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Seine freie Zeit nutzte Otmar Rochulus für landeskundliche Exkursionen. Kultur und Lebensweise der Menschen interessieren ihn sehr (Fotos: privat)
Senior-Experte Otmar Rochulus im Auslandseinsatz
Blutwurst für die Philippinen
von Achim Bachhausen

Fragt man Neu-Ruheständler, worauf sie sich in ihrem nächsten Lebensabschnitt besonders freuen, steht die Reisetätigkeit häufig an erster Stelle. Auch Otmar Rochulus, seit Herbst letzten Jahres in der passiven Altersteilzeit, zieht es in die Ferne. Allerdings nicht als Tourist, sondern eher beruflich. Sri Lanka und die Philippinen hat der gelernte Metzger schon bereist.

Fleisch und Wurst sind sein Leben: Otmar Rochulus vor der Servicetheke im REWE-Markt an der Widdersdorfer Straße in Köln (Foto: Achim Bachhausen) Otmar Rochulus ist ein gefragter Mann. Von Berufs wegen war er als Serviceverantwortlicher in der gesamten Region West unterwegs. Kaum im Ruhestand, zieht es den gelernten Metzger um den halben Globus. „Ich fühlte mich zu jung und zu fit, um zu Hause rumzusitzen“, beschreibt der 63-Jährige seine Motivation. Er stellte sich die Frage, wie er sein Fachwissen und seine jahrzehntelange Berufserfahrung weiter nutzen konnte. Von einem Bekannten hatte er vom Senior-Experten-Service erfahren, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die Ex-Manager, Handwerker, Ärzte und medizinisches Personal in alle Welt vermittelt. Rochulus meldete sich im Juni vergangenen Jahres an, und dann ging es ratzfatz. Nach einem zweitägigen Vorbereitungsseminar wartete schon der erste Auftrag auf ihn: Ein Unternehmen auf Sri Lanka suchte jemanden, der beim Aufbau einer Wurstproduktion helfen kann. „Ich habe sofort zugesagt, ich war ja noch voll in Action“, erinnert sich Rochulus verschmitzt. Schon Mitte September, da war er gerade zwei Wochen im Ruhestand, stieg der Fleisch-Experte in den Flieger. 

Das Ziel für die nächsten drei Wochen: eine von Priestern geführte Farm der Don-Bosco-Stiftung, die neue Absatzmärkte für ihre kleine Schweinezucht suchte. Diese befand sich mitten im Dschungel, machte auf Rochulus aber trotz der exponierten Lage einen sehr ordentlichen Eindruck. „Die Tiere hatten Auslauf und waren eingezäunt, damit sie nicht im angrenzenden Wald verschwanden“, schildert der Fleischprofi schmunzelnd. Anders sah es in der Produktion aus. „Die hygienischen Voraussetzungen dort entsprachen in keiner Weise europäischen Standards. Die Schweineviertel wurden auf einem hölzernen Hackklotz mit dem Beil zerlegt, die Türen nach draußen standen offen, die Klimaanlage war nicht eingeschaltet. Keiner der Mitarbeiter trug Schutzkleidung. Das Fleisch wurde überwiegend in Würfel geteilt und als Curry vermarktet, mit Haut und Knochen“, beschreibt Rochulus die Ausgangslage. Er machte sich flugs ans Werk, schulte den verantwortlichen Mitarbeiter und dessen Assistenten in Fleischzuschnitten nach europäischem Standard. 

Beeindruckt von der Gastfreundschaft und Herzlichkeit: Außendienstler Otmar Rochulus auf den Philippinen

Als nächstes stand Warenkunde auf dem Lehrpan: Der gelernte Metzger erklärte die verschiedenen Arten wie Rohwurst, Kochwurst, Brühwurst sowie Roh- und Kochschinken und riet dringend von dem Plan ab, die Wurst mit Soja zu verlängern, um einen günstigeren Preis kalkulieren zu können. „Um die Produktion von Fleisch- und Wurstwaren entsprechend den europäischen Standards gewährleisten zu können, haben wir eine komplett neue Produktion geplant“, erzählt Rochulus weiter. Damit die Investitionen im Rahmen bleiben, stellte er außerdem noch den Kontakt zu einem Händler von gebrauchten Produktionsmaschinen her. 

Doch wohin mit der Wurst? Wer soll sie kaufen? Auch hierfür hatte Otmar Rochulus einen konstruktiven Vorschlag: „Wir haben gemeinsam Kontakt aufgenommen zur Cargills Company Ceylon, die auf Sri Lanka etwa 320 Supermärkte betreibt, und dort unser Projekt vorgestellt. Die Geschäftsleitungsmitglieder waren von dem Projekt sehr angetan und haben nach der Besichtigung der Schweinezucht eine Zusammenarbeit mit Don Bosco angekündigt“, berichtet Rochulus. 

Läuft alles nach Plan, werden im August dieses Jahres die ersten Wurstwaren in der neuen Anlage hergestellt. Gut möglich, dass Otmar Rochulus dann wieder dabei ist: „Zum Start der neuen Produktion hätten die Don-Bosco-Leute mich gerne für drei Monate vor Ort“, freut er sich über die Wertschätzung, die man ihm entgegenbringt. „Eine Salami für Sri Lanka, aber das geht mit den dortigen Gewürzen nicht.“Otmar Rochulus auf die Frage, was er bei den ersten Einsätzen gerne noch gemacht hätte

Offenbar hat sich die Expertise des Beraters aus dem Abendland herumgesprochen, denn kaum war er wieder zu Hause, da erreichte ihn die nächste Anfrage: Ein Produzent von Hähnchenfleisch auf den Philippinen wollte seine Fertigung effizienter gestalten, denn bei der Herstellung von Nuggets und Co., blieb einiges an Fleischabschnitt übrig, für den es bis dahin keine vernünftige Verwendung gab – alles andere als nachhaltig. In dem Fall lag es nicht am Standard der Produktion, wie Rochulus nach einer Betriebsbesichtigung feststellte. Doch auch hier wusste der Wurst-Profi Rat: „Als ich beim Abendessen sah, dass Gulasch mit Blutsoße gegessen wurde, kam mir die Idee mit der Geflügelblutwurst.“ Gedacht, gesagt und aufgeschrieben. Otmar Rochulus entwickelte fix ein Wurstrezept – eines von einem guten Dutzend, die er für seine Gastgeber aufschrieb.

Die Rezepturen hatte der passionierte Fleischer alle im Kopf. „Mit dem Unterschied, dass ich das Schweinefleisch der Originalrezepturen durch Hähnchenfleisch ersetzen musste und andere Gewürze als die gewohnten zur Verfügung standen“, beschreibt er die Herausforderung. Also wurde fleißig experimentiert, variiert und verkostet. Herausgekommen sind gänzlich neue Kreationen wie eine süße Wurst für Fastfood-Restaurants. Die ersten Kundenreaktionen seien jedenfalls vielversprechend gewesen, so Rochulus, der die Strapazen der weiten Reise inklusive Jetlag und Tropenklima offenbar gut vertragen hat.

Mit europäischem Standard nicht vergleichbar: Fleischzerlegung auf Sri Lanka (Foto: privat)

Ja, er freue sich schon sehr auf den nächsten Auslandseinsatz, versichert Otmar Rochulus. Schon Mitte Februar wird er wieder in den Flieger steigen. Das Ziel diesmal: Aserbeidschan. Wird ihm das nicht zu viel? „Nein“, sagt er, „ich nehme es zwar, wie es kommt, aber vier Einsätze im Jahr fände ich schön.“ Wie es aussieht, dürfte das kein Problem sein. 

Die Organisation 

Der Senior-Experten-Service (ses-bonn.de) – Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH – ist eine deutsche Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder einer beruflichen Auszeit.
Träger sind die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

Finanzielle Unterstützung erhält der SES insbesondere vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die SES-Zentrale hat ihren Sitz in Bonn. In Deutschland wird der SES durch 17 Büros vertreten, weltweit von rund 180 ehrenamtlich tätigen Repräsentanten in 90 Ländern. Die Freiwilligen arbeiten unentgeltlich, der SES trägt aber sämtliche Reisekosten.

Der Mensch

Der gelernte Metzgermeister Otmar Rochulus, Jahrgang 1955, arbeitete klassisch hinter der Ladentheke, bevor er in den Außendienst wechselte. Bis zu seiner Pensionierung führte Otmar Rochulus zusammen mit Volker Haas den Vertrieb Service der REWE-Region West.

Wenn er nicht auf Reisen ist, kümmert sich der Vater einer erwachsenen Tochter um die Erweiterung einer kleinen REWE-eigenen Wurstproduktion in Rüdesheim. 

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