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Serie: Weinwissen, Teil 3
Nackt, sexy, charmant: Eine kleine Rebsortenkunde
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Riesling oder Chardonnay, Merlot oder Burgunder? Geschmack und Charakter eines Weins hängen maßgeblich von der Traube ab, aus der er gekeltert wird. Im dritten Teil des one_Weinwissens erfahren Sie alles über die wichtigsten Rebsorten. Damit Sie bei der nächsten Weinprobe den Durchblick haben.
Die Weinrebe liebt es sich zu verändern, Mutation nennt man so etwas in der Evolutionslehre. Gar nicht so blöd, denn mit diesen Mutationen passt man sich den Umweltbedingungen, wie etwa dem Klima, an. Und so ist aus der Ur-Rebe eine unüberschaubare Vielzahl an Rebsorten entstanden. Auch den Eingriffen von Züchtern ist sie nicht abgeneigt, so lassen sich recht einfach verschiedene Rebsorten miteinander kreuzen und die Ergebnisse sind oft erstaunlich. Seit die Menschheit die Rebe züchtet verändert sie sich auch, oder aber Weinbauern selektieren einfach die natürlich veränderten Reben heraus. Ein sehr langwieriger Prozess, aber da man ja seit mindestens 3.000 Jahren professionellen Weinbau betreibt, hatte man auch genug Zeit Mehr Rebsorten als das Jahr Tage

Wie viele Rebsorten es eigentlich gibt weiß niemand genau. Die Portugiesen alleine behaupten mehr Rebsorten zu besitzen als das Jahr Tage hat. Oft werden es Sorten sein, die in verschiedenen Regionen des Landes schlichtweg andere Namen haben, manchmal vielleicht verschiedene Ausprägungen einer Sorte, denn auch innerhalb der einzelnen Sorten sind die Reben nicht wirklich homogen und bilden verschiedene sogenannte Klone mit unterschiedlichen Eigenschaften.
Auch hier hat der Winzer die Entscheidungsmöglichkeit: Nehme ich einen Klon mit mehr Ertrag oder vielleicht einen, der feinere Weine verspricht? Kurzfristige Unternehmensumstukturierungen funktionieren hier aber nur sehr schlecht, da Reben, wenn sie neu gepflanzt werden, erst einmal viele Jahre brauchen bis sie einen guten Wein ergeben. Heute Dornfelder, nächstes Jahr Riesling geht also nicht. Die Weißen und die Roten

Bei den Rebsorten unterscheidet man erst einmal zwischen Weißweinreben und Rotweinreben, wobei das eigentlich eher die Unterscheidung der Winzer ist. Seitens der Ampelographie, der Wissenschaft von der Rebe, sind das nämlich keine Untersorten. Aus Sicht der Winzer könnte man zusätzlich auch noch zwischen sogenannten internationalen und autochthonen Reben unterscheiden, denn einige Rebsorten haben sich über den ganzen Globus verbreitet, sind geradezu omnipräsent, während andere nur an speziellen Orten wachsen. Von Merlot und Chardonnay hat sicher jeder schon einmal gehört, aber haben sie schon einmal einen Mencia oder Frühburgunder im Glas gehabt?
Chardonnay: Massenprodukt bis Spitzenklasse
Den Chardonnay zählt man zur Unterfamilie der Burgunder-Rebsorten, wodurch auch schon etwas zu seiner Herkunft gesagt ist. Denn das Burgund steht für die Chardonnay-Rebe wie keine andere Region, obwohl auf den Etiketten von Meursault, Puligny-Montrachet und Co. die Rebsorte nie erwähnt wird. Es ist so selbstverständlich, dass hier die größten Chardonnay herkommen, dass man es gar nicht mehr draufschreibt. Der Chardonnay steht erstaunlicherweise wie kaum eine andere Rebe für Massenprodukt und die teuersten Weißweine der Welt zugleich. Ein einfacher Chardonnay ist im Supermarkt schon für 3,99 Euro zu haben, und der muss noch nicht einmal schlecht sein. Die teuersten kommen aus dem kleinen Le Montrachet Weinberg im Burgund und können locker 500 bis 1.000 Euro pro Flasche kosten.
Vom Ackergaul zum Rennpferd

Der Chardonnay stellt keine hohen Ansprüche an Klima und Böden, wenn man einen einfachen Wein haben möchte, gehört er mit zur ersten Wahl. Er bringt gute Erträge und - wenn man sich darauf versteht - auch dann noch vernünftigen Wein, wenn es etwas zu kalt oder warm ist. Seine Weine sind leicht fruchtig, etwas cremig mit nicht zu viel Säure und gerne relativ neutral. Außerdem kann man bei der Vinifikation des Chardonnay nicht viel falsch machen, es ist sozusagen die perfekte Anfängerrebe. Aber in seiner Höchstform ist Chardonnay eben auch extrem anspruchsvoll.
Er ist also ein gutmütiger Ackergaul, aber wenn man ihn auf den richtigen Boden stellt, lange genug trainiert und ordentlich kitzelt, wird er zum rassigen Rennpferd. Dann kann man in ihm unheimlich komplexe Aromen entdecken. Birnen, Grapefuit, Akazie, Zitrusfrüchte, Nüsse, Butter, rauchige Noten, Mineralisches, Feuerstein... Solche Weine haben in ihrer Jugend oft eine straffe, fordernde Säure, aber sie sind ja eben auch sehr lagerfähig und gereift bekommen sie plötzlich würzige Noten, rote Früchte oder Anklänge an Honig.
Riesling: Frühreife Früchte
Lieben Sie Riesling? Sehr viele, zu viele Leute werden jetzt sicher etwas stutzen und so was wie „Nicht unbedingt…“ sagen und was von „säurig“ oder „zu süß“ murmeln. Und viele, die das sagen, werden den Riesling gar nicht richtig kennen. Riesling ist leider oft unter den weniger versierten Weintrinkern immer noch ein bloßes Vorurteil, während die Weinfreunde gar nicht müde werden, ihn zu loben.

Entstanden ist er wohl als natürliche Mutation im Mittelalter in Deutschland. Im 15. Jahrhundert wird zum ersten Mal ein Wein aus „Riesslingen“ erwähnt und der muss einigen Eindruck gemacht haben, denn die Rebsorte breitet sich vor allem an Rhein und Mosel immer mehr aus. Erstaunlich ist, dass man schon relativ früh, nämlich Anfang des 18. Jahrhunderts, einzelne Weinberge ausschließlich mit Riesling bepflanzt hat.
Stärken, wo er gefordert wird

Bis dahin war es üblich, Weinberge im gemischten Satz, also mit verschiedenen Rebsorten durcheinander, zu bepflanzen. Der Riesling gehört zu den frühreifenden Rebsorten, würde man ihn in die Sonne Südfrankreichs pflanzen, gäbe es einen langweiligen, säurearmen Wein. Er zeigt seine Stärken eher da, wo er gefordert wird, wo immer die Gefahr besteht, dass er nicht richtig reif wird. Wie zum Beispiel im eher rauen und wechselhaften Klima an der Mosel. Seine Vielseitigkeit, sein Aroma und seine Fähigkeit den Charakter einzelner Weinlagen darzustellen, waren einst so geschätzt, dass man im Pariser Hotel Ritz Anfang des 20. Jahrhundert für ein Flasche Scharzhofberger Riesling rund doppelt so viel ausgeben musste wie für eine Flasche Château Lafite aus dem Bordeaux. Erstaunlicherweise war der Riesling auf der Weinkarte meist auch älter als der rote Bordeaux, denn gerade die nicht trockenen Rieslingweine haben ein unglaubliches Lagerpotential.
Von rauchig bis fruchtig

Dazu ist er auch noch immens vielseitig. Trockene Rieslinge können rauchig, mineralisch, nach grünen Äpfeln, reifen Quitten, Pfirsichen, Kräutern, Limetten und Aprikosen schmecken. In den fruchtigen Varianten können einen plötzlich ganze Fruchtkörbe aus dem Glas anspringen, wobei auch rote Früchte wie Kirschen und Johannisbeeren keine Seltenheit sind. Edelsüße Weine wie Beerenauslesen können dann noch Honig, gedörrte Aprikosen, Mandeln, Rosinen und würzige Noten mit sich bringen. Im Alter (und das kann lange dauern) bekommen manche Weine dann einen leichten Petrolton und auch fruchtige oder restsüße Weine schmecken plötzlich immer trockener. Allen guten Rieslingen ist eine frische, lebendige Säure eigen, aber wenn man ein wenig Zeit hat, dann wird auch diese harmonisch ohne ihre Eigenart und ihren belebenden Charakter zu verlieren.
Grauburgunder: Siegeszug durch Italien
Der Grauburgunder gehört zu den Rebsorten, die in den letzten Jahrzehnten geradezu einer Epidemie, vor allem in italienischen Weinbergen, gleichkommen. Vom Elsass aus hat er seinen Siegeszug angetreten. Der säurearme Wein, der auch bei hohen Erträgen ein vernünftiges Aroma entwickelte, war ideal zur Erzeugung günstiger Trinkweine, die in den Osterias auf den Tisch kamen und kommen. Aber der Grauburgunder hat eine fatale Neigung, die ihn einst zu einem der beliebtesten Weine der Welt machte und jetzt, wo sehr fette Weine nicht mehr so en vogue sind, den Winzern immer wieder Kopfzerbrechen bereitet: Er schimmelt gern. Genauso wie beim Riesling werden seine Beeren, wenn sie sehr reif sind, gerne von einem Pilz namens Botrytis cinera befallen. Nicht besonders schlimm, denn der ernährt sich von der Beerenhaut, die er dadurch perforiert. Wasser kann dann austreten, während Zucker und vor allem alle Aromastoffe konzentriert werden.
Entscheidend ist der Erntezeitpunkt

Beim Riesling kann das diese einmaligen Beeren- und Trockenbeerenauslesen ergeben. Beim Grauburgunder im Prinzip auch, aber wenn der Wein trocken sein soll, schmeckt er danach einfach nur breit, plump und etwas faulig. Es kommt also darauf an, den richtigen Erntezeitpunkt zu finden und die Trauben gesund zu halten, wenn man einen feinen, frischen Wein haben will. Es gibt auch die Möglichkeit, den fertigen Wein einfach einmal über einen Aktivkohlefilter laufen zu lassen. Freilich gehen dann auch viele der erwünschten Aromastoffe verloren und der Wein schmeckt, positiv gesagt, „neutral“, aber im Billigweinbereich, wo man eben auch nicht so viel Geld zur Verfügung hat um bestes, kerngesundes Lesegut zu benutzen, wird davon reichlich Gebrauch gemacht.
Toller Essensbegleiter: Pinot Grigio

Guter Pinot Grigio hat immer eine sehr zurückhaltende, eher weiche Säurestruktur. Hier gibt es natürlich von Winzer zu Winzer Unterschiede. Auch wenn er trocken ist, hat er immer einen leicht süßlichen Duft, es schwingen gerne exotische Früchte und leichte Gewürznoten mit. Wenn er schlank ausgebaut ist, kann er auch eine einmalige würzige Mineralität aufweisen, aber er wirkt immer etwas breiter und schwerer als zum Beispiel der Chardonnay. Vielleicht macht ihn dieser etwas derbere, würzigere Aspekt zu einem solch tollen Essensbegleiter.   
Sauvignon blanc: Herausragendes Aroma
„Pipi del gatto!“ war der Kommentar eines italienischen Kellermeisters, als er gegenüber einer Kundin einmal das herausragende Aroma seiner Lieblingsrebsorte charakterisieren sollte. Er grinste, denn er liebte Sauvignon blanc und wahrscheinlich auch Katzen, auf jeden Fall aber die Wahrheit. Denn Sauvignon blanc kann schon sehr plakativ sein und vielleicht wird er gerade deshalb, weil man ihn so gut wiedererkennen kann, so geliebt. Wenn wir von Sauvignon blanc als dem Wein reden, der nach Paprika, nach Passionsfrüchten, nach Stachelbeeren, Cassis, Brennesseln, nassem Gras und frischen Zitronen riecht und schmeckt, dann sprechen wir von einer bestimmten Art des Sauvignon blanc.
Experiment verrückter Winzer

In den 70er Jahren wurden die ersten Sauvignon-Rebstöcke in Neuseeland gepflanzt. Eben deshalb, weil man alle anderen im Bordeaux vorkommenden Reben (denn hierher stammt der Sauvignon blanc) schon gepflanzt hatte und es jetzt einmal mit was anderem versuchen wollte. Im Bordelais jedoch wird der Sauvignon blanc zumeist mit Semillon cuveetiert (was auf Deutsch einfach „verschnitten“ heißt - da bleiben wir lieber im Französischen), in Barrique ausgebaut und die Flaschen dann viele Jahre im Keller vergessen. So viel Zeit hatte man am anderen Ende der Welt nicht, man hatte auch kein Geld für Barrique und keinen Semillon. Also vergor man den Wein einfach im Stahltank und weil es im Herbst auf der grünen Insel im Südpazifik schon ziemlich kühl sein kann, fand die Gärung oft am unteren Ende der möglichen Temperaturskala statt. Schnell wurde der Wein auf Flaschen gefüllt und schnell verkauft. Schließlich hatten sich die paar verrückten Winzer, die das machten, das Geld links und rechts zusammengeliehen.
Pur, nackt und sexy

Das Erstaunliche war: Die Weinwelt war begeistert. Während man in Europa von Terroir, von Weinen die weniger eine Rebsorte als eine Region oder direkt einen Weinberg zum Ausdruck bringen sollte, sprach, war das hier reiner Sauvignon blanc. Pur, nackt, sexy, einfach zu verstehen, schnell wiederzuerkennen und extrem saufig. Schnell optimierten die Winzer das Verfahren und es dauerte nicht lange, bis eine Welle dieses knackigen Weines über Europa und die USA rollte. Das ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her und mittlerweile haben auch die Winzer in Europa solche Weine im Angebot, zeitweise überbot man sich mit kaltem Vergären und Knackigkeit, so dass tatsächlich viele Weine weniger nach Stachelbeeren und Maracuja rochen sondern mehr nach dem was selbst Katzenliebhaber nicht so gerne mögen. Aber die muss man ja nicht trinken.
Merlot: Erstaunliche Karriere
Eine erstaunliche Karriere für einen Wein, der den Weinmachern lange Zeit als Inbegriff des Beliebigen und Langweiligen galt. Hätte man in den 50ern einen ernsthaften Winzer gefragt, was er denn von Merlot halte, so hätte er allenfalls die Augenbrauen hochgezogen und “rien” gesagt. Es gab zwar im Bordelais schon etwas Merlot, aber die erste Wahl war er nicht. Man musste erst lernen, mit ihm umzugehen. Und das lernte man schnell, den plötzlich wollte die Welt, vor allem die neue Welt, Merlot. Die Amerikaner hatten Ende der 80er vom French Paradox gehört, der Tatsache, dass die Franzosen genau so fett und ungesund aßen wie sie, aber dort deutlich weniger Menschen an Herzinfarkt starben. Und wenn in den 90ern eine Angst in Amerika grassierte, dann die an einem Herzinfarkt zu sterben.
Wein als Medizin

Findige Mediziner, unter denen es ja zum Glück eine große Anzahl an Weinfreunden gibt, hatten bald den Grund für die robuste Gesundheit der Franzosen gefunden: Die Leute dort tranken Wein und zwar vor allem Rotwein. Bis dahin hatten wahrscheinlich zwei Drittel der Amerikaner noch nie in ihrem Leben ein Glas Rotwein getrunken. Plötzlich konnte man zeigen, dass man ein Mann von Welt war, genießen wie die Franzosen und gleichzeitig was für sein Herz tun.

Aber was soll man trinken, wenn man noch nie einen Rotwein probiert hat. Den spröden Cabernet Sauvignon, die Diva Pinot Noir, alles Weine, die Jahre brauchen, bis sie zugänglich sind und dem Genießer eine gewisse Kennerschaft abverlangen. Die Marketingexperten hatten bald den richtigen Wein gefunden: Merlot! Richtig ausgebaut war er rund mit weichen Tanninen, nicht zu schwer und trotzdem schön farbintensiv (die Farbstoffe, so lernte man ja bald, sollten besonders herzstärkend sein) und nie zu schwer. Vor allem, Merlot konnte jeder Amerikaner gut aussprechen. Nicht auszudenken, wenn man versucht hätte, Sangiovese auf den Markt zu bringen.
Erstaunlicher Charme

Das heißt natürlich nicht, dass es aus Merlot keine wirklich ernsthaften Weine gibt. Im Bordeaux ist er in fast allen Cuvées enthalten. Er gibt den Weinen etwas mehr Charme und mildert die Strenge des Cabernet Sauvignon und die Rustikalität des Cabernet Franc etwas ab. Große Merlot können einen erstaunlichen Charme besitzen, aber unter den Weinikonen dieser Welt sind nur wenige reinsortige Merlot, die sind dafür umso gefragter.

Fruchtige Merlot Weine weisen Aromen von Johannisbeeren, Schwarzkirschen, Feigen, Erd- und Himbeeren auf, man findet Zimt, Nelken und exotischen Pfeffer in ihnen, Tabak, Lakritze oder Schokoladentöne können das Spektrum ergänzen. Aber vor allem kann der Merlot eines: wunderbar gefällige Weine bringen. Und das ist nicht die schlechteste Tugend. 
Cabernet Sauvignon: Roter Vater, weiße Mutter
Lange Jahre forschte man um die Herkunft dieser großen Rebsorte des Bordeaux: woher sie denn komme, was denn ihre Eltern waren. Vor der französischen Revolution hieß sie nämlich einmal Petite Vidure und irgendwann im 18. Jahrhundert verdrängte sie langsam andere Rebsorten im wichtigsten Anbaugebiet der Welt. Die Ampelographen machten sich große Gedanken. Könnte das Sauvignon nicht vom französischen “Sauvage” abstammen und so auf eine frühe Kreuzung mit einer Wildrebe hinweisen?

Erst als die Wissenschaft der DNA so weit war bei Pflanzen Abstammungen festzustellen, also Ende des 20. Jahrhunderts, kam man auf die erschreckend einfache und logische Lösung. Denn der Sauvignon Blanc kann rauchig, dunkelfruchtig, erstaunlich herb schmecken. Er hat manchmal etwas von Graphit, Schwarzkirschen, Minze und Eukalyptus.
DNA-Test bringt Aufklärung

Alles das sagt man auch einer der anderen Rebsorten des Bordeaux nach, der ursprünglich von der Loire stammenden Cabernet Franc. Nur ist sie noch etwas rustikaler und ungehobelter. Der Cabernet Sauvignon ist eleganter, tiefer und doch gleichzeitig nicht ganz so dunkel.
Aber vor allem ist da noch dieser erstaunliche Duft nach schwarzen Johannisbeeren, manchmal sogar nach Stachelbeeren und eine Ahnung von Brennnesseln und frisch gemähtem Gras… Das kennen wir doch von einer anderen Rebe, die ist aber weiß, dem Sauvignon blanc. Beide stammen ursprünglich aus der gleichen Region, der Loire. DNA-Tests brachten es an den Tag: Eine der wichtigsten Rotweinrebsorten der Welt hat einen roten Vater und eine weiße Mutter.
Pinot Noir / Spätburgunder: Eine echte Diva
Einige der größten und wahrscheinlich auch einige der schrecklichsten Weine der Welt entstehen aus dieser Rebsorte. Denn die Pinot Noir ist eine echte Diva. Große Weine ergibt sie nur unter ganz speziellen Bedingungen und es ist äußerst erstaunlich, dass sie in ihrer Heimat, dem Burgund, direkt neben dem anpassungsfähigen und mittlerweile omnipräsenten Chardonnay wächst und beide hier einige der größten und teuersten Wein der Welt ergeben.

Lieblingswein französischer Herrscher


Wahrscheinlich wurde die Pinot Noir Rebe schon vor über 2.000 Jahren domestiziert, damit gehört sie zu den ältesten Rebsorten der Welt. Auf jeden Fall ist ihr aber eine der ältesten „AOC-Statuten“ der Welt zu verdanken.
Philipp II von Burgund, der auch den Beinamen „der Kühne“ trug, verbot es nämlich bei Todesstrafe im Burgund, die einfacher zu handhabende, aber nicht so feine Gamay-Rebe anzubauen. Nur Pinot Noir wollte er in seinen Rotweinen sehen. Auch ein späterer französischer Herrscher soll der Legende nach der Rebsorte und ihrem besten Terroir seinen Respekt gezollt haben. Als Napoleon, von Elba kommend, mit seinen Truppen durch das Burgund nach Paris marschierte, soll er vor dem Chambertin-Weinberg Halt gemacht und seine Soldaten angewiesen haben, den dort stehenden Reben zu salutieren.

Mit dem Alter kommt die Komplexität


Aber wie schmecken die Weine, die vor allem die französischen Herrscher so beeindruckt haben? Wenn sie gut und perfekt gereift sind: vielschichtig, ätherisch, nie plakativ nach einer Frucht. Aber einfache Weine können dünn und säuerlich oder dünn und mit marmeladiger Süße sein. Da hat man gerne Erdbeeren, vielleicht ein wenig Pflaumenkompott auf dem Gaumen. Aber die besten sind so eigen und vielschichtig, dass man sich gar nicht auf irgendwelche Früchte festlegen kann.
Sie verändern sich im Laufe ihres oft erstaunlich langen Lebens und legen an Komplexität zu, so dass man manchmal den Eindruck hat, sie fassen alle nur möglichen Weinaromen in einer Flasche zusammen. Dabei bleiben die guten Weine immer von einer belebenden Duftigkeit. Wer der irrigen Meinung ist, gute Rotweine müssten möglichst dunkel sein, sollte den Pinot meiden, denn er ist oft eher etwas heller und selten ölig dick. Gereift kann er manchmal fast an einen dunklen Rosé erinnern, was seinem einmaligen Aroma keinen Abbruch tut. Wer einmal so einen 30, 40 Jahre alten Burgunder auf der Zunge hatte, wird ihn nie mehr vergessen.

Fordert den Verstand

Leider muss man beim Pinot oft einen Euro mehr anlegen, Diven verkaufen sich halt selten unter Wert. Vor allem ist der Pinot ein klassischer Essensbegleiter und darf daher auch in der Säure etwas höher sein. Während andere Rebsorten beeindrucken oder schmeicheln, fordert guter Pinot Noir erst einmal den Verstand und zaubert dann ein Lächeln auf die Lippen.
Tempranillo: Die große Unbekannte
Die große Unbekannte, Tempranillo. Sie domniert den Weinbau in Spanien, aber auf kaum einer Flasche steht ihr Name. Das hat zwei Gründe. Der eine sind ihre vielen verschiedenen Namen: Tinto del Paiz, Tinte del Torro, Ull de Lebre, Tinta Roriz... und damit ist nur ein Bruchteil der möglichen Bezeichnungen aufgezählt. Tinto del Paiz heißt so viel wie der „Rote des Landes“, was ja ihre Vormachtsstellung schon anzeigt. Dass man sie als Rebsorte nie so sehr (ihre Weine aber umso mehr) geschätzt hat, liegt an einem Missverständnis, das bis heute noch eine der größten Weinbauregionen der Welt in seinen Fesseln hält. Als im 19. Jahrhundert, nach dem Niedergang des spanischen Reiches, die ersten Weingutsbesitzer auf die Idee kamen einmal zu sehen, was denn die Konkurrenz so mache, fuhren sie ins Bordelais. Sie lernten, dass man Weine in kleinen Holzfässern ausbauen musste, dass man statt einzelner Lagen oder Orte einen Château-Namen als Marke brauchte und dass man ein Cru-System einführen musste.
Revolution des Weinanbaus

Als sie zurückkamen standen sie dafür ein den Weinbau in der Heimat zu revolutionieren. Sie gründeten mit viel Kapital große Weinfirmen, vor allem im Rioja, und machten sich daran, Weine nach Bordelaiser Vorbild zu machen. Im oberen Rioja stand in den Weinbergen aber hauptsächlich Tempranillo, der hier, wo mediterranes auf kontinentales Klima stößt, auch bestens gedeiht. Man baute ihn also ordentlich in neuem Barrique aus, auf dass er schön vanillig und röstig wurde, man schuf große Namen, unter deren Brand man Weine aus der ganzen, riesigen Region verkaufen konnte und man etablierte ein Cru-System, das Herkunft und Qualität durch Lagerzeit ersetzte.

Weine vier oder mehr Jahre im Fass zu lagern, damit sie eine teure Gran Reserva wurden, trug nicht wirklich zu einem typischen Tempranillo-Feeling bei. Schöner Nebeneffekt für die großen Weinunternehmer: Die kleinen Winzer konnten sich das einfach nicht leisten und verkauften ihre Trauben lieber an die großen Namen. All das hat den Rioja weltberühmt gemacht, der Tempranillo aber ihren Charakter geraubt und der kann, da wo er gepflegt wird, einmalig sein.
Eine Rebsorte voller Widersprüche

Die Tempranillo versteht es nämlich auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen großartige eigenständige Wein zu ergeben. Grundsätzlich liegt sie geschmacklich irgendwo zwischen Cabernet und Pinot Noir. Sie ist duftig, rund, mit feinen Erdbeer-, Brombeer-, Schwarzkirsch-Aromen. Sie kann an Maulbeeren, reifen Feigen, Rosmarin und Thymian erinnern, sie macht jung oft schon viel Freude, aber die besten Weine können reifen wie große Pinot.

Und vor allem ist sie, ähnlich wie der Pinot, in der Lage, ihr Terroir perfekt wiederzugeben. In den Höhenlagen des Rioja reift sie zur burgundischen Strenge, im klimatischen Wechselbad des Toro kann sie eine hohe Säure und enorm kräftige Tannine entwickeln, am Duero bringt sie eine kraftvoll tiefe Eleganz mit sich, die schon mal an das Bordelais erinnert. Nur eines mag sie nicht: ein richtig mediterranes Klima. Sie braucht die Widersprüche.
Sangiovese: Das Blut Jupiters
Wie die Tempranillo Spanien beherrscht, beherrscht die Sangiovese die italienischen Weinanbaugebiete. Es gibt viele große Regionen in Italien, die ohne Sangiovese auskommen, aber sie ist mit Abstand die meistangebaute Rebe und am Stiefel kommt man nicht an ihr vorbei. Vor allem in der Toskana steht sie für einige der bekanntesten Weine Italiens: dem Chianti, dem Vino Nobile de Montepulciano und auch dem immer bekannter werdenden Brunello di Montalcino.

Wahrscheinlich wurde die Sangiovese schon in vorrömischer Zeit von den Etruskern angebaut, aber ihren Namen gaben ihr die Römer. „Sanguine Jovem“, das Blut Jupiters, die oberste römische Gottheit stand Pate für diese Rebe. Kein Wunder, dass Italien an ihr festhält und ihr alle Unzulänglichkeiten und Fehler verzeiht. Denn die Anforderungen an sie sind äußerst vielschichtig.
Chianti: Gezähmte Weine

In den schönen Hügeln der Toskana kann es im Sommer mörderisch heiß sein, es kann im Winter aber auch schon einmal bis 300 Meter runter Schnee fallen. Es kann sehr lange trocken sein, aber manchmal gibt es auch eher verregnete Sommer. Die Sangiovese erträgt all dies stoisch, kann sich aber dafür mit einer spröden, in der Jugend sehr unzugänglichen Art bedanken. Ihr Vorteil, auch in der heißen Sonne des Südens ausreichend Säure zu entwickeln, verkehrt sich auch schon einmal ins Gegenteil, wenn man die Weine zu jung und vor allem ohne dabei etwas zu essen genießt. Im Chianti versuchte man sie etwas zu zähmen, indem man der Cuvée einige Gesellen beigab, die ihre Fehler ausbügeln sollten. In der Original Chianti-Cuvée von Bettino Ricasoli gab es Colorino, um die etwas schwache Farbe des Sangiovese auszugleichen, Cannaiolo, der ihm eine duftigere und fruchtigere Komponente gibt und, für die einfacheren Weine, auch Malvasia bianco, die die Strenge Jupiters etwas besänftigen durfte.
Auch heute noch sind die meisten Chianti, wie die Vettern aus dem Bordeaux auch, Cuvée-Weine, aber man hat besser gelernt mit den Eigenarten der Sangiovese umzugehen. Unbekümmerte Leichtigkeit

Einfache Sangiovese-Weine bringen eine schlanke, fruchtbetonte Süffigkeit mit sich, große können in der Jugend extrem spröde sein, nach etwas Reife oder ausreichend Luft zeigen sie sich aber mit feinen Bittertönen. Eigen sind allen die intensiven Sauerkirscharomen, der Hauch von reifen Tomaten und Veilchen, oft finden sich auch herbe Kräuternoten, bei reiferen Weinen ein feines Teearoma. Gute Sangiovese wirken nie konzentriert und schwer, sie bringen immer eine Art von unbekümmerter Leichtigkeit mit sich, die sie auch zum perfekten Begleiter der mediterranen Küche macht.
Holzfass oder Edelstahltank?
Zahlreiche Holzfässer lagern in Reih und Glied - So stellen sich viele Menschen einen Weinkeller vor. Das kann, muss aber nicht so sein: Der sogenannte Ausbau vom Wein kann sowohl im Edelstahltank als auch im Eichenfass stattfinden. Dabei gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist nur, was entstehen soll.
Cuveé: Mix it up!
Cuvée ist der französische Ausdruck für den deutschen Begriff Verschnitt. Während der erstere eine gewisse Eleganz besitzt, hat der letztere für viele einen negativen Beigeschmack und wird fast schon in die Nähe des „Panschens“ gerückt. Gerade in Deutschland glauben viele Verbraucher, dass Cuvée Weine qualitativ schlechter sind. Dabei ist der Ansatz ein anderer: Die Cuvée folgt der Grundidee, aus mehreren Rebsorten etwas Besseres zu machen. Nicht immer sind es die besten Weine in den besten Fässern, die auch optimal harmonieren. Wie im Film spielt jede einzelne Sorte ihre Rolle.
Noch mehr Weinwissen gefällig?
In der unserer Serie „Weinwissen“ werden Sie ganz einfach zum Weinkenner. In regelmäßigen Abständen erklären Ihnen die Experten um Weinkeller-Chef Andreas Brensing alles, was Sie auf dem Weg zu Weinkenner wissen müssen. Einfach und verständlich, mit vielen Anekdoten und aus erster Hand. Tauchen Sie mit one und dem Kölner Weinkeller ein ins Universum des Weins.

Im ersten Teil der Serie nimmt Sie Andreas Brensing mit auf eine Reise durch die Geschichte des Weinbaus.

Im zweiten Teil erfahren Sie, wie der Wein von der Traube in die Flasche kommt.

Mein Kommentar
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Kommentare
Wolfgang Seubert
vor 8 Jahren und 2 Monaten

Toller Artikel mit dem ich mein Weinwissen aufbessern konnte. DANKE

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Anonym
vor 8 Jahren und 2 Monaten


toller Artikel, besser als jedes Weinbuch. Vielen Dank- das hab ich mir schon immer gewünscht.

 

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