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ArticleId: 777magazineAlinx Jean-Baptiste von der Kindernothilfe Haiti beschreibt im one_Interview die aktuelle Lage in einem Haiti ohne Präsidenten – und erklärt, warum die Arbeit mit Schul- und Restavek-Kindern in der politischen Ausnahmesituation wichtiger ist denn je.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/6/2/csm_Haiti_0216_mgt_standard_bc4a4f3f4d.jpgKindesschutz in Zeiten der KriseHaiti-Hilfsprojekte
Besonders in Krisenzeiten bieten die Projekte der Kindernothilfe den Kindern Struktur und Sicherheit
Haiti-Hilfsprojekte
Schulbildung, Schutz und warme Mahlzeiten
von Bettina Rees
Kindesschutz in Zeiten der Krise: Alinx Jean-Baptiste von der Kindernothilfe Haiti zur aktuellen Lage in einem Haiti ohne Präsidenten und warum die Arbeit mit Schul- und Restavekkindern in der politischen Ausnahmesituation wichtiger ist denn je.

Seit mehreren Monaten steckt Amerikas Armenhaus Haiti auf Grund des Hickhacks um die Wahl eines neuen Präsidenten in einer tiefen politischen Krise: Der bisherige Präsident Michel Martelly ist am 7. Februar nach Beendigung seiner Amtszeit verfassungsgemäß abgetreten - ein Nachfolger ist jedoch nicht in Sicht. Denn nach dem ersten Urnengang zur Wahl eines neuen Präsidenten im Oktober 2015 erhob eine Untersuchungskommission den Vorwurf der Wahlmanipulation zugunsten des regierungsnahen Kandidaten. Eine zweite Runde der Präsidentenwahl im Januar musste daraufhin verschoben werden, da die Opposition und ihr Präsidentschaftskandidat statt der geplanten Stichwahl Neuwahlen fordern - dafür organisierte sie in den vergangenen Wochen mehrmals Demonstrationen. Vor allem in der Hauptstadt Port-au-Prince, wo die REWE Group seit dem Erdbeben 2010 das Collège Verena unterstützt,  kam es dabei immer wieder zu Ausschreitungen. Was das für die Projekte und die Kinder bedeutet, fragte one Alinx Jean-Baptiste, Leiter der Kindernothilfe Haiti.
one: Alinx, die Präsidentschaft von Michel Martelly ist wie geplant, jedoch ohne Nachfolger, zu Ende gegangen. Nun soll es eine Übergangsregierung unter Interimspräsident Jocelerme Privert schaffen, das Land zu beruhigen bis zur zweiten Runde der Präsidentenwahl am 24. April. Wie ist aktuell die Stimmung in Haiti, insbesondere in der Hauptstadt Port-au-Prince?
Alinx Jean-Bapiste: Momentan ist die Situation in der Hauptstadt weitgehend ruhig. Nach dem fristgerechten Ausscheiden des Präsidenten Michel Martelly aus dem Amt wurde zu einer sogenannten politischen trêve (Ruhezeit) aufgerufen. Seitdem gab es keine Demonstrationen mehr in der Hauptstadt, da die Opposition erst einmal froh ist, dass Martelly weg ist.
Der frisch ernannte Übergangspräsident Jocelerme Privert soll nun für 120 Tage eine Übergangsregierung leiten. Deren Hauptaufgabe wird es sein, den Wahlprozess fortzusetzen. Dieser Prozess ist jedoch sehr strittig, weil die Opposition mit dieser Lösung nicht einverstanden ist.
Zu einer leichten Entspannung der aufgeheizten Stimmung in Port-au-Prince hat in der vergangenen Woche die Karnevalsstimmung in der Hauptstadt beigetragen. Der Karneval dauert bei uns drei Tage bis einschließlich Aschermittwoch und verlief ohne bedeutende Zwischenfälle. Jetzt müssen wir abwarten, ob sich die Situation wieder verschärft.
one: Sowohl das Collège Verena als auch die beiden Restavek-Projekte, die nun von der REWE Group unterstützt werden, liegen in der Hauptstadt, wo es immer wieder zu Demonstrationen und Unruhen kam. Wie empfinden insbesondere die Kinder die Situation um sie herum? Gibt es für sie derzeit einen „normalen“ Alltag in der Schule und in den Projekten?
Alinx Jean-Baptiste: Im Februar hatte Haiti zehn Tage Schulferien wegen Karneval. Die Kinder blieben mit ihren Familien zu Hause und waren sicher. Sie wünschen sich natürlich Frieden, damit sie in Ruhe lernen und zur Schule gehen können. Leider müssen sie zu Hause bleiben, wenn es Unruhen gibt. Für uns bedeutet das: Wir müssen jeden Tag die Sicherheitssituation neu abschätzen.

Die Demonstrationen starten oft in der Nähe vom Collège Verena und dem Viertel Tokyo, wo sich eines unserer Restavek-Projekte befindet. Es kommt vor, dass man die Kinder früher nach Hause schickt, wenn es bei den Demonstrationen zu Ausschreitungen kommt und die Sicherheit der Kinder nicht gewährleistet werden kann.
Alinx Jean-Baptiste, Foto: Kindernothilfe e.V.
one: Was denken Sie: Wie geht es in den kommenden Monaten weiter, für das Land, für die Kindernothilfe-Projekte, für die Kinder?
Alinx Jean-Baptiste: Das ist schwer abzuschätzen. Zwar ist Präsident Martelly ordnungsgemäß zum Ende seiner Amtszeit zurückgetreten.

Aber es ist schwierig, einen Nachfolger zu finden, der von den meisten Politikern akzeptiert wird. Die Gefahr bleibt, dass Unruhen und Chaos entstehen, wenn die Politiker sich nicht schnell einigen können, um den Wahlprozess friedlich zu beenden.

Fast alle Bereiche der Zivilgesellschaft rufen nach einer friedlichen Lösung der Krise, auch aus ökonomischen Gründen. Denn während der gewalttätige Wahlkampf immer länger dauert, wird die wirtschaftliche Lage von Haiti immer schlechter. Unsere Währung, die haitianische Gourde, hat innerhalb kurzer Zeit 30 Prozent an Wert verloren. Zurzeit entspricht ein Euro 67 Gourdes.
Fast alles wird importiert; Haiti produziert und exportiert wenig. Deshalb sind auch die Lebensmittelpreise sehr hoch. Wir haben eine Arbeitslosigkeitsquote von 70 Prozent! Mehr als drei Millionen Haitianer leben unter der Armutsgrenze, das heißt, sie haben weniger als zwei US-Dollar pro Tag zum Leben.     

Die Kindernothilfe-Projekte sind auch von der Krise betroffen. Wenn es Unruhen gibt, dann können die Aktivitäten nur begrenzt stattfinden. Trotzdem: Je schwerer die Krise ist, desto wichtiger sind diese Projekte für die Kinder. Da der Staat fehlt, müssen die Projekte die Kinder weiterhin begleiten und ihnen Struktur und Sicherheit bieten. Neben der Bildung sind die Mahlzeiten, die sie in den Projekten erhalten, ganz wichtig für die Kinder.
Wir hoffen, dass die Kinder das Schuljahr 2016 gut abschließen können! Dafür braucht das Land Politiker, die an die Zukunft der Kinder denken.
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