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Direkter Weineinkauf über Ländergrenzen hinweg
24.000 Liter, 18.000 Kilometer
von Sebastian Amaral Anders

Wein aus Neuseeland zu importieren ist ohnehin schon ein aufwändiger Prozess. Noch größer wird die Herausforderung, wenn man das ohne Zwischenhändler und direkt beim Produzenten vor Ort macht. Der Bereich Eigenmarken Einkauf & Entwicklung hat genau das nun getan und dabei wertvolle Erfahrung im „direct sourcing“ gesammelt. one erklärt, wie die Experten der REWE Group dabei über Ländergrenzen hinweg zusammengearbeitet haben, welche Vorteile das „direct sourcing“ hat und wie sich Beschaffungsstrategien verändern.

Das ehrgeizige Projekt fing Anfang 2018 an und das Ziel war klar umrissen: Zwölf Container mit je 24.000 Litern Sauvignon Blanc sollten den Weg von Neuseeland nach Europa finden. Allerdings nicht abgefüllt in Flaschen, sondern als „Bulk“, also in losen Großgebinden. Abgefüllt werden sollte der Wein nach seiner langen Reise dann in der Weinkellerei Wegenstein in Österreich, die zur REWE Group gehört, um schließlich in Deutschland bei PENNY in den Regalen zu landen.

Robert Portmann

one: Herr Portmann, wie kam es zu der Idee dieser bei der REWE Group neuen Art des Weineinkaufs?
Robert Portmann:
Das Ganze ging etwa vor einem Jahr los. Es gibt eine sehr spezielle Weinmesse in Amsterdam, die „Bulk Wine-Messe“. Dort kommen spezialisierte Weinproduzenten hin, die vor allem Bulk-Weine, also Wein in Großgebinden lose bzw. unverpackt anbieten – und in der Regel nicht selbst abfüllen.

one: Wie kommen solche enormen Mengen zustande?
Robert Portmann:
Das sind sehr große Produzenten oder Winzergenossenschaften. Die Struktur der Produzenten gerade in Übersee, etwa Australien oder Neuseeland , sind völlig anders als hierzulande. Dort bearbeiten große Produzenten mehrere tausend Hektar Weinberge, während in Deutschland manche Winzer gerade einmal fünf Hektar bewirtschaften. Das sind ganz andere Dimensionen. Auf der Messe haben wir dann entschieden, den Sauvignon Blanc aus Neuseeland als erstes Beispiel für direktes Sourcing aus Übersee zu realisieren.

one: Welche Vorteile hat das?
Robert Portmann:
Wie sind deutlich näher an den Produzenten dran. Das ist gerade beim Thema Wein wichtig, denn durch die direkte Zusammenarbeit mit den Produzenten erhalten wir deutlich bessere Qualitäten und haben den kompletten Prozess im Blick. Von der Verkostung über den Transport bis zur Abfüllung in unserer eigenen Kellerei in Österreich, wo unsere Kollegen einen hervorragenden Job in Sachen Qualitätssicherung machen.

one: Hat das auch wirtschaftliche Vorteile?
Robert Portmann:
Klar. Und zwar im doppelten Sinne. Zum einen müssen so nicht mehr über einen oder manchmal sogar zwei Importeure gehen, was uns natürlich deutlich bessere Margen verschafft. Zum anderen können wir damit die Kapazitäten in unsere konzerneigenen Kellerei Wegenstein noch besser auslasten, was wiederum allen strategischen Geschäftseinheiten zu Gute kommt. Der Sauvignon Blanc aus Neuseeland ist unser erster Versuch, der hoffentlich für viele weitere Artikel aus diesem Bereich Vorreiter sein wird. Nicht nur aus Übersee.

one: Dafür trägt die Beschaffung der REWE Group aber auch die Verantwortung für den kompletten Prozess.
Robert Portmann:
Das ist richtig. Wir haben da schon eine ganze Menge gelernt. Wir kennen nun aber nicht nur die Hürden für die einzelnen Schritte, sondern auch die Kosten, weil wir vom Produzenten über die Verschiffung bis zur Ankunft, die Verzollung in Deutschland bis zur Abfüllung in unserer eigenen Kellerei den ganzen Prozess in der Hand haben. Das hilft uns auch in den Verhandlungen mit anderen Lieferanten und Importeuren. Der Beschaffungsmarkt ist im Umschwung. Und der Weg, den wir hier gehen, ist mit Sicherheit der richtige.

one: Für Kunden klingt das möglicherweise erstmal abschreckend, wenn Wein in riesigen Behälter verschifft wird. Sind diese Bedenken hinsichtlich der Qualität berechtigt?
Robert Portmann:
Ein klares Nein. Der Wein hat bei einem unabhängigem Institut 4,0 von 5,0 Punkten in der Sensorik erhalten, was einem „Sehr gut“ entspricht.

Der Weg des Weins

November
Lieferantensourcing auf der World Bulk Wine Exhibition in Amsterdam 

Januar – Februar
Lieferantensourcing vor Ort in Übersee: 4 Container mit je 24.000-Liter-Bulks

März - April
Erste Preisverhandlung auf der ProWein in Düsseldorf
Abstimmung des Eigenimports mit der Qualitätssicherung, dem Lieferanten & Auswahl des Abfüllers

Mai - Juli
Kaufvertrag, finale Preiskalkulation & enge Zusammenarbeit mit der REWE Group-Logistik für die Verschiffung und Nachlauflogistik; Klärung Zollabwicklung

August - Oktober
Verschiffung der Container aus Übersee nach Hamburg
Finalisierung Verkaufsvertrag und Etiketten
Ankunft der Container am Mitte Oktober in Hamburg

Oktober
Ende des Monats Ankunft der Container bei Weinkellerei Wegenstein,
Füllfreigabe durch Labor 

Dezember
Anfang des Monats Abfüllung durch Wegenstein
Auslieferung an PENNY-Märkte in ganz Deutschland
Neues Lieferantensourcing auf der World Bulk Wine Exhibition in Amsterdam am 26. und 27.11.2018

Jan-Peer Brenneke
Wie sich Beschaffung verändert
„Wir müssen vom Ursprung her denken“

Jan-Peer Brenneke spricht im one_Interview darüber, wie sich Beschaffungsstrategien ändern – und warum es nicht mehr reicht, nur den besten Preis zu verhandeln.

one: Beim „Bulk Wine“ kauft die REWE Group direkt beim Produzenten im Ursprungsland ein. Welche Strategie steckt dahinter?
Jan-Peer Brenneke:
Wir profitieren in zweifacher Hinsicht: Zum einen natürlich ganz handfest beim Einkaufspreis bzw. dem Rohertrag. Früher lief die Weinbeschaffung nur über Importeure und Broker, die natürlich auch Geld verdienen wollen. Diese Positionen in der Wertschöpfungskette können wir durch den direkten Draht ausschalten. Das bringt uns beim Beispiel des Sauvignon Blanc aus Neuseeland rund 4,7 Prozent Verbesserung.
Ein anderes Thema ist die Versorgungssicherheit: Märkte verschieben sich, Ernten fallen sehr unterschiedlich aus, einfach weil sich das Klima verändert. Daher müssen wir vom Ursprung denken, vom Rohstoff bis ins Regal. Gerade im Wein-Geschäft ist eine persönliche Beziehung wichtig. 

one: Zugleich steigt die Verantwortung, wenn man selbst importiert und abfüllt.
Jan-Peer Brenneke:
Das ist richtig. Wenn wir selbst abfüllen, haben wir natürlich auch die hundertprozentige Verantwortung für die gesamte Lieferkette. Die Umsetzung ist nicht trivial und wir lernen dabei eine ganze Menge. Da muss man sich mit den Details auseinandersetzen. Aber die Kompetenz, die wir uns hier in der Produktion und auch in der engen Zusammenarbeit mit dem Qualitätsmanagement aufbauen, bringen wir über unsere Beschaffung in die Vertriebslinien ein. Dass ist eine neue Art des Einkaufs. 

one: Ist das die Beschaffung der Zukunft?
Jan-Peer Brenneke:
Zumindest teilweise. Wir müssen unsere Beschaffungsstrategie ändern und differenziert vorgehen. Früher hat es ausgereicht, einfach große Mengen, die wir durch unsere nationale und internationale Bündelung haben, am Markt zu platzieren. Da ging es vor allem um den Preis für die Ware in der von uns geforderten Qualität. In Zukunft wird es unterschiedliche Vorgehensweisen geben.

one: Welche sind das?
Jan-Peer Brenneke:
Wir haben etwa bei Rohstoffen wie Fisch derzeit eine Knappheit. Das heißt: Da geht es nicht mehr um den letzten Preis, sondern auch darum, dass wir unsere Versorgung sicherstellen können und etwa im TK-Bereich die Produkte überhaupt noch im Regal haben. Dazu verzahnen wir uns enger mit den Lieferanten.

one: Wie sieht so eine engere Zusammenarbeit aus?
Jan-Peer Brenneke:
Wir bauen unsere Beziehungen zu Lieferanten in bestimmten Segmenten, etwa auch im Drogeriebereich, zu starken strategischen Partnerschaften aus. Gemeinsam schauen wir uns dann Kalkulationen an – open book – und nutzen das Know-how dieser Lieferanten mit, um nicht nur einzukaufen, sondern in einer engen Verzahnung mit den Einkaufs- und CM-Bereichen von REWE und PENNY ganze Konzepte zu erarbeiten. Unser Ziel ist, dann auch langfristig mit diesen Lieferanten zusammenzuarbeiten, um ihre Innovationskraft zu nutzen. Das ist der zweite Weg.

one: Ersetzt dieses Vorgehen die bisherige Einkaufsstrategie?
Jan-Peer Brenneke:
Nein. Der dritte Weg, der die Basis auch in der Vergangenheit gebildet hat, wird bleiben. Nehmen wir den Einkauf von Zucker oder Mehl: Da werden wir wie gehabt Ausschreibungen machen und die dynamischen Märkte im Blick behalten. Im Zuckerbereich etwa sind ja die Quoten gefallen und auf einmal gibt es wieder richtig Druck im Markt. Da sind Mengen da, und wir werden dort natürlich die Dynamik einer Ausschreibung oder einer Auktion nutzen. 

Näher am Ursprung

Neben dem Sauvignon Blanc gibt es zahlreiche Beispiele, wie der Bereich Eigenmarken Einkauf & Entwicklung die Vertikalisierung – also den direkten Draht zu den Lieferanten – vorantreibt. Mit der REWE Group Buying Italy etwa kaufen die Eigenmarken-Spezialisten zahlreiche Artikel direkt bei Lieferanten in Italien ein – für die gesamte REWE Group.

Ein anderes Beispiel ist der Orangensaft, allerdings steht hier das Thema Nachhaltigkeit im Vordergrund: In Kooperation mit Fairtrade listet die REWE Group segregierten Fairtrade-zertifizierten Orangensaft in ihren Märkten und leistet dadurch einen Beitrag zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kleinbauernkooperativen in Brasilien.

Über die Weinkellerei Wegenstein

Die Weinkellerei Wegenstein mit Sitz in Wiener Neudorf ist ein Produktionsstandort und zugleich eine Eigenmarke der REWE Group. In erster Linie arbeitet Wegenstein mit österreichischen Winzern und Genossenschaften zusammen. Mit einer Gesamtproduktion von etwa 20 Millionen Flaschen Wein pro Jahr zählt die Weinkellerei zu den größten Playern im der österreichischen Weingeschäft. Gemessen an einer durchschnittlichen Jahresweinernte Österreichs beträgt die Produktion von Wegenstein rund acht Prozent der Gesamternte Österreichs.

Wegenstein bezieht über 12 Mio. Liter Moste und Weine aus Österreich von etwa 600 Winzern, über sechs Genossenschaften, 14 Weinhandelsagenturen und Weinhändlern. In einem eigenen Labor werden die Weine analysiert und eine einwandfreie Qualität sichergestellt. Die Produktion von österreichischen Weinen macht rund 90 Prozent des Ausstoßes der Weinkellerei Wegenstein aus. Die Abfüllung von Weinen für die REWE Group – wie etwa des Sauvignon Blanc aus Neuseeland – sind rund zehn Prozent des Ausstoßes. Dieser Anteil soll künftig steigen – auch durch eine geplante Erhöhung der Produktionskapazität von aktuell 20 auf 27 Millionen Flaschen.

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