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Diskussion um Mindesthaltbarkeit
„Ist das noch gut?"
von Julia Klotz
Lesedauer: 4 Minuten
Der Joghurt ist gestern abgelaufen, der Käse letzte Woche, und im Schrank liegt noch eine Packung Spaghetti vom vergangenen Jahr: Viele Lebensmittel landen in der Tonne, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist - obwohl man sie womöglich noch essen könnte.
Durchschnittlich wirft jeder Bundesbürger im Jahr rund 82 Kilogramm Lebensmittel in den Müll, das entspricht zwei voll gepackten Einkaufswagen. Daher beraten die EU-Agrarminister über den Vorschlag, das Mindesthaltbarkeitsdatum für langlebige Lebensmittel wie Reis oder Nudeln abzuschaffen. Denn viele Bürger interpretieren das Datum auf der Verpackung falsch. Wir haben mit Dr. Klaus Mayer, Leiter Qualitätssicherung der REWE Group, gesprochen und klären die wichtigsten Fragen rund um das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD).
Was genau bedeutet das MHD?
„Mindestens haltbar bis: 26.11.2014“: Ein solcher Aufdruck auf einer Lebensmittelverpackung bedeutet: Bis zu diesem Datum garantieren die Hersteller, dass alle Eigenschaften des Produktes unverändert bleiben.

Dazu gehören beispielsweise Nährstoffgehalt, Geschmack, Aussehen oder Konsistenz. Voraussetzung: Das Produkt war ungeöffnet und wurde richtig gelagert.  Das MHD ist also kein Verfalls- oder gar Wegwerfdatum, sondern vielmehr eine Orientierungshilfe, bis wann ein Lebensmittel in "Bestform" ist.

Wer bestimmt das Datum, und wie wird es überprüft?
Verantwortlich für das Datum sind die Hersteller. Dabei stützen sie sich auf Erkenntnisse, wie sich der Zustand des Produkts unter bestimmten Bedingungen verändert - etwa auch beim Vitamingehalt. Zuständig für die Kontrolle der Kennzeichnungen sind die Lebensmittelbehörden der Bundesländer.
Was passiert nach Ablauf des MHDs?
Die Produkteigenschaften können sich verändern. Mögliche sind eine Veränderung des Aromas, der Konsistenz, eine Austrocknung oder farbliche Veränderung. Joghurt wird zum Beispiel immer säuerlicher. Schokolade weist - vor allem bei falscher Lagerung - Fett- oder Zuckerreif auf.

Damit ist das Produkt aber noch nicht automatisch verdorben. Viele Produkte halten sich über das MHD hinaus.

Wie finde ich heraus, ob ein Lebensmittelnoch bedenkenlos essbar ist?
Grundsätzlich gilt: Bei Lebensmitteln sollten Verbraucher ihre Sinne einschalten und nicht nur auf das Mindesthaltbarkeitsdatum achten. Sieht das Produkt unauffällig aus? Riecht es noch gut? Schmeckt es noch? Solange keine fremden Eigenschaften feststellgestellt werden, kann man es in der Regel noch essen. Wenn jedoch einer der Punkte nicht optimal erscheint, sollte man das Produkt besser entsorgen.
Gilt das MHD auch für bereits geöffnete Packungen?
Nein, dann hat das MHD keine Gültigkeit mehr. Denn aus der Luft treffen nun Bakterien und Feuchtigkeit auf das Produkt, was seinen Verderb wesentlich beschleunigt. Darum gilt das MHD nur für noch verschlossene Verpackungen. 

Auch die richtige Lagerung beeinflusst die Haltbarkeit. Bei Frischeprodukten sollte die Kühlkette nicht unterbrochen werden. Mehl, Reis und Nudeln sollten kühl und trocken gelagert werden. Dann halten sie sich oft über das MHD hinaus.

Gibt es eine Faustregel, wie lange nach dem Ablauf des MHDs Lebensmittel noch verzehrt werden können?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Als Faustregel gilt: Trockene Nahrungsmittel, zum Beispiel Getreideprodukte, verderben nicht so schnell wie solche mit einem hohen Wasser- und/oder Eiweißgehalt, beispielsweise Joghurt. Fetthaltige Lebensmittel dagegen können ranzig werden. Mehl oder Nudeln ohne Frischei halten bei richtiger Lagerung in der Regel über das MHD hinaus. Einige Produkte sind sogar so lange haltbar, dass sie gar kein MHD tragen – wie Kaugummi oder Essig.

Einige Lebensmittel tragen ein Verbrauchsdatum.
Was ist der Unterschied zum MHD?


Um ein Verbrauchsdatum handelt es sich, wenn ein Produkt mit „zu verbrauchen bis:“ gekennzeichnet ist. Es ist für leicht verderbliche Lebensmittel vorgesehen, wie frisches Geflügel oder Hackfleisch. Es nennt den letzten Tag, an dem das Produkt noch verzehrt werden kann. Das sollte man ernst nehmen und es nach Ablauf des Verbrauchsdatums nicht mehr essen.
one: Herr Mayer, ich habe gestern eine ungeöffnete Packung Nudeln in meinem Schrank gefunden – mindestens haltbar bis Februar 2013. Höchstwahrscheinlich kann ich diese noch bedenkenlos essen. Warum lassen wir das MHD nicht einfach ganz weg?
Klaus Mayer: Generell ist das MHD aus Gründen der Lebensmittelsicherheit wichtig und dient als Orientierung für den Verbraucher. Gibt es gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum, werfen die Verbraucher möglicherweise ebenfalls Lebensmittel weg, die noch völlig in Ordnung sind - einfach, weil sie nicht wissen, wie lange diese schon im Schrank stehen.

one: Könnte man nicht statt des Mindesthaltbarkeitsdatums ein Herstellungsdatum angeben?
Klaus Mayer: Das würde nur Sinn machen, wenn der Verbraucher einschätzen kann, wie lange er ein Produkt guten Gewissens verwenden kann. Aber wie viele Verbraucher wissen beispielsweise, wie lange Kaffee haltbar ist? Da bietet das MHD die vergleichsweise bessere Orientierung.
one: Glauben Sie, dass tatsächlich weniger Lebensmittel weggeworfen werden, wenn einige Produkte kein MHD mehr tragen?
Klaus Mayer: Leider nein – denn in der Diskussion sind ja nur wenige Produkte, die sehr lange haltbar sind, wie Reis oder Nudeln. Diese Produkte haben jedoch nur einen minimalen Anteil an den weggeworfenen Lebensmitteln. Hauptsächlich werden Gemüse, Obst und Backwaren entsorgt, weil diese Lebensmittel leicht verderben. Es wäre also nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

one: Was wäre denn die Alternative, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken?
Klaus Mayer: Noch immer verwechseln viele Verbraucher das Mindesthaltbarkeitsdatum mit einem Verfallsdatum. Daher sollte das Ziel sein, die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Lebensmittel zu verbessern und Missverständnisse über das Mindesthaltbarkeitsdatum zu beseitigen.
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