Wer kann, arbeitet seit Mitte März vermehrt im Homeoffice und vermeidet so potenzielle Ansteckungsquellen in Bus, Bahn und Büro. Dies hat, das zeigten erste Auswertungen von Homeoffice- und Infektionszahlen, das Infektionsgeschehen verlangsamt. So wurde es schnell zu einer Binsenweisheit, dass Corona die Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeitsplätzen in Deutschland beschleunigt und damit die Sicht auf flexibles Arbeiten verändert hat.
Doch ist die neue Arbeitswelt immer nur schön? Wie stehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dazu? Die REWE Group hat im Projekt DNA zwei Umfragen unter Mitarbeitenden durchgeführt, erste Ergebnisse können Sie hier nachlesen. Doch auch zahlreiche Institute haben den spontanen Langzeit-Test in Sachen Homeoffice für Studien und Umfragen bei Arbeitnehmern und Unternehmen in ganz Deutschland genutzt. one fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus den Studien zusammen.
Wie so vieles ist auch das flexible Arbeiten Fluch und Segen zugleich. Während die einen es begrüßen, dass sie sich ihre Arbeitszeit flexibel einteilen können, bemängeln andere Berufstätige, dass Beruf und Privatleben nur noch schwer abzugrenzen sind. Doch unterm Strich gilt: die Anzahl der Befragten, die sich regelmäßig gestresst fühlt, ist während der Pandemie von 21 auf 15 Prozent zurückgegangen. Und 56 Prozent der Homeoffice-Arbeiter sagen sogar, dass sie produktiver sind als im Büro. Die Zahlen sind das Ergebnis einer Studie der Forschungsinstitute IGES und Forsa. Sie hatten im Auftrag der DAK vor und während der Pandemie jeweils rund 7000 Beschäftigte befragt. Dabei freuten sich auch zwei Drittel der Befragten, dass sie Beruf und Familie mit dem flexiblen Arbeitsplatz besser vereinbaren können. Ähnlich viele freuten sich, nicht mehr pendeln zu müssen und so Zeit zu gewinnen.
Doch das Arbeiten in den heimischen vier Wänden hat auch seine Schattenseiten. So fehlt laut dieser Studie fast der Hälfte der Erwerbstätigen die klare Trennung zwischen Job und Privatleben. Drei Viertel der Befragten vermissten den Kontakt zu den Kollegen.
Unterm Strich jedoch ist die Bilanz für die überwiegende Mehrheit in dieser Studie positiv: Knapp 77 Prozent wollen das Homeoffice nicht mehr missen und wünschen sich eine Mischform für die Zukunft aus Präsenz im Büro und flexibler Arbeitsplatzgestaltung.
Von 17 auf 70 Prozent – das sind die Zahlen auf die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation die Ausweitung der Homeoffice-Möglichkeiten bringt. In der Studie "Arbeiten in der Corona-Pandemie - auf dem Weg zum New Normal" kam heraus, dass vor der Pandemie in nur 17 Prozent der Betriebe flexibles Arbeiten möglich war. Mit der Corona-Krise stieg die Zahl auf 70 Prozent. Hierfür befragten die Forscher des Fraunhofer Instituts gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung im Mai 2020 Entscheider aus knapp 500 Unternehmen in Deutschland.
Interessant ist hierbei vor allem die Erkenntnis, dass in Unternehmen, die den Mitarbeitenden großzügige Homeoffice-Angebote machten, diese meist nur selten wahrgenommen wurden. Als Grund dafür nannten die Befragten unter anderem fehlende arbeitsrechtliche Regelungen, wie beispielsweise eine Betriebsvereinbarung. Aber auch mangelnde Akzeptanz von Vorgesetzten war ein Thema. Mit der Krise stellte sich dann heraus, dass zumindest technische Barrieren schnell abgebaut werden konnten. Drei von vier Anwendern waren bereits unter anderem mit Fernzugriffen via VPN und Kommunikationssoftware versorgt. Lediglich bei Videokonferenzlösungen und Collaborationstools musste nachgebessert werden.
Anders sieht es bei der Arbeitsplatzgestaltung aus, was aber auch daran liegt, dass klassische Telearbeit und flexibles Arbeiten rechtlich noch nicht klar voneinander abgegrenzt sind. Für Telearbeit gibt es klare Regeln zur Arbeitsplatzgestaltung und den Pflichten des Arbeitgebers. Beim flexiblen Arbeiten, was derzeit für viele de facto das Homeoffice ist, sind die Anforderungen weniger detailliert, was Spielraum für Improvisation bietet.
Die Frage, wie sie zukünftig mit Homeoffice umgehen werden, stellte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Juni 2020 rund 1800 Unternehmen. Vor allem größere Firmen ziehen demnach diese Lehre aus der Corona-Krise: Es lassen sich mehr Tätigkeiten von zu Hause erledigen, als bisher gedacht. Immerhin mehr als 83 Prozent der Unternehmen in der IT- und Kommunikationsbranche und 70 Prozent der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe, zu dem unter anderem der Maschinenbau, die Chemie- und die Autoindustrie zählen, berichten über diesen digitalen Lerneffekt. Entsprechend soll in beiden Branchen das Angebot an ortsflexiblen Arbeitsplätzen erweitert werden. Je nach Unternehmensgröße und Branche sind die Pläne unterschiedlich ausgeprägt: rund 75 Prozent der IT-Unternehmen ab 100 Mitarbeitern plant eine dauerhafte Ausweitung des Homeoffice, im Verarbeitenden Gewerbe sind es unter den Großen etwas mehr als die Hälfte.
Erstaunlicherweise fand vor der Corona-Krise nur in jedem fünften IT- und Kommunikations-Unternehmen flexibles Arbeiten breite Anwendung. Nun geht jedes zweite Unternehmen davon aus, dass 20 Prozent der Mitarbeitenden künftig regelmäßig im Homeoffice arbeiten. Im Verarbeitenden Gewerbe arbeiteten vor der Pandemie nur in jedem vierten Unternehmen Beschäftigte regelmäßig von zu Hause. Nun sind es fast doppelt so viele.
Wenn alle im Homeoffice sind, spielt Präsenz plötzlich eine untergeordnete Rolle. Vor der Corona-Krise schwang in Befragungen zum Homeoffice immer die Angst mit, übersehen zu werden, wenn man nicht regelmäßig im Büro sitzt. Das und der Eindruck, dass Menschen, die lange im Büro sitzen auch mehr arbeiten, spielt in den jüngsten Studien keine Rolle mehr.