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© Getty Images | Aleutie
Hybrides Arbeiten
„Führungsarbeit ist vor allem Kommunikation"
von Stefan Weber

Hybride Arbeitsformen stellen neue Anforderungen an Führungskräfte. Dr. Josephine Hofmann, stellvertretende Leiterin des Geschäftsfeldes Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart, erläutert, auf welche Fähigkeiten es jetzt ankommt und welche Fehler zu vermeiden sind.

Dr. Josephine Hofmann, stellvertretende Leiterin des Geschäftsfeldes Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. one: Die Pandemie hat flexible Arbeitsformen in kurzer Zeit selbstverständlich gemacht. Viele Unternehmen schätzen das Mehr an Flexibilität, Nachhaltigkeit und auch Produktivität virtuellen Arbeitens. Beschäftigte begrüßen die dadurch verbesserten Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Wie wird sich die Arbeitswelt „nach Corona“ einpendeln? Gibt es ein Zurück ins Büro?
Dr. Josephine Hofmann:
Langfristig werden hybride Konzepte mit einem Mix aus Präsenz und virtuellen Arbeitsformen bestehen bleiben, dort, wo es die Tätigkeiten aufgrund Ihrer Digitalität erlauben. Die Pandemie hat in kurzer Zeit zu einem dauerhaften Perspektivwechsel geführt. Dabei ist festzuhalten, dass Corona nicht Auslöser, sondern lediglich Verstärker von Veränderungsprozessen ist, die wir schon lange beobachten: den Trend zur Wissensgesellschaft, veränderte Erwartungen junger Mitarbeiter an Flexibilität, Vereinbarkeit, Beteiligung und Mitverantwortung, eine rasante Digitalisierung und eine zunehmende Nachfrage nach agilen Prozessen.

one: Alles Entwicklungen, die auch veränderte Formen und Rollenbilder in der Führung nach sich ziehen.
Josephine Hofmann:
Richtig: Weg von einem früher üblichen hierarchisch-kontrollierenden Führungsverhalten, hin zu einem steuernden begleitenden und delegierenden Tun. Führung qua Ideen, Inspiration und Entwicklungsbegleitung – das trifft es vielleicht ganz gut.

one: Das stellt neue Anforderungen an Führungskräfte. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Pandemie Arbeitsformen umkrempelt, bleibt ihnen jedoch nicht viel Zeit, neue Kompetenzen zu entwickeln. Worauf kommt es jetzt besonders an? 
Josephine Hofmann:
Führungsarbeit ist vor allem Kommunikation. Wenn ich aber meinem Team nicht mehr jeden Tag persönlich begegne, wird es schwieriger mitzubekommen, wie es den Mitarbeitenden geht, ob sie mit ihrer Arbeit klarkommen, wo es Probleme gibt und, ja auch, ob sie sich persönlich gut fühlen. Das gilt vor allem bei Teammitgliedern, die von sich aus weniger kommunizieren. Also muss ich als Führungskraft mein Kommunikationsverhalten ändern. Ich muss deutlich aktiver werden, die Teammitglieder häufiger auch ohne fachlichen Anlass ansprechen, um Stimmungen auszuloten und Wertschätzung auszusprechen. Gut ist auch, ein Zeitfenster einzurichten, in dem die Führungskraft für alle ansprechbar ist, sei es per Telefon oder sei es per Videokonferenz. In Zeiten von Präsenzarbeit hieß es häufig: „Meine Tür steht immer offen“. Das lässt sich in dieser Form heute nun einmal nicht mehr verwirklichen.

„Langfristig werden hybride Konzepte aus Präsenz und virtuellen Arbeitsformen dort bestehen bleiben, wo es die Tätigkeiten erlauben.“
Josephine Hofmann

one: Eine aktive Kommunikation erfordert sehr viel Zeit und Fähigkeiten, die möglicherweise nicht jedem gegeben sind.
Josephine Hofmann:
Kommunikation beherrschen nicht alle gleich gut. Aber diese Fähigkeit lässt sich zumindest ein Stück weit trainieren. Und was die Zeit betrifft: Ja, Führungsarbeit in der virtuellen Arbeitswelt erfordert damit einen höheren zeitlichen Einsatz. Viele Betroffene vor allem im mittleren Management beklagen, dass sie diese Zeit nicht haben und auch nicht eingeräumt bekommen. Das halte ich für ein großes Problem. Hier sind die Arbeitgeber gefordert, Aufgaben neu zuzuschneiden, Freiräume einzuräumen und auch Bewertungssysteme für Führungskräfte anzupassen. Viel zu häufig geht es vor allem um die Erfüllung klassischer Leistungskennzahlen wie Umsatz und Ertrag. Und gerade mittlere Führungskräfte leisten ja auch noch viel Sacharbeit. Es wird Zeit, auch neue Kriterien abseits harter Zahlen in den Blick zunehmen.

one: Solche „weichen“ Faktoren sind möglicherweise weniger gut messbar.
Josephine Hofmann:
Wir haben damit zumindest noch nicht viel Erfahrung. Aber man könnte sich zum Beispiel anschauen, wie viele Teammitglieder sich regelmäßig weiterbilden. Oder wie es um den Krankenstand in der Abteilung bestellt ist. Mitunter sind viele Fehlzeiten ein Indiz für eine zu hohe Arbeitsbelastung. Solche Themen überhaupt einmal – im Gespräch von Führungskraft mit nächsthöherer Führungskraft – anzusprechen und damit deren Relevanz zu unterstreichen, ist ja auch schon ein wichtiger Schritt.

one: Welche Kompetenzen sind in der hybriden Arbeitswelt noch gefragt, abgesehen von einer guten Kommunikationsarbeit?
Josephine Hofmann:
 Die Fähigkeit Vertrauen zu schenken und zu erhalte ist ganz wichtig. Das ist eine komplexe Kompetenz, die sich nicht so leicht erlernen lässt. Aber wenn es weniger persönliche Begegnungen gibt, ist auch weniger Kontrolle möglich. Somit müssen Führungskräfte stärker auf den Leistungswillen und das Engagement ihrer Teammitglieder vertrauen und sie mehr alleine laufen lassen. Vertrauen muss wachsen, aber es braucht auch eine gute Portion Vorschussvertrauen. Und, ganz wichtig: Vertrauensarbeit funktioniert nur in einer Unternehmenskultur, die auch Fehler verzeiht und nicht gleich mit Sanktionen droht, wenn etwas mal nicht funktioniert.

„Vertrauensarbeit funktioniert nur in einer Unternehmenskultur, die auch Fehler verzeiht.“
Josephine Hofmann

one: Kolleginnen und Kollegen, die schon vor der Pandemie an Bord waren, haben es möglicherweise leichter als neue Teammitglieder, denn sie können aus einem sehr viel größeren Sozialkapital schöpfen. Sie haben sich „vor Corona“ regelmäßig persönlich gesehen.
Josephine Hofmann:
Neue Mitarbeitende sind nicht selten schnell wieder weg, wenn sie das Gefühl haben, nicht richtig an ihrem Arbeitsplatz und im Team zukommen. Da lässt sich nur mit Kommunikation und sehr bewusst gestalteten virtuellen wie physischen Begegnungen und Aktivitäten gegenhalten. Führungskräfte müssen Gelegenheiten schaffen, mit Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Führung auf Distanz ist mehr als die Abwicklung von Meetings im Online-Format. Nur durch persönliche Ansprache spüren die Teammitglieder, dass sie wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Es ist ein fataler Irrtum zu glauben: Wenn ich nichts von meinen Leuten höre, wird schon alles in Ordnung sein.

one: Kommunikations- und Vertrauensfähigkeit, die in der hybriden Arbeitswelt besonders gefragten Kompetenzen, gehörten früher nicht zu den primären Auswahlkriterien für Führungskräfte. Das heißt: Wer sich nicht umstellt, wird es schwer haben Karriere zu machen?
Josephine Hofmann:
Es ist wie immer: Wenn Dinge gefragt sind, die ich nicht mitbringe, muss sich mich entweder anstrengen und aufholen. Oder ich finde mich damit ab, dass ich für bestimmte Aufgaben nicht mehr in Frage komme. Aber das diese Auswahlkriterien primär werden – bis dahin ist noch ein Stück Weg zu gehen.  

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