem Qualitätsdenken verändert. Für uns ist klar, dass wir im Discount keine Trends auslassen können.
one: Wie spüren Sie Trends für PENNY auf?
Jochen Baab: Wir nutzen viele Kanäle, darunter auch die Ideen unserer Einkäufer. Ich bremse niemanden aus, der mit Ideen kommt. Im Gegenteil, ich ermutige dazu, viel auszuprobieren, auch wenn wir nicht immer die gleiche Einschätzung haben. Jeder bei uns darf gute Ideen haben und an ihrer Mitwirkung umsetzen. Denn gerade im Discount kann man etwas ausprobieren, da wir die Möglichkeit haben, Ware kurzfristig zu listen. Es braucht nur etwas Mut.
Und natürlich lassen wir uns bei Store Checks inspirieren. Zu unserem innovativen Butcher´s-Konzept wurden wir auf einer Reise durch die USA inspiriert. Das haben wir dann in Deutschland weiterentwickelt und mit Erfolg eingeführt.
Butcher´s ist ein Erfolgskonzept. Aber mutige Ideen umzusetzen, das bedeutet sicherlich auch, dass nicht alle Trends bei den PENNY-Kunden zünden? Warum ist der eine Trend ein „Flop“, der andere hingegen „top“?
Jochen Baab: Das richtige Timing ist wichtig. Bei Kombucha dachten wir damals, das wird ein Megatrend in Deutschland. Ist aber keiner geworden. Vermutlich waren wir einfach zu früh dran, denn jetzt ist Kombucha wohl wieder ein Thema.
Jochen Baab (Foto: Achim Bachhausen)
Bubble Tea war so schnell weg, wie er gekommen war. Und kreative Mischungen wie Sushi-Burger oder Regenbogenbagels gingen gar nicht. Da macht der Kunde nicht mit. Auch das mit großen Erwartungen gehandelte Veggiethema ist bei uns nicht so angekommen, wie prognostiziert.
Dafür wurde Fleisch klein geredet - und das Gegenteil trat ein. Ob Hot Dog-, Currywurst- oder Burgerkonzept: Butcher´s kommt bei unseren Kunden sehr gut an. Und übrigens auch in der Fachwelt. Kürzlich wurden die Butcher´s Jumbo Pommes Frites mit dem PLMA-Award ausgezeicnet.
Gute Erfolge haben wir mit Convenience erzielt, die heute unter PENNY Ready läuft. In diesem Fall war wichtig, dass wir sehr früh dran waren, sozusagen vor der Welle geschwommen sind, und so das Thema Convenience bei uns im Discount fest etablieren konnten. Auch dem aktuellen Trend zu proteinangereicherten Lebensmitteln rechne ich gute Chancen zum Dauerbrenner aus.
Die Marke Naturgut und die Bio-Helden sind mittlerweile fest etabliert und nicht mehr wegzudenken. Da hatten wir den richtigen Zeitpunkt erwischt. Naturgut läuft sehr gut, die Bio-Helden bilden bei Obst und Gemüse eine echte Differenzierung, und aus beiden können wir noch viel machen. Es sind Produkte von Qualität, die nicht nur den Massenmarkt und kurzfristige Trends bedienen, sondern mit denen wir, auch mit Naturgut-Botschafterin Nena, sinnvolle Lebensmittel entwickeln wollen. Zum Beispiel Suppen aus „Bio-Helden-Gemüse“. Mit einem solchen Konzept können wir auch im Discount Themen zusammenführen, die ich langfristig für sehr sinnvoll erachte: für Gesundheit, Nachhaltigkeit und gegen Lebensmittelverschwendung.
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Nein. Bio hat sich vom Trend vielmehr in eine Art „Trendmacher“ verwandelt. Man kann sich heute vollwertig, ausgewogen, pflanzlich abwechslungsreich und nachhaltig ernähren und dabei spielt Bio eine große Rolle.
Viele Themen im LEH kommen als Trend aus der Bio-Szene. Angefangen von vegetarisch und vegan bis hin zu den heutigen Trendthemen wie Hanf, Kurkuma und pflanzliche Proteinquellen. Alle drei halten sich stabil als Trend und tauchen in immer mehr Warengruppen auf. Auf der BioFach im Frühjahr waren Hanfschokolade, Hanflimonade, Linsen- oder Kichererbsen-Chips keine Besonderheit mehr.
Womit sich derzeit alle beschäftigen, ist das Thema Verpackung. Auf der BioFach ging es viel um nachwachsende, kunststoffbezogene Rohstoffe für Verpackungen, im Unternehmen setzen wir aber auf deren Reduzierung und Optimierung sowie auf den Einsatz von Monokunststoffen, um eine bessere Recyclingfähigkeit zu gewährleisten.
Zu guter Letzt ist Verbandsware ein großes Thema. Rund 40 Prozent unserer Produkte tragen das Siegel von Naturland, einem der großen Verbände für Bioanbau. Zwar gucken derzeit alle auf Lidl, die seit einem halben Jahr mit Naturland zusammenarbeiten. Wir aber feiern in diesem Jahr die zehnjährige Kooperation und Zusammenarbeit mit Naturland und haben das Thema Verbandsware im LEH etabliert.
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Über den trendigen 'orange Wine' redet man zwar, aber die meisten Weintrinker tun sich jedoch schwer damit, auch weil oranger Wein mehr Gerbstoffe hat. Die Mehrheit greift zu Weiß- und Grauburgunder. Die Szene gähnt vielleicht, aber die 'normalen' Weinkunden schätzen die saftigere Frucht, die mäßigere Säure und meiden aus diesen Gründen Riesling, nur weil 'Riesling' auf der Flasche steht. Dabei hat nicht jeder Riesling einen hohen Säuregehalt. Der von der Mosel beispielsweise zeichnet sich durch mehr Restsüße und eine feinherbe Note aus, das finden viele toll.
Überhaupt haben deutsche Weißweine stark an Fahrt aufgenommen. Es sind klare, saubere Weine, die Trinkvergnügen bereiten. Und durch den Generationenwechsel bei vielen Winzern sind die Etiketten moderner und ansprechender geworden.
Auch bei den Schaumweinen zuckt keiner mehr zurück, wenn sie 'made in Germany' sind. Heimische Winzersekte liegen klar im Trend, bei ausländischen Pendants wird auf Qualität geachtet. Bei unserem biozertifizierten Prosecco war uns wichtig, ein trinkfreudiges und nachhaltiges Produkt anzubieten.
Bei Rotweinen sinkt, sicher auch aus Gründen der Nachhaltigkeit, die Nachfrage nach Produkten aus Übersee. Man trinkt Europa. Und zunehmend spielen Einzellagen eine größere Rolle, die Riojaweine beispielsweise wollen diese jetzt auf dem Etikett aufführen. Eine Einzellage ist die kleinste geographische Einheit eines Anbaugebietes, das kann dann eine Parzelle von nur zwei Hektar sein.
Oranger Wein/orange Wine: Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Die Weißweintrauben werden mit den Beerenschalen (Maische) vergoren und extrahieren dadurch mehr Tannine und Farbstoffe aus den Beerenschalen.
Oranger Wein ist gekennzeichnet durch eine dunkelgelbe bis orange Farbe. Gelegentlich wird er als vierte Weinfarbe neben Rot, Weiß und Rosé bezeichnet.
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Der Absatz von Mozzarella ging ja bereits im vergangenen Jahr durch die Decke. Dieses Jahr geht es so gut weiter. Trotz des schlechteren Wetters hatten wir Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr erneut mehr Absatz. Mit im Aufwind ist auch Mozzarella aus Büffelmilch, die eher Spezialitätencharakter hat. Die Leute suchen Mozzarella, der mehr Pep, mehr Geschmack, mehr Charakter in den Salat bringt. Das sehen wir übrigens auch daran, wie stark unsere REWE Feine-Welt Burrata nachgefragt ist.
Von dem Grilltrend profitiert auch Käse: Grillkäse ist nach wie vor ein Segment, das wächst. Und im Winter ist das Pendant Ofenkäse beliebt. Man kann sagen, dass Käse zunehmend mehr Mahlzeiten-Charakter bekommt, statt einfach nur Beilage zu sein. Apropos: Vom Riesentrend Protein profitiert interessanterweise nur der körnige Frischkäse. Wer sich proteinreich und kohlehydratarm ernähren will, denkt vermutlich nicht zuerst an den Brotbelag Käse.
Trends in meiner Warengruppe? Haferflocken und Flockenprodukte! Weil das aber altbacken klingt, wurden sie modern aufgepeppt und firmieren nun erfolgreich unter 'Porridge' oder 'Overnight oats', also Flocken, die man über Nacht einweichen lässt und dann zum Beispiel mit Früchten frühstückt.
Diesen Trend überlassen wir nicht der Industrie allein: Gemeinsam mit der Influencerin und Bloggerin Anne Kissner haben wir das Flockenfrühstück 'Porridge Bowl' entwickelt: Bio, ohne Zuckerzusatz und nur mit der aktuell sehr trendigen Süße von Datteln angereichert. Denn auch und gerade bei Cerealien ist Zucker ein Thema. Die altbekannten süßen Cerealien verlieren, Knuspermüsli kennt nicht mehr das Wachstum der Vorjahre. Gut geht hingegen Premiumqualität, mehr Natur, originaler Geschmack, Bekömmlichkeit.
In dieselbe Richtung geht auch der zweite wichtige Trend: Die Riegel. Angesagt sind Premium-Einzelriegel, convenient, hochwertig, gesund, mit hohem Nuss- oder Fruchtanteil, Produkte wie Flapjack mit der Trendzutat Hafer und – ganz wichtig – mit Protein. Kurz: Möglichst natürliche Riegel, die durch hochwertige Zutaten satt machen und convenient-schnell zugänglich sind.
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Totgeglaubte leben länger: Die Sorge, dass die trockenen Fertiggerichte ohne Kühlungsbedarf (Stichwort 5-Minuten-Terrine) wegsterben könnten, weil sich die Menschen bewusster ernähren, hat sich als unbegründet erwiesen. Das Segment stagniert seit längerem auf hohem Niveau. Das verdankt es aber vor allem den authentisch asiatischen Produkten, nur sie generieren Wachstum.
Asia ist ein Riesentrend, wenn die Produkte wirklich asiatischer Herkunft sind. Das haben wir sehr früh erkannt und mit der Exklusivmarke Thai Chef eine authentische Range großflächig gelistet. Die Marke wird von Thai President, einem der größten Instantnudellieferanten der Welt, produziert. Aber, ob Thai Chef, Nissin oder Oyakata: bei diesen Produkten geht nichts ohne künstliche Aromen, ohne Salz oder Glutamat. Das ist den Leuten bewusst, wenn sie – weil es schnell gehen muss und bequem ist – zur Asia-Instantsuppe greifen.
Die Gruppe der Fertiggerichte ist vielleicht nicht die trendigste Warengruppe, aber wir probieren viel aus. In Kürze gibt es bei uns Biogerichte im Mikrowellenbeutel, zum Beispiel Chili sin Carne. Weg von der Dose, hin zum Beutel. Das ist in den Niederlanden ein Riesentrend. Wir sind gespannt, ob die Deutschen das annehmen.
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Rund 8 Vol.-%: „Wein versucht mit weniger Alkohol gesundheitsbewusstere Zielgruppen anzusprechen. Der hat dann um die 8 Prozent und schmeckt meistens leicht und fruchtig.“
Ab 2,5 Vol.-% aufwärts: „Der Trend zu Cidre und Cider wird von den großen Bierproduzenten getrieben, die mit ihren Biermixideen schon alles ausprobiert haben. Der Trend kommt aus der Gastronomie. Den Trend Craft Beer haben die großen Brauereien, wie Becks, ja mittlerweile auch aufgegriffen und aus der Nische in den Mainstream geholt.“
37,5 Umdrehungen und schneller: „Bei harten Alkoholika heißt es derzeit `weniger, aber hochpreisiger`. Das gilt dann eher für internationale Rum- oder Whiskysorten. Denn die deutschen Spirituosen sind eher das Gegenteil von trendy. Im Norden regiert vielleicht noch der Korn, aber ansonsten kann man sagen, dass die einheimischen Hersteller hochprozentiger Tropfen es verschlafen haben, Trends zu setzen und jüngere Verbraucher mit Coolness an sich zu binden. Der einzige, der diese Transformation trotz immer gleicher Rezeptur geschafft hat, ist Jägermeister.“
Von 6,9 bis etwa 17 Vol.-%: „Im Fahrwasser von Hugo oder Apérol Spritz wird wieder mehr im Apéritifbereich investiert. Hier sind einige Spirituosenhersteller erfolgreiche Verbindungen eingegangen, wie Lillet mit Schweppes. Bei Cocktails geht der Trend zum unkomplizierten Genuss: Die Zeiten, wo man mit einer ganzen Hausbar und aufwändigen Rezepturen beeindrucken wollte, sind vorbei. Zwei, drei Zutaten sollen reichen.“
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Über unsere Social Media-Kanäle sind wir immer nah am User und gehören so zu den Ersten, die erfahren, was die Kunden bewegt. Ein populäres Beispiel ist der Einhorn-Trend, an dem im Social Web niemand vorbeigekommen ist. Dieser war für uns Anlass, unser Vorgehen bei der Trendrecherche neu zu definieren, um mögliche Trends frühzeitig zu erkennen. Wir sehen das als Chance, unsere Erkenntnisse im Unternehmen weiterzugeben und sogar Inspirationen für das Sortiment einzubringen. Unser Motto: Vom Newsfeed in den Markt! Hierzu haben wir einen Prozess entwickelt. Denn Trends spiegeln die aktuellen Bedürfnisse unserer Kunden und User wider. Dadurch könnte sich REWE noch besser als innovatives Unternehmen positionieren.
Über Social-Media-Analytics identifizieren wir Trends und können diese über erste eigene Postings validieren. Wir ordnen jeden Trend einem Obertrend unter – etwa Nachhaltigkeit, Superfoods oder der Look von Gerichten. Um User zu inspirieren, spüren wir mit dem Content-Team Zubereitungstrends für die Rezepte von REWE Deine Küche auf.
Im Mai haben wir als Trends etwa den chinesischen Spargelsalat ,Celtuce‘, Honig in Getränken oder Salatpizza identifiziert. Für 2019 erwarten wir, dass nachhaltige und regionale Substitute ein Thema bleiben: Von Fleischersatz über Milchalternativen oder Leinsamen anstatt Chia-Samen. Letztere sind ein schönes Beispiel für die ,heimischen Superfoods‘. Darunter fällt etwa auch, Hirse und Hafer statt Quinoa zu verwenden, oder schwarze Johannisbeere statt der Goji-Beere.
Mit Blick auf das Essverhalten allgemein beobachten wir, dass die Menschen immer mehr auf Herkunft und gesunde Ernährung achten, sich dabei aber nicht von Verboten leiten lassen wollen, Stichwort ,healthy hedonism‘.