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Serie: Weinwissen, Teil 2
Von der Traube in die Flasche – wie wird Wein gemacht?
von Andreas Brensing
Warum werden manche Weine „trocken“, andere „süß“? Wie ensteht Rosé? Warum ist die Weinsäure zu Unrecht in Verruf – und was steckt eigentlich hinter dem Hinweis „Enthält Sulfite“ auf dem Etikett? Im zweiten Teil des one_Weinwissens erfahren Sie alles über die wichtigsten Schritte der Weinerzeugung. Und warum Wein kein Naturprodukt ist – zum Glück.
„Eigentlich ist die Produktion von Wein ganz einfach. Man lässt Trauben wachsen, trennt dann mehr oder minder die flüssigen von den festen Bestandteilen, auf das Flüssige lässt man ein paar Hefen los, die fressen den Zucker, wobei sie Alkohol, Kohlensäure und ein paar Nebenprodukte erzeugen und wenn man etwas Glück hat, kommt am Ende Wein heraus. Der schmeckt mal schlechter und mal besser. Bei so rudimentären Erzeugungsprinzipien leider zumeist schlechter. Also sollte man vielleicht doch die ein oder andere Feinheit berücksichtigen.
Foto: mh90photo - Fotolia
Der Weinberg
Erst einmal muss natürlich eine Traube wachsen. Dafür braucht man einen Rebstock und einen Weinberg. Aber die Vitis Vinfera, die Weinrebe, ist keine besonders anspruchsvolle Pflanze. Früher, als man so viel Flächen wie möglich landwirtschaftlich nutzen musste, baute man Wein bevorzugt da an, wo man sonst nichts anderes anbauen konnte. Gerne in steilen steinigen Hängen wie etwa an der Mosel. Die Rebe vermag ihre Wurzeln selbst in felsigen Untergrund bis zu 30 Meter tief zu treiben und wenn man sie ließe, würde sie in kürzester Zeit den gesamten Weinberg überwuchern. Damit man aber aus den Trauben einen einigermaßen aromatischen Saft und damit eben auch leckeren Wein bekommt, muss man das Wachstum deutlich einschränken. Mehrmals im Jahr muss der Winzer also die Rebe zurückschneiden. Bei den Topwinzern (die es sich erlauben können) wird sogar ein Teil der Trauben im unreifen Zustand einfach abgeschnitten, damit sich alle Aromastoffe in den verbliebenen sammeln. Wenn man alles richtig macht kann man irgendwann zwischen Ende August und November ein paar Trauben ernten und aus diesen Wein bereiten.
Foto: goodluz - Fotolia
Die Traube
Die Trauben sind die Fruchtstände der Weinrebe, sie bestehen aus vielen einzelnen Beeren. So eine Beere ist mehr oder minder rund, 6 bis 20 Millimeter groß und besteht aus einer festen Schicht (der Traubenhaut), dem Fruchtfleisch (in dem sich auch die Flüssigkeit sammelt) und ein paar Traubenkernen. Insgesamt enthält so eine Beere ca. 80 Prozent Wasser, 15 Prozent Kohlenhydrate, etwas mehr als 1 Prozent Ballaststoffe, etwas weniger als 1 Prozent Eiweiß, 0,5 Prozent sind Mineralstoffe und dann noch ein ganz klein wenig Fett. Mineralstoffe, Vitamine und Aminosäuren treten in großer Anzahl in der Beere auf und sind nicht ganz unwichtig für den Geschmack. So ist eben auch das Ziel des Winzers deren Konzentration und Vielfalt mit einer guten Arbeit im Weinberg zu erhöhen. Die wichtigsten Bestandteile der Beere sind aber Fructose und Glucose, also Zucker. Denn ohne die gäbe es keinen Wein.
Foto: PANORAMO - Fotolia
Die aloholische Gärung erzeugt Alohol…
… wie man ja aus der „Feuerzangenbowle“ weiß, und sowohl der Prozess, als auch der Stoff sind aus verschiedenen Gründen essentiell für das gewünschte Endprodukt Wein. Um diesen zu erhalten benötigt man so etwas wie ein Medium. Beim Wein ist das Hefe. Zuckerhefen (Saccharomyces) gehören zur Gattung der Schlauchpilze und kommen praktisch überall vor. In der Luft, auf dem Boden, auf Kellerwänden, vor allem aber sitzen sie gerne auf reifem Obst, da sie sich vorzugsweise von Traubenzucker ernähren. Wenn sie gute Bedingungen vorfinden vermehren sie sich rasend schnell. Den Zucker verarbeiten sie in einem komplizierten Prozess zu Adenosintriphosphat (ADP) das ihnen die zum Leben notwendige Energie liefert. Das ist ein etwas eigentümlicher Prozess, denn wenn die Hefe dafür ausreichend Sauerstoff zur Verfügung hat entsteht neben der Kohlensäure als Nebenprodukt einfach Wasser. Geht der Prozess anerob, also ohne oder mit wenig Sauerstoff vonstatten, dann heißt das zweite Nebenprodukt nicht Wasser sondern Alkohol und der ist, mancher sagt leider, wichtig.
Denn erstens ist der Alkohol ein ziemlich gutes Lösungsmittel für alle Aromastoffe, die sich in der Flüssigkeit, die man jetzt schon Wein nennen kann, befinden, und zweitens entstehen bei der alkoholischen Gärung eben auch ganz andere Nebenprodukte die den besonderen Geschmack des Weins ausmachen. Eigentlich ist der Wein schon fertig, wenn die Gärung abgeschlossen ist und könnten getrunken werden. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von Besonderheiten, denn der Wein und seine Bereitung ist so vielfältig, dass eine Übersicht eine ganze Bibliothek füllen würde.
Foto: robynmac - Fotolia
Rot & Weiß
Es ist kaum verwunderlich, dass die Bereitung von Rot- und Weißwein in einigen wesentlichen Punkten voneinander abweicht. Der wichtigste Punkt ist der Kontakt des Mostes mit den Schalen, die sogenannte Maische-Standzeit. Maische ist der „Brei“ der beim Anpressen der Trauben entsteht. Bei Weißwein versucht man in der Regel (auch hier gibt es Ausnahmen) die festen und flüssigen Bestandteile schnell voneinander zu trennen, man presst also möglichst schnell den Saft ab, um dann denn Most zu vergären. Beim Rotwein hätte dies ziemlich fatale Folgen, man erhielte nur einen blassrosa Wein, der kaum als Rosé durchgehen dürfte. Wenn man nämlich eine Rotweintraube auspresst erhält man weißen, also klaren Saft. Die ganzen Farb- und Gerbstoffe, die Tannine, sitzen nämlich in den Beerenhäuten und da muss man sie irgendwie rausbekommen. Auf ganz natürliche Weise geht das, indem man Schalen und Saft eine Zeit lang zusammen in einem Bottich belässt. Nach einiger Zeit lösen sich dann die Inhaltsstoffe im Saft und man erhält die gewünschte rote Färbung.
Foto: Kitty - Fotolia
Trocken & Süß
Trocken nennt man einen Wein, bei dem so ziemlich der ganze Traubenzucker zu Alkohol vergoren ist. Wenn kein oder nur noch wenig Zucker da ist, dann schmeckt der Wein natürlich trocken. Vergären die Hefen nicht allen Zucker, dann bleibt der Wein spürbar und schmeckbar restsüß. Nicht trockene Weine sind im Idealfall also nicht irgendwie „nachgezuckert“, sondern besitzen einfach noch einen Anteil des natürlichen Traubenzuckers. Meist sind sie daher auch deutlich moderater im Alkoholgehalt. Da der Prozess aber nicht ganz einfach ist und das Ergebnis auch stark von der Gärung abhängt, greift man bei der industriellen Herstellung von nicht trockenen Weinen gerne auch auf die sogenannte Süßreserve zurück. Das ist noch nicht vergorener Traubenmost oder sein Konzentrat, den man dem fertigen Weinen in geringen Dosen zugibt. Ein Verfahren, welches in den meisten Ländern nur für ganz einfach Weinstufen zugelassen ist.
Dabei ist der Übergang fließend und alle gesetzlichen Regelungen, ab wann ein Wein sich trocken oder nicht mehr trocken nennen darf können nur ein grober Anhaltspunkt sein, denn viele Faktoren entscheiden, wie ein Wein dann wirklich schmeckt und es hängt natürlich auch stark vom persönlichen Empfinden ab.

Eine Zeit lang war es im Qualitätsweinbereich wichtig, dass ein Wein möglichst trocken schmecken muss. Es entschied nicht unbedingt der wirkliche Geschmack, sondern jeder Wein, der sich nicht als trocken outete, wurde direkt verworfen. Das ist natürlich Unfug und Unkenntnis. Es gibt viele großartige Weine die fruchtig oder sogar edelsüß sind. Obst lebt halt immer von der Spannung, die Süße und Säure mit sich bringen. Wer würde schon gern einen trockenen Pfirsich essen oder einen Apfel ganz ohne Säure. 
Foto: endega - Fotolia
Säure
Womit wir dann auch bei dem heiklen Thema wären. „Riesling? Oh Gott, nein den trinke ich nicht, der ist mir viel zu säurig…“ So wie andere Leute scheinbar bei dem Verzehren von Produkten mit viel Säure Magenprobleme bekommen, geht es mir wenn ich das seltsame Wort „säurig“ höre. Es klingt irgendwie so herablassend angeekelt und beschreibt leider etwas, was für den Wein unabdingbar ist, nämlich die Weinsäure. Ein Weißwein kann einen pH-Wert von 2,9 bis 4,0 aufweisen. Bei 2,9 bis 3,2 kann man schon von einem sehr säurebetonten Wein sprechen, bei 4,0 dürfte der Wein eher langweilig und auch schnell alt schmecken. Die Säure bringt nämlich nicht nur die Frische in den Wein, sondern ist auch wichtig für Haltbarkeit und Alterungspotential. Natürlich ist der ph-Wert und damit der Säuregehalt des Weins auch für den Geschmack entscheidend. Aber nicht immer schmecken Weine mit niedrigerem ph-Wert auch wirklich saurer. Hier spielen auch viele andere Faktoren mit, etwa die Restsüße, die einen Wein weniger „säurig“ wirken lässt.
Außerdem gibt es im Wein zwei Hauptarten von Säure, die Weinsäure und die Apfelsäure. Letztere ist etwas aggressiver und wird von vielen Leuten eben auch weniger gut vertragen. In Weintrauben die sehr langsam heranreifen und spät gelesen werden ist der Anteil der Apfelsäure deutlich geringer, d.h. hochwertige Weine können auch wenn sie deutlich frischer schmecken besser verträglich sein als einfache.
Übrigens zum Vergleich: Der ph-Wert von Cola beträgt 2,1. Damit ist die Brause um ein Vielfaches saurer als der sauerste Wein. 100 Milliliter enthalten ca. 13 Gramm Phosphorsäure, aber bei einem Zuckeranteil von mehr als 10 Prozent und viel zusätzlichem Karamell schmeckt man das eben kaum.
Schwefel & Co.
Schwefel ist in den letzten Jahren immer mehr zu einem Problemfall geworden. Gefühlt jedenfalls, denn kein Schwefel wäre ein wirkliches Problem für den Wein. Auf fast allen Weinen steht mittlerweile zu lesen „Enthält Sulfite“ – und das ist gut so. Schwefel scheint so eng mit dem Weinbau zusammenzuhängen, dass manche, besonders Rotweine, ganz von alleine erstaunliche Schwefelwerte erreichen. Zumeist wird SO2 jedoch in ganz geringen Mengen hinzugefügt. Schwefel hat den Vorteil, dass Hefen als auch Essigbakterien schon auf ziemlich geringe Mengen panisch reagieren. Sie sterben einfach ab. So wird der Wein stabil. Außerdem ist SO2 ein hochwirksames Antioxidans. Mit das Schlimmste, was einem Wein passieren kann, ist dass er schnell und umfassend oxidiert. Die Weine werden dann braun in der Farbe, schmecken oft muffig und müde.
Die Mode, möglichst wenig oder gar keinen Schwefel mehr im Wein zu verwenden, führt unterdessen zu sehr kuriosen Ergebnissen. Da gibt es Winzer, die ihre Weine nur noch im Winter (oder in Kühllastern) versenden und ihren Kunden ernsthaft raten, sie bei maximal zehn Grad zu lagern, da sie sonst für die Genießbarkeit nicht mehr garantieren können. Wenn man das alles einhält, hat man mit Glück einen vernünftigen Wein, aber den carbon footprint möchte ich nicht sehen.
Da gibt es Weine, die einen enorm hohen Anteil an sogenannten „flüchtigen Säuren“ aufweisen, also nach Klebstoff, Terpentin und Nitro-Verdünnung riechen, wahrscheinlich auch mikrobiologisch nicht wirklich zum Genuss zu empfehlen sind. Und die Verfechter der „Zero Sulfit“-Theorie loben das als Ausdruck des natürlichen Charakters.
Wein, das muss man hier einmal ganz klar sagen, ist kein Naturpodukt, sondern ein Kunstprodukt, wenn auch aus möglichst natürlichen Stoffen. Natürlich gesehen würden die Beeren auf den Boden fallen, verderben und aus einigen Kernen würde neuer Wein wachsen. Generationen von Weinproduzenten haben alles versucht, um Wein stabil – also längerfristig genießbar – zu machen. Mit Gewürzen, mit Harz, mit Bleioxid und man glaubt sogar, dass man es in römischer Zeit auch schon mit Schwefel versucht hat. Bei den geringen Mengen, die heutzutage verwendet werden, müsste man schon mehrere Flaschen Wein am Tag trinken, um überhaupt etwas zu bemerken.“
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