Er ist seit dem Jahreswechsel das Gesprächsthema (nicht nur) beim Bäcker: Der Kassenbon, der nun mit jeder Brötchentüte über die Theke gereicht wird. one erklärt, warum es überhaupt eine Bonpflicht gibt, ob Kunden den Beleg mitnehmen müssen und wie REWE-Kaufleute es mit dem Bon halten.
1. Worum geht es bei dem Kassengesetz?
Das „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ (kurz: Kassengesetz) soll Steuerbetrug an der Ladenkasse deutlich erschweren. Die Schätzungen, wie viel Geld der Fiskus in jedem Jahr durch Steuerbetrug im Handel und in der Gastronomie verliert, gehen weit auseinander. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und der Bundesrechnungshof gehen von mindestens zehn Milliarden Euro aus.
2. Wie wird das Gesetz technisch umgesetzt?
Ladenkassen müssen bis Ende September 2020 über eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) verfügen, die Manipulationen unmöglich macht. Daten werden zeitgleich mit ihrer Eingabe protokolliert und können später nicht mehr verändert werden. Zudem wird für jede Transaktion eine Nummer vergeben, womit Lücken in den Aufzeichnungen erkennbar sind. Ein Prüfer kann somit jederzeit anonym als Kunde auftreten, sich einen Bon aushändigen lassen und wird Unregelmäßigkeiten sogleich erkennen. Unverständlich ist, warum alle Kunden einen Bon erhalten müssen. Wer einen Bon haben möchte, kann ihn sich bereits heute ausstellen lassen. Ursprünglich sollten Kassen bereits zu Jahresbeginn 2020 fälschungssicher sein, doch aufgrund fehlender Marktreife entsprechender Produkte gewährte das Bundesfinanzministerium einen Aufschub bis zum 30. September 2020.
3. Warum reicht es nicht, dass der Handel an der Kasse boniert?
Das Finanzministerium verspricht sich von der Belegausgabepflicht mehr Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug. Anhand des ausgegebenen Belegs kann ein Steuerprüfer leichter nachvollziehen, ob der Geschäftsvorfall einzeln festgehalten und aufgezeichnet wurde sowie ob die Kasse über eine TSE verfügt. Ein Abgleich des Bons mit den Aufzeichnungen der Kassensoftware offenbart mögliche Manipulationen der Kasse.
4. Welche Angaben müssen auf dem Bon vorhanden sein?
Der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Unternehmens, das Datum der Belegausstellung, Menge und Art der gelieferten Gegenstände (beziehungsweise Umfang und Art der Leistung), das Entgelt und der darauf entfallende Steuerbetrag in einer Summe sowie der anzuwendende Steuersatz. Mit der Umsetzung der Kassensicherungsverordnung müssen zudem der „Zeitpunkt des Vorgangbeginns und der Vorgangsbeendigung“, eine Transaktionsnummer aus der TSE, eine Seriennummer, ein Signaturzähler und der Prüfwert angedruckt werden. Zusätzlich können diese Daten auch als QR-Code auf dem Bon dargestellt werden.
5. Sind die Kunden verpflichtet, jeden Beleg mitzunehmen?
Nein, es gibt nur die Pflicht zur unmittelbaren Ausgabe eines Belegs. Die Kunden sind frei in der Entscheidung, ob sie den Bon mitnehmen, wegwerfen oder an der Kasse liegenlassen. Befragungen und Beobachtungen zeigen, dass Kunden an Bons wenig interessiert sind.
6. Was passiert, wenn Händler oder Gastronomen keinen Beleg ausstellen?
Ein Verstoß gegen die Ausgabepflicht kann nicht mit einem Bußgeld belegt werden, weshalb viele Experten das Gesetz als „zahnlos“ bezeichnen. Die Finanzverwaltung kann die Umsetzung über ein sogenanntes Zwangsgeld erzwingen.
7. Können sich Händler von der Ausgabepflicht befreien lassen?
Eine Befreiung kommt laut Gesetz „nur dann in Betracht, wenn nachweislich eine sachliche oder persönliche Härte für den einzelnen Steuerpflichtigen besteht“. Ob eine solche Härte vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und wird von den Finanzbehörden individuell geprüft. Erhöhte Kosten stellen für sich allein keine sachliche Härte da – das hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion Anfang Dezember betont. Sachliche Härten liegen danach jedoch vor, wenn durch höhere Gewalt (wie einen Stromausfall) eine Belegausgabe nicht möglich ist. Eine sachliche Härte sieht die Bundesregierung auch, „wenn die Belegausgabepflicht für den Steuerpflichtigen im konkreten Einzelfall unzumutbar ist.“ Ein denkbares Argument wäre, dass ein Ladenbetreiber sein Geschäft in absehbarer Zeit schließen wird.
8. Wie viel Tonnen Thermopapier werden infolge der Belegausgabepflicht zusätzlich verbraucht werden?
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schätzt, dass in Zukunft etwa 500 Millionen Meter Bonpapier für die Belegausgabepflicht benötigt werden. Der Bundesregierung liegen nach eigenen Angaben keine entsprechenden Schätzungen vor. REWE rechnet mit einem zusätzlichen Papierverbrauch von 632 Tonnen oder 140 000 Kilometer mehr Einkaufszettel.
9. Wäre es nicht sinnvoll, eine Bagatellgrenze einzuführen, wonach für Einkäufe von zum Beispiel weniger als 20 Euro kein Beleg ausgestellt werden muss?
Eine solche Lösung birgt viele Tücken und ist technisch schwierig umzusetzen. Denn es gibt eine Vielzahl von Sonderfällen und Abgrenzungsfragen. Wie sollen beispielsweise Pfand-Bons berücksichtigt werden? Oder: Wie ist der Umsatz mit Konzessionären im Markt zu berücksichtigten? Und wie ist bei Entgeltminderungen aus Punkten bei Payback zu verfahren?
10. Gab oder gibt es andere Ideen, große Händler wie REWE von der Bonausgabepflicht zu befreien?
Das Gesetz sieht „bei einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen“ (so wie das bei der REWE der Fall ist) vor, den Händler auf Antrag von der Pflicht zur Bonausgabe auszunehmen. Dieser Passus wird jedoch von der Finanzverwaltung nur als Möglichkeit für kleine Händler angesehen. Ein Vorschlag, über den derzeit diskutiert wird, setzt an der Frequenz an: Unternehmen, die – wie große Lebensmittelhändler – in jeder Stunde eine Vielzahl von Bons ausdrucken, sollen von der Ausgabepflicht befreit werden.
11. Welche Erfahrungen haben Länder gemacht, in denen es schon länger eine Bonausgabepflicht gibt?
Kroatien beispielsweise verzeichnet einen deutlichen Rückgang des Steuerbetrugs an der Ladenkasse, seit Händler und Gastronomen verpflichtet sind, Belege auszugeben. Frankreich arbeitet an einer manipulationssicheren technischen Lösung. Erst dann ist die bereits geltende Ausgabepflicht zielführend. Gleichzeitig wird im Nachbarland diskutiert, eine großzügig bemessene Bagatellgrenze einzuführen.
12. Welches Modell würde sich REWE wünschen?
Aus Sicht von REWE erfüllt das Gesetz seinen Zweck erst dann, wenn alle Kassen mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sind. Eine Belegausgabe macht überhaupt erst Sinn ab dem 1. Oktober 2020, wenn eine TSE an die Kasse angeschlossen ist. Denn erst dann können die vom Finanzamt gewünschten Prüfungen anhand der Belege durchgeführt werden. Die aktuelle Belegpflicht ist daher für Prüfungszwecke völlig sinnlos. Eine gute Lösung aus Sicht von REWE wäre eine unmittelbare Belegausgabepflicht auf Verlangen. Somit wäre es für die unterschiedlichen Zwecke jederzeit möglich, einen Beleg auszugeben und den Bon bei allen Kunden zu sparen, die ihn nicht wünschen. Kurzfristig könnte man überlegen, jede Kasse mit einem entsprechenden fälschungssicheren Hinweis zu kennzeichnen. So könnte ein Prüfer schnell erkennen, wo Betrug ausgeschlossen ist, denn die TSE-Technik ist gegen Manipulationen geschützt. Ob ein solcher Vorschlag aber Anklang bei der Finanzverwaltung findet, ist unklar.
Hinter der Geschichte
Marius Kiczan, Carsten Callies Um alle Informationen zur viel diskutierten Bonpflicht zusammenzubekommen, hat one mit zwei Experten der REWE Group gesprochen: Mit Marius Kiczan, Funktionsbereichsleiter Umsatzsteuer bei der Pro-Data GmbH, der sich für die REWE Group um die steuerlichen Belange bei der Umsetzung der Kassensicherungsverordnung kümmert. Carsten Callies, Funktionsbereichsleiter für die Kassenabrechnung & Clearingprozesse, leitet das Projekt „Gesetzeskonforme Kassendaten“ bei dem es darum geht, die Kassen der REWE Group und die daran anschließende Datenverarbeitung in Einklang mit der aktuellen Kassengesetzgebung zu bringen.
Mit dem eBon verbindet REWE zumindest für einen Teil der Kunden die Möglichkeit, den Druck des Kassenbons einzusparen und gleichzeitig die Einkaufsnachweise digital zu archivieren. Zur Teilnahme am REWE eBon kann sich jeder Kunde mit einem REWE-Kundenkonto und einer Payback-Karte anmelden. Sobald er danach seine Payback-Karte im REWE-Markt scannt, erhält er automatisch seinen Kassenbon im Pdf-Format sicher und schnell an die im REWE-Kundenkonto hinterlegte E-Mail-Adresse gesendet. Ein zusätzlicher Papierbon wird dann nicht mehr automatisch gedruckt. Wenn Artikel abgewogen werden müssen, ist der Druck des Einkaufsbelegs aktuell weiterhin nötig.
Neben dem Versand per E-Mail erfolgt außerdem eine chronologische Speicherung aller eBon-PDFs im jeweiligen REWE-Kundenkonto. So kann der Kunde auf rewe.de seine Einkäufe übersichtlich aufrufen und einsehen. Der eBon wird außerdem für Gewährleistungs- und Garantiefälle akzeptiert. Auf Wunsch des Kunden kann aber weiterhin zusätzlich ein Papierbon für den aktuellen Einkauf vom Kassenmitarbeiter ausgedruckt werden
eBon-App von Drittanbieter?
Start-ups arbeiten an der Entwicklung einer „eBon-App“, auf der Verbraucher die Bons aller Händler laden, bei denen sie einkaufen. Welche Folgen hätte es, wenn Konsumenten aus Bequemlichkeit eine solche übergreifende Lösung bevorzugen? Wenn Kunden eine „eBon-App“ für alle Einkäufe nutzen, weiß der App-Betreiber sehr viel mehr über deren Nutzer als jeder einzelne Händler je erfahren wird. Er besitzt den Gesamtüberblick. Das kann für Händler zu einem Problem werden, wenn der App-Betreiber ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat und mit diesen Daten entweder selbst arbeitet oder sie verkauft. Weniger problematisch wäre, wenn der App-Betreiber eine neutrale Instanz (etwa eine staatliche Stelle) wäre.
REWE-Kaufleute zur Bonpflicht