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Foto: Robert Kneschke - Fotolia
Branche
Lesedauer: 3 Minuten
Lebensmittelverschwendung
Elektro-Chips statt Haltbarkeitsdatum?
29. März 2016 ·
Jeder Deutsche wirft im Schnitt insgesamt 82 Kilo Lebensmittel weg - obwohl die Produkte häufig noch gut sind. Ernährungsminister Schmidt will deshalb nun das Haltbarkeitsdatum abschaffen. Doch ist das die Lösung?

Ernährungsminister Christian Schmidt fordert eine baldige Abschaffung des Haltbarkeitsdatums auf allen Verpackungen. Schmidt hatte den Vorschlag damit erklärt, dass die Lebensmittelhersteller „zu große Sicherheitspuffer eingebaut“ hätten. Die meisten Produkte seien erheblich länger verwendbar, als auf den Verpackungen stehe. Deshalb würden in großer Menge gute Lebensmittel weggeworfen. „Auf die Verpackungen von Milch oder Schinken soll ein echtes Verfallsdatum gedruckt werden, nach dem diese Produkte tatsächlich nicht mehr genießbar wären“, so Schmidt. Er gehe davon aus, dass in wenigen Monaten der Entwurf einer entsprechenden EU-Richtlinie vorliege. "Forderung nicht zielführend"
Doch würde eine Abschaffung des Haltbarkeitsdatums tatsächlich den Effekt haben, den Müllberg zu reduzieren? „Die Forderung, das Mindesthaltbarkeitsdatum abzuschaffen, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren ist nicht zielführend. Der Großteil der Produkte, die verfrüht im Müll landen, haben erst gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Dazu gehören beispielsweise frisches Obst und Gemüse. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist aus Gründen der Lebensmittelsicherheit wichtig und dient darüber hinaus für den Verbraucher als Orientierung. Gibt es gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum, werfen die Verbraucher möglicherweise ebenfalls Lebensmittel weg, die noch völlig in Ordnung sind - einfach, weil sie nicht wissen, wie lange diese schon im Schrank stehen,“ sagt Dr. Klaus Mayer, Leiter Qualitätsmanagement der REWE Group. "Wichtige Hilfe für Verbraucher"
Auch der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH) sieht im Mindesthaltbarkeitsdatum eine wichtige Orientierungshilfe für Verbraucher. "Der Forderung, das Mindesthaltbarkeitsdatum abzuschaffen, schließt sich der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels nicht an. Die Angabe, verbunden mit der Information zu den richtigen Aufbewahrungsbedingungen, ist eine wichtige Hilfe für Verbraucher, um einschätzen zu können, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist oder nicht. Das ist vor allem bei kühlpflichtigen Produkten wichtig, die bei falscher Lagerung einem höheren Verderbsrisiko ausgesetzt sind. Wird diese Orientierungsgröße gestrichen, erschwert man Konsumenten die Entscheidung, ob das Produkt noch gegessen werden kann oder entsorgt werden soll. Bestimmte Produkte in Zukunft anstatt mit einem MHD mit einem „echten Verfallsdatum“ zu kennzeichnen, ist keine Lösung. Milch oder Schinken tragen heute mit gutem Grund ein MHD, da sie ein geringeres Verderbsrisiko haben als zum Beispiel frisches Hackfleisch. Wichtiger wäre es, die Missverständnisse, die bei vielen Verbrauchern in Bezug auf das MHD zu herrschen scheinen, durch Information und Aufklärung zu reduzieren“, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.
 Grüne lehnen Vorschlag ab
Die Grünen haben den Vorstoß von Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU), das Haltbarkeitsdatum für Lebensmittel abzuschaffen, als „Augenwischerei“ kritisiert. Der Vorschlag gehe am Kern des Problems vorbei, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.  Kommt die "intelligente Verpackung"?
Minister Schmidt ist außerdem überzeugt, die Zukunft gehöre „der intelligenten Verpackung“. In Joghurtbechern etwa ließen sich elektronische Chips einbauen, die ermittelten, wie sich das Produkt von Tag zu Tag verändere. „Eine Farbskala von Grün bis Rot zeigt an, wie es um die Verzehrbarkeit steht“, so der Minister. „Jeder kann dann selbst entscheiden, bis zu welchem Grad er das Nahrungsmittel noch verwenden will.“ Doch ist diese Technologie bereits so ausgereift, dass sie das Problem lösen kann? Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. ist da skeptisch: „Intelligente Verpackungen könnten in Zukunft durchaus dabei helfen, die Güte eines Produktes beurteilen zu können. Diese Technologie muss aber auch zuverlässig funktionieren, wozu sicherlich noch einiges an Forschung notwendig ist. Außerdem müsste sie breit verfügbar sein und sie dürfte das Produkt nicht unverhältnismäßig verteuern“, sagt Christian Böttcher vom BVLH. 


Mehr Informationen zum Thema Mindesthaltbarkeitsdatum lesen Sie im ausführlichen Interview mit Dr. Klaus Mayer.
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Kommentare
Anonym
vor 8 Jahren und 8 Monaten

Sie sprechen mir aus der Seele. Das erste, was mir gestern morgen durch den Kopf ging, als ich diese Nachricht im Radio hörte, war:

Klärt die Menschen besser auf! Wie oft liegen Flyer von Ministerien als Beilage in Zeitungen. Wie wäre es mit Fernsehspots, Kino, Radio.

Aufklärung in der Schule? Super. Nur wer etwas weiß, kann auch richtig handeln.

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Anonym
vor 8 Jahren und 8 Monaten

Elektro-Chips? Intelligente Verpackung? Macht lieber die Verbraucher intelligenter. Ich brauche keine Elektronik, die mir sagt, ob der Joghurt schlecht ist. Geruch, Geschmack und Aussehen sagen wesentlich mehr über ein Produkt aus. So wird nur die Verpackung unnötig aufwändiger und Elektronikschrott haben wir schon genug. Dann wird der Joghurtbecher zum Sondermüll. Warenkunde in der Schule und Verbraucherinformation wären wesentlich effizienter. Lediglich ein Herstellungsdatum wäre sinnvoll, um eine Richtlinie über das Alter des Produktes zu haben.

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