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Duale Ausbildung hüben wie drüben
Europäisch gegen Nachwuchsmangel
von Bettina Offermann und Sebastian Amaral Anders
Lesedauer: 11 Minuten
In Deutschland fehlen dem Einzelhandel die jungen Leute, zugleich ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Europa hoch. Eine Gemengelage, der die REWE Group mit innovativen Konzepten begegnet, die alle Beteiligten zu Gewinnern machen.
Nach dem Start in Italien führt PENNY auch in anderen Ländern eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild ein. Damit leistet die internationale Discount-Sparte der REWE Group Pionierarbeit. Sie bringt Jugendliche in ihren Heimatländern in Arbeit und sichert sich mittel- und langfristig qualifiziertes Personal jenseits der deutschen Grenzen. Umgekehrt setzt REWE in Deutschland auf junge Menschen aus dem Ausland, um dem Nachwuchsmangel hierzulande zu begegnen: Zwei Azubis aus Polen , drei aus Portugal und sieben aus Spanien werden derzeit in ganz unterschiedlichen Berufen ausgebildet.
Cristian Olivares Müller
„Du bist jetzt Kölner“
Der Spanier Cristian Olivares Müller lernt in einem rheinischen REWE-Markt Einzelhandelskaufmann, viel Deutsch, ein bisschen Polnisch – und wie man auf einem Karnevalsumzug mitgeht. Mitte Juli dieses Jahres kam Cristian Olivares Müller aus einem kleinen Ort bei Barcelona in eine kleine Stadt bei Köln. Über 1.000 Kilometer Luftlinie und eine hohe Sprachbarriere musste er dafür überwinden, sein Nachname täuscht. Fremd fühlt er sich dennoch nicht, sagt Olivares. Die Mentalität sei ähnlich: „Arbeit, Arbeit“.

Weil die in seiner Heimat fehlt, entschloss sich der 24jährige Spanier, seinen Job als Lagerist ohne Vertrag gegen eine anerkannte Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann zu tauschen. Mit dem von der EU-geförderten Programm „The Job of my life“ und nach einem Intensivsprachkurs in Barcelona kam er zum Praktikum in den REWE-Markt in Frechen bei Köln, der mitten in der Fußgängerzone liegt, wo die Straßenbahn vorsichtig klingelnd an Geschäften und Passanten vorbeizuckelt.
Derzeit orientiert sich Olivares drei Tage pro Woche im Markt, drei weitere Tage besucht er eine Sprachschule. Ende September beginnt dann die Ausbildung.
Er lerne schnell, so Olivares: Neue Wörter, das Sortiment im 1000-qm-großen REWE-Markt. Nur mit der auf polnisch gestellten Frage nach Margarine neulich, das sei dann doch etwas viel gewesen.

„Er ist belastbar und flexibel“, bescheinigt Claudia Taenzscher dem „hoch motivierten“ Azubi in spe. Nur wenige Wochen im Markt, macht er „so gut wie alles“: Vom Leergut über Tiefkühlkost und Mopro bis zu Obst & Gemüse. „Das Tagesgeschäft kann er schon, die Abläufe kennt er.“

Das liege auch an der überschaubaren Größe des 1000-qm-Marktes und an der engen Zusammenarbeit des kleinen Teams, so der Azubi: „Der kleine Markt ist für mich besser. Ich habe mich schnell orientiert.“

Das kommt auch den Kunden entgegen. Vor allem die älteren Semester sind entzückt von dem jungen Spanier. „Uns fragt keiner mehr was, wenn er da ist“, sagt Claudia Taenzscher. Sie ist stolz auf ihren Schützling, der sich notfalls den Namen eines gewünschten Produkts so oft wiederholen lässt, bis er es verstanden hat und holen geht. „Er möchte alles alleine machen.“ Wieder klingt mütterlicher Stolz durch. 
Eine REWE-Karriere traut sie ihm zu. Die möglichen Schritte dahin hat sie dem Abiturienten, dessen Ausbildung auf zwei Jahre ausgelegt ist, schon aufgezeigt. Er könne doch im Frechener Markt bleiben, sich vielleicht mit internen Programmen weiterbilden, vielleicht studieren... Olivares sagt, er könne sich vorstellen, zu bleiben.

Sein größtes Problem aktuell ist die Wohnungssuche. Für den Anfang kam er in einem befristeten WG-Zimmer unter. Nun sucht er etwas von Dauer. Auch Kontakte baut er sich auf: Per Whats App mit den Azubis aus dem Job-of-your-Life-Programm, schon mal ein Feierabendbier mit Kollegen. Und nächstes Jahr ist er vielleicht mit dabei, wenn die Frechener REWEaner beim lokalen Karnevalszug mitgehen... Taenzscher knufft ihn freundlich auf den Arm: „Du bist jetzt Kölner“. Cristian Olivares aus Barcelona deutet ein Lächeln an.
Erstes Kennenlernen: Auszubildende, Paten und Vertreter der Regionszentrale trafen sich in der Kölner Altstadt.
Azubis aus dem Ausland
Der Job des Lebens
Zwei Azubis aus Polen, drei aus Portugal und sieben aus Spanien: REWE setzt auch auf junge Menschen aus dem Ausland, um dem Nachwuchsmangel zu begegnen.
Das thüringische Neudietendorf hat eine ideale Lage für einen Logistikstandort, gleich am Autobahnkreuz Erfurt, wo sich A4 und A7 treffen. Für die Azubi-Suche ist der Standort des REWE-Lagers nicht mehr ganz so ideal, denn die nächsten größeren Städte - Erfurt und Gotha - sind je gut 20 Kilometer entfernt. "LKW kommen da gut hin, Schüler eher nicht", sagt Melanie Berthold, Referentin Personalmarketing und Projekte bei REWE.
Melanie Berthold
Bei der Suche nach Auszubildenden geht REWE daher neue Wege und hält auch im Ausland die Augen nach Nachwuchstalenten für Lehrstellen auf, die in Deutschland immer öfter unbesetzt bleiben. Das gilt etwa auch für den Service-Bereich in den REWE-Märkten. Auf der anderen Seite erreichen in zahlreichen Ländern Europas die Quoten arbeitsloser Jugendlicher immer neue Höhen. In Spanien ist mehr als jeder zweite Jugendliche ohne Job, in Portugal mehr als ein Drittel, in Polen jeder vierte. Zwei Polen, drei Portugiesen und sieben Spanier
Zwölf junge Menschen genau aus diesen drei Ländern haben inzwischen eine Ausbildung bei REWE begonnen. Die ersten beiden waren zwei junge Männer aus Polen, die am Logistikstandort Neudietendorf 2013 eine Ausbildung zum Fachlageristen begonnen haben. In der Region Südwest sind aktuell drei junge Portugiesen unter Vertrag. Zwei arbeiten im Markt, einer in der Regionszentrale in Wiesloch. Und in Düsseldorf und Köln beginnen in diesen Tagen sieben Spanierinnen und Spanier ihre Ausbildung in verschiedenen REWE-Märkten. Allen gemeinsam ist, dass ihre Ausbildung vom EU-Programm „MobiPro-EU - The job of my life“ gefördert wird. Das Programm unterstützt über die Arbeitsagentur die Vermittlung junger Menschen in Ausbildungsplätze - über Grenzen hinweg. Bei den ersten 17 ausländischen Azubis konnte REWE außerdem bestehende Initiativen und Beziehungen nutzen: Die Stadt Wiesloch hatte bereits eine Kooperation mit Portugal ins Leben gerufen, in Polen nutzen Unternehmen verschiedener Branchen eine IHK-Initiative und die REWE Region West hatte bereits den Draht zu einer Schule in Barcelona.
Praktikum zum Schnuppern
Bevor sich die jungen Leute endgültig für den großen Schritt in ein neues Land entscheiden mussten, konnten sie ihre potenzielle neue Heimat und auch den Arbeitgeber REWE bereits kennenlernen: Für ein zweiwöchiges Praktikum reisten sie vor dem Ausbildungsstart nach Deutschland, um einen ersten Eindruck von Job, Menschen und Land zu gewinnen. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat entschieden sich alle bis auf einen Aspiranten für die Ausbildung in Deutschland - und kurz darauf begannen im Heimatland schon die ersten Deutsch-Kurse zur Vorbereitung. In Deutschland angekommen gehen die Deutsch-Kurse weiter, und auch sonst tut REWE viel dafür, den Azubis aus dem Ausland den Einstieg leicht zu machen: Die REWE West etwa fragte bei ihren Mitarbeitern, ob sie einen Azubi gewissermaßen als Gasteltern bei sich zu Hause aufnehmen. Neben dem obligatorischen Städteführer gab es etwa für die Spanier eigens ein Netzwerktreffen und einen Besuch im Kölschen Brauhaus. „Am wichtigsten ist aber die gute Betreuung durch die Ausbilder“, sagt Melanie Berthold. Im Lager Neudietendorf etwa, berichtet sie, seien die Ansprechpartner für die polnischen Nachwuchskräfte nach anfänglicher Zurückhaltung regelrecht in ihrer Aufgabe aufgegangen. Private Ausflüge nach Erfurt folgten ebenso wie das gemeinsame Einrichten der Azubi-Buden.
Sollte das Heimweh dennoch einmal groß werden, greift wieder das EU-Programm: Eine bestimmte Anzahl an Heimfahrten werden darüber finanziert, genau wie Sprachkurse oder die erste Wohnungsausstattung und die Umzugskosten. Überdurchschnittliche Leistungen, hohe Motivation
„Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und denken schon über eine nationale Ausweitung des Programms gemeinsam mit PENNY nach“, zieht Melanie Berthold ein positives Fazit. 2015 könnte es losgehen. Das Ziel: die einzelnen Initiativen in einem großen Projekt zusammenzufassen und die Rekrutierung im Ausland als eins von zahlreichen Instrumenten zu etablieren, die dem erwarteten Lehrlingsmangel vor allem im Service entgegenwirken sollen. „Unser Ziel ist natürlich, dass sie auch nach der Ausbildung bei uns bleiben“, erläutert Melanie Berthold. Natürlich müsse man aber auch verstehen, wenn es den ein oder anderen doch wieder in die Heimat ziehe. Bei den beiden jungen Männern aus Polen deutet momentan nichts darauf hin: Die Ausbilder loben die überdurchschnittlichen Leistungen und die hohe Motivation. Und auch in der Berufsschule stimmen die Noten. Kein Wunder, schließlich sind die beiden schon mit dem Fachabitur Logistik nach Deutschland gekommen. „Die beiden wollen ihre Chance nutzen“, glaubt Melanie Berthold. Die Aussichten sind gut, dass von diesem grenzübergreifenden Austausch am Ende beiden Seiten profitieren.
Duale Ausbildung bei PENNY International
„Die Investition wird sich auszahlen“
In zahlreichen Ländern Europas gehen die Geburtenraten zurück und die Suche nach Nachwuchskräften wird zur Herausforderung. Die internationale Discount-Sparte der REWE Group baut schon heute vor und leistet dabei Pionierarbeit: Nach dem Start in Italien führt PENNY auch in Tschechien, Bulgarien, Rumänien und Ungarn die duale Ausbildung mit deutschen Qualitäts-Elementen ein. Anja Monica Weiler, Leiterin Human Resources Discount International, erklärt im one_Interview, wie PENNY junge Menschen von der Qualitätsausbildung überzeugen will - und warum sich der Aufwand auch für PENNY lohnt.
one: Frau Weiler, PENNY führt im großen Stil die duale Ausbildung im Ausland ein. Haben Sie in Süd- und Osteuropa Nachwuchsprobleme?
Anja Monica Weiler: Die momentane Alterskurve macht uns noch keine Sorgen, doch in den meisten Ländern geht die Geburtenrate teils drastisch zurück. Schauen Sie sich Italien an: Hier haben wir aktuell noch einen erfreulichen Zulauf an Bewerbern, wir werden die sehr niedrigen Geburtenraten spätestens in 20 Jahren aber deutlich zu spüren bekommen. Mit der Investition in die duale Ausbildung bauen wir vor - und können in den nächsten Jahren hoffentlich die Rendite für diese langfristige Investition einfahren. Wenn wir jetzt nicht handeln, bezahlen wir das in ein paar Jahren umso teurer. Wir erreichen ein besseres Zusammenspiel zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystemen- Ausbildung und Arbeitsmarkt- und eröffnen aussichtsreiche Karrierewege für einen großen Teil der Bevölkerung. Auch kommen wir unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung nach und leisten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Jugend-Arbeitslosigkeit in den betreffenden Ländern.
one: Wie wollen Sie die jungen Leute überzeugen, zu PENNY zu kommen?
Anja Monica Weiler: Mit der Einführung der dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild schaffen wir in Italien Standards und Möglichkeiten, die es so vorher nicht gab. Das ist eine neue Qualität in der Ausbildung, und genau das müssen wir den jungen Menschen vermitteln. one: Lässt sich ein deutsches Ausbildungsmodell so einfach auf ein anderes Land übertragen?
Anja Monica Weiler: Das ist nicht so einfach, aber der Aufwand lohnt sich. Grundsätzlich müssen wir in jedem Land das jeweilige nationale Berufsbild in unser Ausbildungskonzept integrieren, um die staatliche Anerkennung zu garantieren. Dabei arbeiten wir eng mit den Außenhandelskammern zusammen. Verlässliche, überprüfbare Standards nach deutschem Vorbild erhöhen dann die Qualität. one: Welche Standards sind das beispielsweise?
Anja Monica Weiler: Alleinstellungsmerkmal der dualen Ausbildung ist die Berufsfähigkeit durch die Aneignung reflektierter beruflicher Arbeitserfahrung sowie das darauf gründende Arbeitsprozess-Wissen. Der Auszubildende erlangt die Fähigkeit, den erlernten Beruf nach den im Berufsbild festgehaltenen Qualifikationen auszuüben. Das Erreichen der Berufsfähigkeit wird durch eine abschließende Überprüfung des beruflichen Wissens und Könnens nachgewiesen. Auch das Erwerben von Gestaltungskomptenz ist hier erwähnenswert: anstelle der Anpassung an bestehende Arbeitsstrukturen erreichen unsere Auszubildenden die Befähigung zur Mitgestaltung der Arbeitswelt in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung. Den inzwischen zertifizierten Ausbildern, unseren Marktleitern in den Ausbildungs-Filialen der Länder, wurden intensive didaktische aber auch fachlich vertiefende Kenntnisse vermittelt. Die Ausbildung der Ausbilder sorgt bereits heute für eine höhere Motivation und Identifikation mit unserem Unternehmen. one: Wenn PENNY in einem Land mit der dualen Ausbildung Pionier ist, gibt es dort ja keine Berufsschulen. Wo lernen die Azubis die Theorie?
Anja Monica Weiler: Alle unsere Azubis kommen im jeweiligen Land einmal im Jahr zum Blockunterricht zusammen. In Bulgarien und Tschechien etwa wohnen die Azubis für diese Zeit in einem Internat und wir organisieren dafür eigens befähigte Lehrer, die das nötige Fachwissen vermitteln. Zusätzlich ermöglichen wir den Azubis zwischendurch Verkostungen, Vorträge, Marktbesichtigungen und persönlichkeitsbildende Trainings. Die praktische Ausbildung im Markt übernehmen dann unsere Ausbilder in der Filiale. one: Wie ist die Resonanz bei den Auszubildenden?
Anja Monica Weiler: Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. In Tschechien beispielsweise haben wir eine Akademisierung von rund 80 Prozent. Da ist es schon schwieriger, praxisorientierte Jugendliche zu finden. Aber auch hier gibt es diesen Markt, das zeigen unsere Bewerberzahlen. Von den 24 Lehrstellen in diesem Jahr sind 23 schon besetzt. In anderen Ländern wird es auch noch in den kommenden Jahren unsere Aufgabe sein, den Wert einer fundierten Ausbildung zu vermitteln. Es ist eine Herausforderung , mit der dualen Ausbildung zu überzeugen, wenn unsere Konkurrenten ungelernte Kassenkräfte zu einem höheren Gehalt einstellen. one: Wie reagieren Sie darauf?
Anja Monica Weiler: Wir sehen hier die Möglichkeit, den Typ Mitarbeiter zu finden, mit dem wir arbeiten möchten und der zu uns passt. Loyale Mitarbeiter bekommt man nicht über ein hohes Gehalt, das ist bei Auszubildenden nicht anders als bei weiterführenden Positionen. Bei uns sitzen die Azubis nicht den ganzen Tag an der Kasse, sondern sind in alle Marktabläufe involviert. Bereits beim Recruiting achten wir auch darauf junge Menschen zu finden, die hohes Engagement zeigen. Nach zwei Jahren Ausbildung ist in der Regel eine gute Bindung zum Unternehmen entstanden. Auch nach der Lehrzeit können wir dann mit Fortbildungsmöglichkeiten punkten und in der PENNY-Akademie unsere eigenen Marktleiter zu Bezirksleitern weiterbilden. So schaffen wir Kontinuität, die sich am Ende für den Auszubildenden und auch für unser Unternehmen auszahlt. Das Gespräch führte Sebastian Amaral Anders
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