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Lesedauer: 7 Minuten
DER Touristik: Neue Strategie
„Teamarbeit ist die Basis unseres Erfolgs“
von Sylvia Hannstein und Tobias Jüngert

Knapp 100 Tage ist Dr. Ingo Burmester im Amt, nun präsentiert der neue DER Touristik Central Europe-Chef die künftige Strategie. Sie soll der DER Touristik in ihren Kernmärkten Deutschland, Österreich und der Schweiz neues Wachstum eröffnen. Ein neues Reservierungssystem, ein neues Markenkonzept, neue Formen der Zusammenarbeit: Im Gespräch mit one verrät Burmester, was sich ändern wird. Und warum er unbedingt auf neue Technik, Team und Transparenz setzt.

Um den heißen Brei herumreden ist nicht seine Sache. Ingo Burmester, seit Juni CEO DER Touristik Central Europe, findet in der Regel deutliche, verbindliche Worte – auch an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Viele Themen haben unser Geschäft unter Druck gesetzt: die Digitalisierung, der Trend zum Online-Direktvertrieb, politische Umbrüche, Klimawandel, neue technologische Entwicklungen und der Markteintritt neuer Reiseanbieter. Wir sind heute noch nicht so schnell, so digital, so agil aufgestellt, wie wir es sein müssten. Doch das werden wir ändern.“ 

So offen und selbstkritisch wandte sich Burmester vergangene Woche an seine Mitarbeiter und an die Führungskräfte. Die kennen das schon: Immer wieder meldet sich Ingo Burmester über Compass, das Social Intranet der DER Touristik. Zum Beispiel von Führungskräfte-Workshops, er schickt Selfies von sich und dem Team, postet dazu Grüße, und vor allem auch erste Ergebnisse. Diese Nähe kommt an: Viele Likes, viele Kommentare, häufig sogar Diskussionen, Rückfragen und Einwürfe im hauseigenen Netz zeigen, dass der Aufruf auf offene Ohren stößt.

Viel Transparenz bewies Ingo Burmester auch, als er seinen Mitarbeitern jetzt die angekündigte, neue Strategie für die DER Touristik Deutschland vorstellte. Ingo Burmester ist René Herzogs Nachfolger, von dem er nach gemeinsamer Übergabe das Staffelholz direkt übernommen hat. Nach gerade dreieinhalb Monaten legt er nun vor. Im Gespräch mit one erläutert Ingo Burmester, wie er die Reiseveranstalter, die Reisebüros und den Reise-Onlinevertrieb der DER Touristik in Deutschland für den tobenden Wettbewerb in der Touristik seefest machen möchte. Und er erklärt, warum ihm kaum etwas über Teamwork und Transparenz geht. Auch wenn das manchmal weh tun könne.

one: Herr Burmester, im Fachmagazin fvw kündigten Sie kürzlich an, der schlafende Riese DER Touristik werde bald erwachen. Vergangene Woche haben Sie Ihren Mitarbeitern die neue Strategie vorgestellt. War das der endgültige Weckruf?
Ingo Burmester:
Das Bild vom schlafenden Riesen nutze ich bewusst. Die DER Touristik ist in Deutschland inzwischen die Nummer zwei unter den Reiseunternehmen. Doch wer weiß das, und wie nutzen wir diesen Vorteil? Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir mit unseren vielen Unternehmen hierzulande gemeinsam denken und handeln, dann stärkt dies unsere Stellung am Markt deutlich. Und das Wichtigste ist: Wir können dann unseren Kunden viel bessere Produkte, Preise und Services anbieten. 

one: Lange wurde spekuliert, nun ist es offiziell: Die DER Touristik verabschiedet sich von ihrem selbst entwickelten Reservierungssystem Phoenix unlimited sowie vom Reservierungssystem Blank. Und steigt um auf die Vertriebsplattform Atcom. Ist das ein Grund zum Feiern, oder tut der Schritt auch ein bisschen weh? Schließlich hat die DER Touristik über viele Jahre sehr viel Geld und Arbeitskraft in Phoenix investiert.
Ingo Burmester:
 Dieser Schritt ist ein Erfolg und ein Schmerz zugleich. Ein Erfolg, weil wir mit Atcom eine Vertriebs- und Reservierungsplattform einführen werden, die uns komplett vom Hotel und der Airline bis zum Endkunden im Reisebüro und im Internet noch viel besser vernetzt. Ein Schmerz, weil in der Eigenentwicklung Phoenix unlimited viel Herzblut, Zeit und Expertise unserer Mitarbeiter steckt, und eben auch viel Geld. Unsere Wegbegleiter bei der REWE Group wissen das genau. Umso mehr schätze ich, dass der Vorstand unseren Entschluss unterstützt. Wenn man bei der Digitalisierung nicht die Schnelligkeit, die Funktionalitäten und die Benutzerfreundlichkeit erreicht, auf die es ankommt, dann muss man seinen Kurs korrigieren. Was mir hier unter dem Dach der REWE Group jetzt schon auffällt, ist der Weitblick, mit dem geplant und entschieden wird.

„Wenn man bei der Digitalisierung nicht die Schnelligkeit, die Funktionalitäten und die Benutzerfreundlichkeit erreicht, auf die es ankommt, dann muss man seinen Kurs korrigieren.“
Ingo Burmester

one: Zwischen Winter 2021/22 und Winter 2022/23 soll die Umstellung von Phoenix und Blank auf Atcom vollzogen werden. Das klingt sehr ehrgeizig. Wie viele Mitarbeiter müssen Sie bis dahin umschulen?
Ingo Burmester:
Wir starten bereits jetzt, unsere Mitarbeiter und Führungskräfte schrittweise so weit wie möglich in das Projekt einzuführen und einzubinden. Bis zum Start werden alle Mitarbeiter, die das System für ihre Arbeit brauchen, geschult sein. Ein großer Unterschied zu unserer vorherigen Eigenentwicklung ist: Unser künftiges System gibt es schon. Wir müssen es noch anpassen und können dann starten. 

one: In Deutschland sind Sie nach wie vor mit sechs Veranstalter-Marken unterwegs – mit durchaus unterschiedlichem Erfolg. Wird es dennoch bei den sechs Veranstaltern Dertour, ITS, Jahn Reisen, Meiers Weltreisen, ADAC Reisen und Travelix bleiben?
Ingo Burmester:
Viele Marken unter einem Dach – dieses Konzept war zurecht lange Zeit das Erfolgsrezept der DER Touristik in Köln und Frankfurt. Die sechs Marken sind für die Reisebüros, über die bislang die meisten Reisen gebucht werden, eine wichtige Orientierung. Aber machen wir uns nichts vor: Wir, die Verbraucher, ändern unser Verhalten. Wir alle buchen auch Flüge, Bahnfahrt, Mietwagen, Hotel oder ganze Reisen online, in Hotels einer unserer drei Marken oder in anderen Häusern. Der Haken ist: In der Regel erkennen unsere Gäste nicht, dass sie sowohl im Reisebüro, online, beim Veranstalter und im Hotel Leistungen von uns erhalten. Und unsere Vertragspartner tun sich auch schwer damit. Es fehlt uns an Sichtbarkeit. Das werden wir angehen, und zwar gut durchdacht und gut erklärt.

one: Marken stehen doch für ein Leistungsversprechen und für eine Organisation. Passt Ihr Plan zur Struktur der DER Touristik in Deutschland?
Ingo Burmester:
Das ist ein guter Punkt! Schon vor meiner Zeit hat sich die DER Touristik Group mit dem Projekt Gemini unter dem Dach der REWE Group eine Teilkonzernstruktur gegeben. Das war ein sehr wichtiger Schritt. Jetzt geht es darum, dass unser Veranstalter, unser Reisebüro- und unser Online-Vertrieb wie ein Unternehmen denken und handeln. Das ist ein wichtiger, unverzichtbarer Schritt, der alle fordert, von den Mitarbeitern bis zur Geschäftsleitung. Ich erlebe aktuell so viel Engagement, Mitwirkung und Verständnis, dass ich meine: es hat klick gemacht. 

„Ich sehe die Aufgabe meines Management Teams und von mir darin, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und unserer Crew eine Richtung zu geben.“
Ingo Burmester

one: Eine weitere Botschaft an Ihre Mitarbeiter ist, dass Sie die Zusammenarbeit anders gestalten möchten. Offener Dialog, Transparenz und Teamarbeit sind nur einige Ihrer Stichworte. Den ersten Schritt, so Ihre Ankündigung, machen Sie als Geschäftsleitung. Was bedeutet das konkret?
Ingo Burmester:
 Teamarbeit – das ist für mich kein weiches Thema. Das ist für mich die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen. Ich möchte, dass wir einander unterstützen, und wenn etwas in die Bux‘ geht, auch einander helfen. In der Touristik schmiedet man immer Pläne für eine Zukunft, die man nicht genau kennen kann. Umso wichtiger ist, dass sich das Team jederzeit gut austauscht und dort unterstützt, wo es hakt. Was dabei unverzichtbar ist: dass wir unsere Gedanken klar vertreten und einander jederzeit Feedback geben. Die Hierarchieebene kann und wird dabei keine Grenze sein.

Ich gebe meiner Mannschaft aber noch einen anderen Gedanken mit: Fehler dürfen wir machen. Einmal. Wiederholt sich ein Fehler, wird er zur Schwäche. Auch das ist kein Lehrbuchgerede sondern meine persönliche Überzeugung und meine Erfahrung. Fehlerkultur bedeutet, Fehlentscheidungen zu benennen, zu analysieren und zu korrigieren. Dazu bin ich selbst bereit und ich erwarte dies auch von jedem einzelnen Mitarbeiter, von jeder Führungskraft und von jedem Geschäftsführer.

one: Nun haben Sie auf ihrem beruflichen Weg schon unterschiedliche, sehr bekannte Unternehmen der Reisebranche geführt. Was ist anders an der DER Touristik?
Ingo Burmester:
Ich bin von unserem Unternehmen sehr überzeugt. Wir haben den größten und den profitabelsten Reisevertrieb in Deutschland. Wir haben einen sehr erfahrenen Reiseveranstalter mit starken Marken, die es noch zu ordnen gilt. Und wir haben Mitarbeiter, die für das Reisen brennen und sich für unsere Kunden quer legen. Das ist doch großartig. Organisation, Technik und Zielsetzung – hier setzen wir bei der Neuausrichtung an. Ich sehe die Aufgabe meines Management Teams und von mir darin, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und unserer Crew eine Richtung zu geben. Das haben wir mit der Entscheidung über unser Reservierungssystem getan, und wir werden es bei den weiteren Themen genauso machen. Wir handeln. Als Team!

Dr. Ingo Burmester (52) startete seinen Werdegang als Berater von ATKearney, dann als Manager für die TUI Gruppe. Zu seinen Stationen bei TUI Deutschland zählten unter anderem die Leitung der Fachbereiche Flug, Clubprogramme, Kapazitätsmanagement und die Geschäftsführung TUIfly Vermarktungs GmbH. Danach war Ingo Burmester sechs Jahre als CEO Robinson Club tätig. 2017 wechselte der Ingenieur und Touristiker zu Thomas Cook, war dort zunächst Geschäftsführer Thomas Cook Hotels & Resorts, bevor er zum Geschäftsführer Thomas Cook UK & Ireland berufen wurde.

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