nach oben
nach oben
CO2-Steuer
Urlaub nur noch für Reiche?
von Sylvia Hannstein und Tobias Jüngert

Klima-Aktivisten fordern sie, und in der Politik sorgt sie für Diskussionsstoff: Eine CO2-Besteuerung für mehr Klimaschutz. Doch hilft diese Maßnahme dem Klima wirklich? Und was wären mögliche Konsequenzen für den Urlaub? Sören Hartmann, CEO der DER Touristik Group, gab im Gespräch mit der Wirtschaftswoche Antworten auf diese Fragen. Jetzt kündigte die deutsche Luftfahrt laut F.A.Z. einen Maßnahmenplan an, damit die „luftverkehrsbedingten CO2-Emissionen auf null sinken". one hat bei Sören Hartmann nachgehakt.

one: Herr Hartmann, so die CO2-Steuer kommt – was passiert dann mit den Reisepreisen?
Sören Hartmann:
Flüge und Flugreisen werden definitiv teurer werden. Der Steuersatz wird auf den Reisepreis aufgeschlagen werden – anders ist das mit Blick auf die geringen Margen nicht zu machen. Wie teuer so etwas werden könnte, rechnen einem bereits heute sogenannte „CO2-Kompensationsrechner“ vor. Denn es gibt ja jetzt schon die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Abgaben für den Klimaschutz zu leisten, wenn man eine Reise oder einen Flug bucht. Auf der Nahstrecke kann das die Hälfte des Preises für ein Billig-Ticket sein. Gerade wer so billig wie möglich fliegen möchte, ist zu dieser freiwilligen Kompensation nicht bereit. Nur ein kleiner Bruchteil der Passagiere entscheidet sich dafür. Sören Hartmann

one: Das heißt, eine CO2 Steuer wird nicht funktionieren?
Sören Hartmann:
Sie würde den Wettbewerb verzerren und die unteren Einkommensgruppen am stärksten treffen. Wenn eine CO2-Steuer nur national eingeführt wird, dann bringt sie deutsche Unternehmen in Gefahr, denn viele Kunden werden ohne Zögern abwandern zu ausländischen Unternehmen. Flüge zum Beispiel werden dann eben für ausländische Abflugorte bei ausländischen Portalen oder bei den Airlines direkt gebucht, um die deutsche CO2-Steuer zu umgehen. Das hilft dem Klimaschutz überhaupt nicht. Und was ist mit Urlaubsreisen? Hier sind so viele Familien und Kleinverdiener betroffen, die jetzt schon mit ihrem Urlaubsbudget am Limit sind. Für sie wird Urlaub dann möglicherweise unerschwinglich werden. Wer hingegen ein dickeres Portemonnaie hat und ohnehin viel fliegen kann, der hat finanziell auch mit der CO2-Steuer keinen Druck sich einzuschränken. So wird Reisen wieder zu einem Luxusgut. Das ist nicht das, wofür wir als DER Touristik und damit als Touristiksparte der REWE Group eintreten. 

one: Gäbe es denn in Ihren Augen eine praktikable Lösung? In der Wirtschaftswoche hatten Sie ein sehr plakatives Beispiel…
Sören Hartmann:
Sie meinen den Kühlschrank? Ja, wenn Sie sich zum Beispiel einen neuen Kühlschrank kaufen, achten sie bestimmt auf Energieeffizienz, oder? Am besten kommt ein „A+++“ ins Haus. Bei der Energieeffizienz von Elektrogeräten gibt es eine einfache, plakative Kennzeichnung, die zu einem umweltbewussten Kauf anreizt. Das geht auch bei Reisen! Aufklärung der Kunden über Fragen zu den Klimaeffekten der geplanten Reise, Kompensationsmöglichkeiten und der konkreten Verwendung von CO2-Kompensationen, das gehört dazu, damit sich mündige Verbraucher bestmöglich entscheiden können. „Reisen sind aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Es geht nicht darum, sie zu verbieten, sondern sie anders zu planen, zu organisieren und durchzuführen.“Sören Hartmann

one: Gerade ist in der F.A.Z zu lesen, die deutsche Luftfahrt wolle mit einem Maßnahmenplan ihre Kritiker besänftigen. Sie wolle erreichen, „dass die luftverkehrsbedingten CO2-Emissionen auf null sinken“. Die Branche will demnach außerdem eigene Mittel einsetzen - für Alternativen zu herkömmlichem Kerosin, so die F.A.Z.. Was halten Sie davon?
Sören Hartmann:
Das geht absolut in die richtige Richtung. Auch die Luftfahrtunternehmen haben bereits viel getan, um den Schadstoffausstoß je Personenkilometer zu reduzieren. Viel besser als jede Strafsteuer ist, konkret zu handeln und die Emissionen weiter zu senken. Wenn sich Airlines, Flugzeugbauer, Zulieferer und Energieunternehmen zusammentun, um nach anderen technischen Möglichkeiten zu suchen, dann ist dem Klima wirklich geholfen. 

one: Ein Maßnahmenplan der Luftfahrtbranche würde zu der Ankündigung einer Tourismus-Strategie der Bundesregierung passen…
Sören Hartmann:
In diese Strategie setzte ich große Hoffnungen! Es ist das erste Mal in der Geschichte unseres Landes, dass die Bundesregierung eine Tourismus-Strategie angekündigt hat. Das ist eine ganz große Chance, sinnvolle Rahmenbedingungen auch für ein möglichst klimafreundliches Reisen zu schaffen. Denn eine Welt ganz ohne Reisen kann sicher nicht nur ich mir nicht vorstellen. Reisen führt Menschen zusammen, weitet den Horizont und es bringt den Ländern Wohlstand. Jetzt geht es darum, Wege zu finden, sowohl dem Klima zu helfen, als auch diesen so enorm wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung aufrecht zu erhalten.

one: Auf den Punkt gebracht: Worauf kommt es bei einer klimafreundlichen Ausrichtung des Reisens an?
Sören Hartmann:
Auf Professionalität und Mut. Mit Professionalität meine ich, dass wir alle unvoreingenommen auf die Fakten schauen müssen. Es geht darum, den Klimaeinfluss der gesamten Mobilität zu hinterfragen, ganz gleich, ob es um das tägliche Pendeln, Geschäftsreisen, Ausflüge oder um Urlaub geht. Mut brauchen wir alle, als Verbraucher und als Industrie, die Veränderung selbst zu treiben. Reisen sind aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Es geht nicht darum, sie zu verbieten, sondern sie anders zu planen, zu organisieren und durchzuführen. 

Anm. der Red.: Das Interview mit Sören Hartmann in der Wirtschaftswoche lesen Sie hier

Mein Kommentar
Kommentieren
Kommentare
Torsten Hamper
vor 5 Jahren und 2 Monaten

Der Fokus liegt in den Fragen auf dem Klima. Aber die Antworten gehen zum Teil daran vorbei und schildern keine wirkliche Kehrtwende hin zum Klimaschutz: "Wenn Sie sich zum Beispiel einen neuen Kühlschrank kaufen, achten sie bestimmt auf Energieeffizienz, oder?" - Ja, das tut der Kunde, weil es ihn täglich mehr Geld kostet, wenn er einen ineffizienten Kühlschrank kauft. Da kann man schnell ausrechnen, dass sich die 50-100 EUR mehr in drei Jahren amortisiert haben. Wer mehr Geld "nur des Klimas wegen"(und nicht aus Eigennutz) ausgibt, ist dann der weiter oben genannten Fraktion zuzuordnen, die eh schon freiwillig die CO2-Kompensation zahlen würden - nach eigener Aussage ist das aber nur ein Bruchteil. Warum sollte also der Großteil der Reisenden eine teurere / kürzere / andere Reise der Kategorie A++ buchen, wenn doch die Wunschreise der Kategorie C günstiger oder eben doch die Traum-Destination am anderen Ende der Welt ist?

Punkt 2: "Das ist eine ganz große Chance, sinnvolle Rahmenbedingungen auch für ein möglichst klimafreundliches Reisen zu schaffen. [...] Jetzt geht es darum, Wege zu finden, sowohl dem Klima zu helfen. [...]." Die Formulierung klingt so, als wäre dann alles gut und das Klima sogar besser. Es muss aber heißen: "Das Klima etwas weniger stark zu schädigen."

Wie erwähnt, löst das nicht das Problem der erschwinglichen Reisen vs. Klimaschutz. Und da kann jeder eine andere Meinung haben. Aber wenn der Fokus im Artikel schon auf dem Klima liegt - mit den oben aufgeführten Maßnahmen ist keine Kehrtwende für das Erreichen von Klimazielen zu erreichen. Maximal eine "leichte Optimierung", die aber wahrscheinlich durch den wachsenden Reisemarkt mehr als aufgefressen wird.

Kommentieren
Auch interessant
Newsletter