Das Kino startet mit all seiner meisterlichen Vielseitigkeit in den Film-Sommer. Der australische Regisseur Baz Luhrmann fährt die für ihn typische Flut an Prunk und Glitzer auf, um die Geschichte von „Elvis“ Presley zu erzählen. Während Emma Thompson als pensionierte Lehrerin „Meine Stunden mit Leo“ in einem Hotelzimmer verbringt, und dabei zum ersten Mal die weibliche Seite der Sexualität erlebt. Und Ryūsuke Hamaguchis Oscar-prämierte Adaption von Haruki Murakamis Kurzgeschichte „Drive My Car“ hat das Zeug dazu, als Lieblings-DVD neben Lieblingsbuch und Lieblings-CD im Wohnzimmerregal zu landen.
Die Vorliebe des späten Elvis für protzigen Glitzer und Glamour und Baz Luhrmanns Ruf als Inszenator von bewegten Gemälden mit opulenter Ausstattung - in „Elvis“ kommt zusammen, was zusammengehört. Da die Biografie des King of Rock’n’Roll wohl hinreichend bekannt ist, kann man sich also entspannt der Bilderflut hingeben. Überraschend ist allerdings die Perspektive, aus der sie erzählt wird: Manager Colonel Tom Parker (Tom Hanks), der sich selbst mit den Worten „Ohne mich hätte es Elvis gar nicht gegeben, und doch will man mich als Bösewicht sehen“ einführt.
Baz Luhrmann
Nicht grundlos werden die ersten drei Kinofilme des 1962 im australischen Sydney geborenen Regisseurs Baz Luhrmann die Rote Samtvorhang Trilogie genannt. „Strictly Ballroom“ (1992), „Romeo + Juliet“ (1996) und „Moulin Rouge“ (2001) warten mit der Opulenz einer Operninszenierung auf. Und das nicht nur optisch, sondern auch akustisch mit sich überlagernden Pop-Songs und Rhythmen. Das Styling übernimmt von jeher Luhrmanns Ehefrau Catherine Martin, die Drehbücher schreibt er gemeinsam mit Schulfreund Craig Pearce. So auch bei „Der große Gatsby“ (2013) und nun „Elvis“.
Filmgenre: Biopic
Länge: 159 Minuten
Regie: Baz Luhrmann
Mit: Austin Butler, Tom Hanks, Olivia DeJonge, Helen Thomson, Richard Roxburgh
Altersfreigabe: ab 6
Verleih: Warner Bros GmbH
Ab: 23.6.2022
Nicht, dass die frisch verrentete und verwitwete Lehrerin Nancy niemals Sex gehabt hätte, nur gut war er halt nie. Deswegen gönnt sie sich mit Leo einen Sexworker, mit dem sie die lange Liste ihrer geheimen Wünsche nach der Reihe abarbeiten möchte, inklusive ein bis mehrere Orgasmen.
Im Original wünscht Nancy ihrem Gegenüber „Good Luck To You, Leo Grande“. Der deutsche Titel, „Meine Stunden mit Leo“, ist weitaus züchtiger. Dabei ist das intime Kammerspiel mit Emma Thompson und Daryl McCormack eine gelungene Mischung aus gelebter Tragik, trockenem Witz und nackten Tatsachen.
Emma Thompson
Als Emma Thompson „Meine Stunden mit Leo“ auf der diesjährigen Berlinale im kreischpinken Glitzeranzug vorstellte, schien es offensichtlich, dass zwischen der verschämten Lehrerin und dem strahlenden Star Welten liegen. Doch das hält die 1959 in London geborene Comedienne, Schauspielerin und Oscar-prämierte Drehbuchautorin für einen schweren Irrtum. „Nackt vor dem Spiegel posieren alle Frauen, egal wie alt sie sind, welche Form sie haben oder aus welcher Schicht sie stammen. Weil wir einem absurden Schönheitsideal entsprechen wollen, das uns aufgedrückt wurde.“
Filmgenre: Kammerspiel
Länge: 97 Minuten
Regie: Sophie Hyde
Mit: Emma Thompson, Daryl McCormack, Isabella Laughland,
Altersfreigabe: ab 12
Verleih: Wild Bunch
Start: 14.7.2022
Es ist leicht, in „Drive My Car“ die bedeutungsvollsten Momente zu verpassen, denn sie sind still und kurz. Zum Ausgleich gibt es von ihnen viele: Blicke, die in die Ferne schweifen oder den Rückspiegel fixieren oder Zigaretten, die aus dem Fenster gehalten werden, erst eine, dann zwei. Wirklich nah kommen sich Menschen nicht, wenn sie sich zuquatschen, sondern beim Schweigen zwischen den Zeilen. Autor Haruki Murakami hat die aufkommende Nähe zwischen einem Theaterregisseur und seiner Chauffeurin in der Kurzgeschichte „Drive My Car“ festgehalten. Der japanische Filmregisseur Ryūsuke Hamaguchi hat daraus 177 Oscar-prämierte Minuten gemacht.
Genre: Drama
Länge: 177 Minuten
Regie: Ryūsuke Hamaguchi
Mit: Hidetoshi Nishijima, Toko Miura, Masaki Okada, Reika Kirishima, Yoo-rim Park
Altersfreigabe: ab 12
Kaufen: Alive!
Seit: 24.6.2021
So nah wie in „Close Read“ kommt man einem Gemälde nur sehr selten, und das sogar, ohne vom Sofa aufstehen zu müssen. In der Online-Ausgabe der New York Times hat Kunstkritiker Jason Farago eine digitale Kunstecke eingerichtet, in der er herausragende Werke erklärt, einordnet, vergleicht oder schlicht und ergreifend bejubelt, während der Cursor in ihnen herumzoomt. Aus einem einzelnen Bild wird dabei schnell ein ganzer Museumsbesuch. Und aus launigem Gesurfe im www ein regelrechter Bildungsurlaub. Des Englischen muss man dabei allerdings mächtig sein.
Art: Wissen, Kunst
Entwickler: The New York Times
Erhältlich für: alle Browser
Adresse:nytimes.com/interactive/2021/arts/close-read.html