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Prof. Dr. Heribert Hirte (Foto: Tobias Koch)
Branche
Lesedauer: 4 Minuten
Gastbeitrag
„Gebt TTIP eine Chance!“
31. August 2016 · von Prof. Dr. Heribert Hirte, MdB
Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sorgt immer wieder für Gesprächsstoff. CDU-Bundestagsabgeordneter Prof. Heribert Hirte erklärt in einem one_Gastbeitrag, warum das Abkommen keine Absenkung von Lebensmittelstandards in Deutschland mit sich bringen würde – und wie TTIP dazu beitragen soll, unseren Wohlstand zu sichern.   TTIP – diese vier schmalen Buchstaben mit großem Potenzial für eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft drohen gerade umzukippen. Nach mehr als drei Verhandlungsjahren wird die Ungeduld in Deutschland spürbar größer und der Protest lauter. So laut, dass selbst Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sich nun dazu gezwungen sieht, TTIP für „de facto gescheitert“ zu erklären. Er tut dies offensichtlich als Vorsitzender seiner Partei, die viele TTIP-Gegner unter sich hat. Würde er weiter als Wirtschaftsminister agieren, wäre auch er dafür, die Verhandlungen fortzuführen. Er wird nicht vergessen haben, dass er selbst vor wenigen Monaten noch für die Weiterführung der Verhandlungen warb. Auch er weiß ganz genau, dass TTIP der exportorientierten Wirtschaft in Deutschland und damit allen Deutschen langfristig nutzen kann. Gerade der Bereich der Lebensmittelsicherheit trifft allerdings einen besonders sensiblen Nerv. Hätten die gefürchteten „Chlorhühnchen“ auf dem europäischen Markt doch unmittelbare Auswirkungen auf den Verbraucher, sei es nun beim Restaurantbesuch oder dem täglichen Einkauf im Supermarkt. Keine niedrigeren Standards bei Lebensmitteln Eine der größten Befürchtungen der TTIP-Gegner besteht darin, dass europäische Schutzniveaus aufgeweicht würden und amerikanische Produkte mit vermeintlich niedrigeren Standards in deutsche Supermarktregale gelangen könnten. Dabei weisen sowohl die Europäische Kommission, als auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie das Wirtschaftsministerium darauf hin, dass TTIP keinerlei Regelung enthalten wird, welche den hohen Lebensmittelschutz bei uns einschränkt. Davon abgesehen würde wohl ohnehin kein europäischer Mitgliedstaat einer Absenkung der eigenen nationalen Standards zustimmen, sollte künftig einmal über das Handelsabkommen abgestimmt werden – im Deutschen Bundestag jedenfalls wäre eine solche Entscheidung nicht mehrheitsfähig. Und das Risiko eines kompletten Scheiterns des Projektes wird aus diesem Grunde keine Verhandlungsseite eingehen wollen. Viele der lautstark geäußerten Befürchtungen halte ich deshalb für unbegründet. Gleichwohl: die lautstarken Proteste haben die Verhandlungen doch entscheidend beeinflusst und den Parlamenten gezeigt, welche roten Linien in keinem Fall überschritten werden dürfen; wir als Parlamentarier haben die Kritik an die Europäische Kommission und an unsere Regierung weitergetragen. Und das ist gut so. Am Ende entscheidet der Verbraucher, was er kauft Warum aber gibt es diese Vorurteile ausgerechnet gegenüber amerikanischen Lebensmitteln? Sind diese grundsätzlich ungesünder und qualitativ schlechter als unsere europäischen Produkte? Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten: Während amerikanisches Rindfleisch, Whiskey aus Kentucky und kalifornischer Wein internationalen Ruf genießen, wissen wir, dass der Einsatz von Maissirup in Lebensmitteln mit verantwortlich für das massive Übergewicht vieler Amerikaner ist. Auch bei der Produktion von genetisch veränderten Lebensmitteln herrschen in den USA teilweise andere Ansichten als in Europa. Doch nur, weil etwas in den USA produziert und verkauft wird, steht es nicht automatisch auf dem Speisezettel der Europäer. Das wird auch so bleiben, auch mit TTIP! Am Ende entscheidet immer noch der Verbraucher selbst, was er kauft. Hier ebenso wie in den USA werden Lebensmittel, die gentechnisch nicht verändert wurden, beispielsweise gerade deshalb zum Verkauf angepriesen. Auch in deutschen Supermärkten finden wir immer mehr beliebte amerikanische, nachhaltig hergestellte und sichere Bio-Produkte - wer kann schon der Eiscreme zweier Freunde aus Vermont widerstehen?! Glaubt denn wirklich jemand, dass es mit diesem transatlantischen Freihandelsabkommen eine Verbrauchersendung im Fernsehen weniger geben wird, die nicht genau prüft, was in unseren Lebensmitteln steckt? Doch bei aller Zuneigung zu Bio-Produkten: nicht jeder kann und will sie sich leisten. Deshalb verlange ich Lebensmittel für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel. Das ist auch eine Grundlage der sozialen Marktwirtschaft, auf der unsere Gesellschaft beruht, und wichtig für das Vertrauen der Verbraucher darin. „Entweder wir gestalten die Regeln im Welthandel mit oder wir unterwerfen uns Regeln, die andere machen.“ Wir haben es in der Hand: Entweder wir gestalten die Regeln im Welthandel mit oder wir unterwerfen uns Regeln, die andere machen. Nur wenn wir wettbewerbsfähig bleiben, sichern wir Wohlstand und Wachstum – auch für zukünftige Generationen. Wir erleben das seit Jahrzehnten in der Europäischen Union im gemeinsamen Binnenmarkt. Die aktuell gut laufende Konjunktur in Deutschland darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir das Freihandelsabkommen langfristig benötigen werden. Ohne dieses Handelsabkommen erschweren wir unserer Wirtschaft den freien internationalen Warenaustausch und würde somit wider besseres Wissen zulassen, dass das Fundament unseres Wohlstandes in Deutschland nachhaltig Schaden nimmt. Ich kann deshalb nur dazu raten, die Verhandlungsergebnisse abzuwarten, bevor man TTIP endgültig ablehnt – oder zustimmt. Gebt TTIP eine Chance! Vorschnelle Urteile haben bei der Erarbeitung von Großprojekten noch nie weitergeholfen. Prof. Dr. Heribert Hirte, 58, ist Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg und Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Der gebürtige Kölner gewann 2013 im Wahlkreis Köln II für die CDU ein Direktmandat für den Deutschen Bundestag.
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