Corona, das hieß für die meisten von uns: Wir lebten und lernten, arbeiteten und faulenzten zu Hause. Und wir aßen zu Hause. Dreimal täglich, viele Wochen lang. Wie wir im Lockdown einkauften, um uns zu ernähren und (es) uns schön zu machen, das haben wir sieben Fachleute gefragt. In Kürze: Pools und Pommes top, Sekt und Sandwichs flop...
© Getty Images | serezniy „Während des Lockdowns haben Fischstäbchen, Chicken Nuggets, Pommes und Co. die Kinder (und vor allem die Eltern) zu Hause glücklich gemacht. Gerade die convenienten TK-Artikel gingen raketenartig durch die Decke und verzeichneten ein Absatzplus von 60 Prozent zum Vorjahr. Aber die Leute griffen nicht nur vermehrt zu Fastfood für Kids. Sie bevorrateten sich mit Fisch und mit Rohgemüse, wie Erbsen und Brokkoli.
Nachdem was ich höre, ist übrigens auch der Verkauf von Tiefkühltruhen und -schränken schlagartig angestiegen mit dem Lockdown. Deutschland entdeckte mit Corona die Tiefkühltruhe…
Der Mengenzuwachs, den wir verzeichnen, zieht sich quer durch alle Kategorien. Alle sind zweistellig gewachsen, bis auf Pizza. Pizza ist mengenmäßig einfach immer stark. Der Eiskonsum im 40-Grad-Sommer 2019 ist zwar schwer zu toppen, aber bis Juni wuchs auch diese Kategorie. Die Eisdielen hatten zu…
Um Bilanz zu ziehen, ob Corona die Warengruppe Tiefkühlkost verändern wird, ist es vielleicht noch zu früh. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es in diesem Jahr kein Sommerloch geben wird. Der Absatz von Tiefkühlware wird auf einem höheren Niveau bleiben. Denn wer den Urlaub in einer Ferienwohnung am deutschen Ostseestrand oder in den bayrischen Alpen verlebt, wird kochen – und einkaufen."
Roger Kurzawa, Senior Category Buyer Tiefkühlkost bei REWE
© Getty Images | CentralITAlliance Nein, viele Frauen haben sich so verhalten. Dafür gibt es drei Gründe: Der Mundnasenschutz, die Arbeit im Home Office und die Reduzierung des Soziallebens auf ein Minimum. Darunter hat der gesamte Schminkmarkt gelitten, aber auf das Segment Lippe hat es sich am allernegativsten ausgewirkt.
Im März, April und Mai haben sich die Frauen gefühlt gar nicht mehr geschminkt, dazu passend kam der Trend zu Natürlichkeit auf, dazu, die Haut „atmen“ zu lassen. Das sieht man auch an Hashtags wie #nomakeup.
Saßen wir ungepflegt am Schreibtisch?
Nein, ganz und gar nicht! Nachdem der Schminkmarkt im März ganz zum Erliegen kam, gab es ab April einen Riesenboom bei der Nagelpflege, also Nagellack und Kunstnägel, aber auch Nagelfeilen. Die Beautysalons hatten geschlossen und es war nicht klar, wie lange das dauert. Dennoch wollten die Frauen schöne Nägel. Und die meisten hatten nun mehr Zeit für ein „Home Spa“. Das sahen wir auch daran, wie stark sich Gesichtsmaskentools verkauften. Wir haben uns also durchaus um unsere Gesichtspflege gekümmert, wir haben nur kein Make-up aufgetragen.
Bei den Düften war die Entwicklung ähnlich: Erst rückläufig, wurden ab Mai vor allem Duftsets, also Kombinationen mit schönen Duschgels, gekauft. Das war nämlich der Zeitpunkt, als in Österreich die ersten Lockerungen geschahen, Besuche bei der Familie möglich wurden. Die Duftsets eigneten sich gut als Mitbringsel, zumal sie verpackt waren.
Und wie schaut es nun aus auf den Gesichtern?
Seit dem 15. Juni ist in Österreich die Mundnasenschutzpflicht in Geschäften aufgehoben. Seit wir also ohne Masken einkaufen und entspannter zum Beispiel durch die Drogeriemärkte flanieren können, steigt die Nachfrage nach Schminkprodukten wieder. Und auch nach Düften, weil man jetzt wieder an den Testern riechen kann. Hatten wir im April noch ein Umsatzminus von -40 Prozent, sind wir im Juni immerhin bei einem Plus von 1,8 Prozent angekommen.
Rebekka Krause, bei BIPA (Österreich) Gruppenleitung Einkauf dekorative Kosmetik und Düfte
© Getty Images | FG Trade „Der Inhouse-Konsum ist sicherlich gestiegen während des Corona-Lockdowns. Ohne Kneipen, Restaurants oder Events hat sich der Kauf von Alkohol in den Markt und der Konsum nach Hause verlagert. Ich denke aber, die Deutschen konsumierten genauso viel oder wenig Spirituosen oder Wein wie vor Corona, es wird nicht mehr getrunken. Im Gegenteil, am Anfang des Lockdowns gehörten Spirituosen und Wein zu den Waren, die beim Einkauf ganz hinten anstanden. Erst einmal befriedigten alle ihre Grundbedürfnisse, von Toilettenpapier über Dosenravioli hin zu Mehl. Als dann deutlich wurde, dass die Situation andauern und die Gastronomie zu bleiben wird, erst da stieg der Absatz in meiner Warengruppe an.
Interessanterweise aber sank der Sektabsatz, denn es fanden keine Junggesellenabschiede, Hochzeiten oder größere Geburtstagsfeiern mehr statt. Da Sekt ein eher anlassbezogenes Getränk ist, steht diese Warengruppe unter Druck.
Aber in Bezug auf Wein und Spirituosen war die Situation für den Handel natürlich positiv, zumal etliche Kunden sich höherpreisige Artikel „gönnten“. Wir sehen auch der kommenden Urlaubszeit zuversichtlich entgegen. Denn die meisten fahren in diesem Jahr entweder gar nicht weg, oder sie verleben die Ferien innerhalb Deutschlands.“
René van Hall ist bei PENNY Senior Category Buyer für Wein, Sekt, Spirituosen
© Getty Images | „Als Hefe und Mehl plötzlich zur Mangelware wurden, griffen die Leute verstärkt zu gekühlten Teigen, vor allem zu Pizza- und Flammkuchenteigen. Wir haben in dieser Zeit über 40 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum verkauft. Auch bei Pasta war der Run nicht aufzuhalten. Ebenso wie bei der Trockenpasta, wuchs auch die Nachfrage nach gekühlten Alternativen rasant. Das brachte uns ein Absatzplus von fast 30 Prozent.
Enormen Aufwind hat der Lockdown auch den vegetarischen und veganen Produkten zusätzlich zum ohnehin vorhandenen Trend gebracht. Bemerkenswert war der Run auf vegane REWE Bio Artikel, so verdoppelte sich beispielsweise der Absatz von Räuchertofu und Falafel. Neben den Highlights gekühlte Teige und Pasta haben sich in der Corona-Krise die Fertiggerichte sehr gut entwickelt, auch Kartoffelprodukte jeder Art wurden ebenfalls stark nachgefragt. Aber des einen Freud, ist des anderen Leid: Der Out-of-home-Verzehr kam während der Corona-Krise fast gänzlich zum Erliegen.
Wie es weitergeht? Viele Leute gehen in der aktuellen Situation weiterhin nicht gerne essen. Ich bin also optimistisch, was den Inhouse-Verzehr betrifft. Das belegen auch die Zahlen, bei vegan, vegetarisch, Bio und Asia-Fertiggerichten beispielsweise bleibt die Nachfrage hoch. Und auch die Sofortsnacks, wie Sandwiches oder Wraps, haben sich erholt und liegen aktuell sogar über dem Vorjahr.
Corona hat nicht nur kurzfristig das Einkaufsverhalten beeinflusst. Ich bin überzeugt davon, es verändert sich auch auf lange Sicht: Die Leute werden weiterhin günstiger einkaufen und verstärkt zu Eigenmarken greifen."
Karin Niebiossa ist bei REWE Senior Category Buyer für Convenience SB
© Getty Images | Elisa Festa „Verschiedene Sortimente haben in der Corona-Krise Zuwächse verzeichnet, als der Lockdown die Menschen in Haus und Garten hielt: Im März und April waren es vor allem die Anstrichmittel für innen, als viele ihre vier Wände verschönerten. Im April ging es dann raus in den Garten, entsprechend nachgefragt waren Holzlasuren, Außenanstriche, Gartenhölzer, Pflanzen und Erden. Darüber hinaus profitierten „klassissche“ Warengruppen wie Baustoffe und Eisenwaren.
Auffällig war die Investitionsbereitschaft der Kunden bei höherpreisigen Produkten. Getätigt wurden größere Anschaffungen für den Garten wie Pools, Möbel und Gasgrills, aber auch der Absatz von hochwertigen Mährobotern oder Akkugeräten, wie Rasenmähern, stieg an. Positiv hinzu kam die langanhaltende gute Wetterlage, was für unsere Branche essenziell ist.
Leicht rückläufig waren die Umsätze bei den beratungsintensiveren Sortimenten, wie Gartenhäusern oder Badmöbeln,denn in der aktuellen Situation hatte (und hat) das Einhalten des Sicherheitsabstands bei der Kundenberatung oberste Priorität.“
Marc Steinhaus ist bei toom-Baumarkt Leiter Category Insights & Support
© Getty Images | Alen-D „Eigentlich gilt die Warengruppe „Fixe“ als ‚unsexy`und traditionell, die Hersteller denken viel über neue Konzepte nach, um ihre Produkte attraktiver zu machen. Denn die klassischen Käufer werden älter, jüngere zu gewinnen, ist nicht ganz einfach. Was Hersteller mit neuen Konzepten nicht geschafft hatten, schaffte Corona: Während des Lockdowns bevorrateten sich die Kunden in Hamsterkäufen mit Dosensuppen, Gemüsekonserven oder 5-Minuten-Terrinen, denn kaum jemand hatte Zeit, zwischen Home Schooling und Home Office täglich frisch zu kochen.
Es gibt in Deutschland rund 40 Millionen Haushalte, die sich über Wochen Frühstück, Mittag- und Abendessen zubereiten mussten. Es gab keine Kantinen mehr und keine Schulverpflegung, Snacks und to go-Produkte in Bedienung litten unter Frequenzmangel und Hygienebeschränkungen. Grob gerechnet entstanden so viele Millionen zusätzlicher Kochanlässe zu Hause, mit der Folge, dass Dosenravioli und vor allem die „gelingsicheren“ Maggi-Produkte wieder Aufwind bekamen. Wer zu Hause unter Zeitdruck stand, öffnete gerne eine Erbsen- oder Hühnersuppe oder goß Wasser auf ein Asiagericht. Wer zukunftsängstlich nach haltbaren Artikeln suchte, griff zu Gemüsekonserven, vor allem zu Hülsenfrüchten, wie Kidneybohnen oder Kichererbsen. Und ich rechne weiterhin mit guten Umsätzen, denn Restaurants und Kantinen werden noch nicht wieder auf dem Vor-Corona-Niveau frequentiert - und viele verbringen ihren Urlaub als Selbstversorger in Deutschland."
Ingo Faßbender ist bei REWE Senior Category Buyer für Gewürze, Essig-Öl, Fertiggerichte, Fixe
© Getty Images | svetikd „Der Lockdown schickte die deutschen Weintrinker in den Supermarkt – und ins Internet: So sah es um den Rebensaftkonsum in Corona-Zeiten aus:
„Der Ausfall der Gastronomie während der Corona-Krise wirkte sich auf den Weinverkauf im Einzelhandel positiv aus. Weinabsatz und -umsatz wuchsen zweistellig, allein im Mai hatten wir ein Absatzplus von 13 Prozent und ein Umsatzplus von 18 Prozent, es wurde also mehr und etwas hochpreisiger eingekauft. Vom Lockdown profitierte übrigens besonders der Weinonlinehandel. Die Weinfreunde beispielsweise verzeichneten bis zu 100 Prozent Zuwachs.
Während Corona setzte sich der Trend zu deutschem Weißwein im allgemeinen und vor allem aus deutschem Weißwein aus Rheinhessen und der Pfalz weiter fort, sie verzeichneten sehr hohe Zuwachsraten. Auch italienischer Rotwein, insbesondere Primitivo, wurde verstärkt nachgefragt.
Was unfassbar gut ging, war Gin. Im Mai wies er ein Absatzplus von 15 Prozent und eine Umsatzsteigerung von 20 Prozent auf. Gin ist easy, auch für den heimischen Gebrauch: Man nehme 4 bis 6 cl Gin, Tonic Water, Eiswürfel, fertig. Das kann man gut selber zu Hause mixen.
Auch so genannte Ready-to-drink-Mischungen wie Whisky-Cola oder Rum-Cola in der Dose gingen in der Zeit gut. Bei diesen Premixen handelt es sich klassisch um Getränke für den „Außer-Haus-Konsum“. Jetzt trank man sie einfach zu Hause, mit dem Vorteil, nicht gleich eine ganze Flasche Rum oder Whisky kaufen zu müssen.
Mein Eindruck war: Die Kunden waren nicht unbedingt bereit „Neues“ auszuprobieren. Ob Gin, Wein oder Whisky-Cola – es wurde einfach mehr von dem gekauft, was man sowieso schon konsumierte.“
Antonio Ribeiro, Senior Category Buyer Wein, Sekt, Spirituosen bei REWE