nächster Artikel vorheriger Artikel
02.04.2024
Nahkauf fördert Artenvielfalt
4.500 Nistkästen für Meise, Spatz und Co.
02.04.2024
Langjährige Lücken geschlossen
Paolos nahkauf-Boxen sichern die Nahversorgung
ArticleId: 4508magazineCorona hat viel verändert – auch in der Arbeitswelt. Der Twist zum Homeoffice ist einerseits segensreich. Andererseits fördert er Einsamkeit und Isolation unter den Mitarbeitenden – so die Beobachtung von Dagmar Rümmler, seit vielen Jahren Betriebsrätin und Suchtbeauftragte bei DERTOUR Deutschland in Frankfurt.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/8/0/csm_Teaser_webphotographeer_512b55f1ec.jpg„Wir sind nicht die Polizei!“Betriebliche Suchtbeauftragte, Teil 3
© webphotographeer - Getty Images
Betriebliche Suchtbeauftragte, Teil 3
„Wir sind nicht die Polizei!“
von Sylvia Hannstein

Corona hat viel verändert – auch in der Arbeitswelt. Der Twist zum Homeoffice ist einerseits segensreich. Andererseits fördert er Einsamkeit und Isolation unter den Mitarbeitenden – so die Beobachtung von Dagmar Rümmler, seit vielen Jahren Betriebsrätin und Suchtbeauftragte bei DERTOUR Deutschland in Frankfurt.

Dagmar Rümmler Dagmar Rümmler kümmert sich, wenn Suchtgefahr oder erhöhte psychische Belastungen bei Kolleg:innen merk- oder denkbar – und an sie herangetragen – werden. „Wir dürfen in unserer Funktion als Suchtbeauftragte erst aktiv werden, wenn wir ausdrücklich von den Betroffenen oder Kolleg:innen darauf angesprochen werden“, erzählt sie. „Das lernt man ganz früh in der Ausbildung zur Suchtbeauftragten. Und es ist ja auch richtig. Schließlich sind wir nicht die Polizei!“

Sich dem Thema zu stellen, ist für die Betroffenen meist eine riesige Herausforderung. „Vielen fällt es ungeheuer schwer, zuzugeben, dass sie ernste Probleme haben“, weiß Dagmar Rümmler aus ihrer langjährigen Erfahrung. „Das tut mir so leid! Ich sage dann: Beschäftigt euch damit! Kommt und redet. Und wenn ihr merkt, es geht nicht mehr: Es ist keine Schande! Es ist überhaupt nicht schlimm. Es gibt Kollegen, die entschuldigen sich geradezu dafür, dass sie krank waren oder sind.“

Ein entscheidendes Angst-Kriterium: Die Sorge um den Arbeitsplatz. „Gerade, wenn es um psychische Belastungen, und vielleicht daraus resultierende Medikamentenabhängigkeiten geht, ist der Gedanke oft: Wenn ich jetzt länger nicht mehr richtig funktioniere, bin ich meinen Job los.“

Die Sorge, wegen längeren Ausfalls den Arbeitsplatz zu verlieren, sei bei  DERTOUR Deutschland unbegründet, ist Rümmler überzeugt: „Wir haben einen  sehr sozialen Arbeitgeber. Ich habe es am eigenen Leib erlebt, als ich vor Jahren wegen schwerer Bandscheibenvorfälle fast anderthalb Jahre ausgefallen bin. Ich habe mir damals um alles Mögliche Sorgen gemacht. Aber nie um meinen Arbeitsplatz.“

„Nicht nur der Weg in die Krankheit ist oft ein langer. Sondern eben auch der Weg daraus.“Dagmar Rümmler Für mehr Verständnis, gerade für „nur“ psychische Probleme bei Mitarbeitenden, trommelt Dagmar Rümmler dennoch. „Obwohl das Thema ‚Burnout‘ heute nicht mehr nur als Modekrankheit abgetan wird – dafür ist es inzwischen auch viel zu präsent – herrscht noch oft die Einstellung, dass der- oder diejenige nach ein paar Wochen Ruhe schon wieder fit sein werde.  Dabei ist ja nicht nur der Weg in diese Krankheit oft ein langer. Sondern eben auch der Weg daraus. Es ist viel mehr als nur ein bisschen überarbeitet, übermüdet und unfit sein.“

Das Thema ‚Sucht‘ ist ein sehr weites Feld, findet Dagmar Rümmler. „Raucher:innen werden zum Beispiel heutzutage meist schräg angeschaut und unisono als ‚Süchtige‘ bezeichnet. Das Glas Wein in der Hand gehört bei vielen Anlässen selbstverständlich dazu – da fällt es eher auf, wenn man nichts trinkt. Alkohol ist und bleibt leider immer noch eine gesellschaftlich akzeptierte und gelebte Droge.“

Doch auch wenn bislang kein explizit benanntes Suchtproblem auf ihrem Tisch gelandet ist: Gespräche werden oft gesucht. „Viele Kolleg:innen brauchen auch einfach mal ein Ohr. Besonders, wenn es um psychische Belastungen geht. Dann höre ich zu, biete Hilfe an. Meist wird das nicht als notwendig empfunden. Doch Wochen später kommt der- oder diejenige manchmal noch mit einem Dankeschön bei mir vorbei: Es habe gutgetan, einfach mal über seine Sorgen reden zu können. Allerspätestens dann weiß ich wieder, warum ich diesen Job so wichtig finde!“

Erfahrt mehr zum Thema von unseren betrieblichen Suchtbeauftragten

Warum es so wichtig ist, dass das Thema „Sucht" endlich kein Tabu mehr ist, erzählt uns Claudia Kottke-Kynast, Betriebsratsvorsitzende der Region Ost bei toom Baumarkt, und seit 2012 betriebliche Suchtbeauftragte für toom-Mitarbeitende, hier in one im Gespräch.

Hinsehen statt wegschauen, ansprechen statt schweigen, handeln statt Schulterzucken: Wie Kolleg:innen und Führungskräfte Suchtbetroffene unterstützen können,  berichten mit Andreas Heimhöfer und Ines Popp zwei unserer erfahrenen betrieblichen Suchtbeauftragten in unserem zweiten Teil der Mini-Serie.

Mein Kommentar
Kommentieren
Newsletter
Artikel weiterempfehlen

Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen?
Dann empfehlen Sie ihn doch Ihren Kollegen weiter.