nach oben
nach oben
Da werden sie gefangen, die Krabben. Karin Niebiossa vor der Deutschland-Karte in ihrem Büro. / Foto: Achim Bachhausen
Fisch-Managerin Karin Niebiossa
Tschüss Marokko
von Stefan Weber
Von Ostfriesland über Gibraltar nach Nordafrika und wieder zurück: Nordseekrabben haben oft eine lange Reise hinter sich, bevor sie im Supermarkt in den Regalen liegen. Es geht auch nachhaltiger. REWE vermarktet seit Mai dieses Jahres in ausgesuchten Märkten Krabben aus der Nordsee, die Menschen vor Ort gepult haben. Die Ware ist knapp. „Es gibt zu wenig Krabbenpuler“, sagt Karin Niebiossa, bei der REWE Group unter anderem für Fisch-Feinkost zuständig.
Krabbenpuler – das ist ein Beruf, der wie geschaffen gewesen wäre für eine Quizsendung, die lange Zeit Kultstatus im deutschen Fernsehen genoss: „Was bin ich“. Dabei galt es, mehr oder minder seltene Tätigkeiten von Studiogästen zu erraten. Dass jemand seinen Lebensunterhalt damit verdient, Fleisch aus dem Panzer fingergroßer Krabben zu pulen – darauf wären vermutlich nur wenige gekommen. Die Rate-Show ist schon lange eingestellt; das Konzept hat sich überlebt. Genauso wie der Beruf des Krabbenpulers. „An der Nordseeküste findet sich kaum noch jemand, der in größerem Umfang Krabben schält“, erzählt Karin Niebiossa, 50. Sie ist als Category Managerin bei der REWE Group seit vielen Jahren unter anderem für Fisch-Feinkost zuständig. Krabben zu pulen erfordert Fingerfertigkeit – bei zu heftigem Druck wird das Fleisch schnell matschig. Und Geduld – von drei Kilo Krabben bleibt am Ende nur ein Kilo Fleisch übrig. Selbst versierte Krabbenpuler schaffen nicht mehr als maximal 600 Gramm in der Stunde.
Hier ist Fingerfertigkeit gefragt. Foto: Carola Schubbel - Fotolia
Das ist der Grund, weshalb die an den Küsten vor Deutschland, Holland und Dänemark gefangenen Nordseekrabben in den meisten Fällen eine lange Reise hinter sich haben, ehe sie in den Regalen des Lebensmittelhandels landen. Nach dem Fang werden sie an Bord der Krabbenkutter zunächst mit Seewasser abgekocht, später an Land maschinell nach Größe sortiert. Dann geht es per Lastwagen 3000 Kilometer durch Norddeutschland, Frankreich bis in den Süden von Spanien. Später ab auf die Fähre nach Tanger, Marokko, wo die Löhne niedrig sind. Hier befreien in riesigen Hallen hunderte Frauen die Nordseegarnelen aus ihrer Schale. Keine Maschine schält so schnell und präzise. Und so günstig. Gefüllt in Salzlake-Beutel treten die Krabben dann die Rückreise an. Insgesamt, so sagt Niebiossa, sind die Tiere etwa vier Wochen unterwegs.
Besser und vor allem nachhaltiger wäre es, die Krabben gleich nach dem Fang vor Ort zu pulen und zu verkaufen. Das macht die REWE Group seit Mai dieses Jahres. Unter der Marke „REWE Regional“ vermarktet sie in 100 bis 150 ausgesuchten Märkten in Schleswig-Holstein und Hamburg Nordseekrabben, die vor Ort geschält wurden. Warum nicht an allen 500 Standorten in der Region? „Weil wir nicht mehr Rohware bekommen. Es gibt im Moment zu wenig Krabbenpuler“, erklärt Niebiossa. Die exklusive Ware hat ihren Preis. REWE bietet 70 Gramm in der Region gepulte Krabben für 4,99 Euro an. Tiere, die den Umweg über Marokko gemacht haben, werden für 3,99 Euro pro 100 Gramm verkauft. Dennoch greifen viele Kunden zu den Produkten aus der Region. „Weil sie besser, frischer schmecken“, sagt Niebiossa. Ziel ist es, die in der Region gepulten Krabben auch mit dem Pro Planet-Label zu kennzeichnen – und damit noch deutlicher zu machen, dass sie in puncto Nachhaltigkeit einen Mehrwert bieten.
Zunächst jedoch, so sagt die REWE-Managerin, müssten noch einige offene Fragen mit den Lieferanten geklärt werden. Und am Ende entscheide der aus unabhängigen Experten bestehende Beirat von Pro Planet über die Vergabe des Labels. Niebiossa ist Fischfan – auch abseits des Jobs. „Auf dem Teller habe ich am liebsten große Garnelen oder Jacobsmuscheln“, sagt sie. Bei der REWE Group arbeitet die Betriebswirtin aus Hilden streng genommen bereits seit 1984 – da fing sie beim Deutschen Supermarkt (Desuma) in Düsseldorf an, der später von REWE übernommen wurde. 1995 kam sie als Einkaufsbeauftragte für gekühlte Feinkost nach Köln und wechselte dann 2007 in ihre jetzige Position. Wünschen würde sie sich vor allem eins: mehr Zeit, um sich häufiger „draußen“ bei Lieferanten und Wettbewerbern umzusehen. Insbesondere im Ausland. Denn dort, so sagt sie, gibt es immer mal wieder Anregungen für neue Feinkost-Produkte.
Mein Kommentar
Kommentieren
Auch interessant
Newsletter