So tickt der Handel
Ice Ice Baby
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Euro-Krise, Konjunkturabkühlung, Arbeitslosenzahlen - all das interessiert die Verkäufer von Speiseeis nur am Rande. Für sie ist vor allem eins wichtig: Wie wird das Wetter? Je mehr Sonne, desto besser. Denn mit den Temperaturen steigt auch die Lust der Verbraucher auf Eis. "Wenn es heiß ist, verkaufen wir in den Märkten gut 50 Prozent mehr als an normalen Tagen". meint Roger Kurzawa, Category Manager Vollsortiment Tiefkühlkost.
Endlich Sommer! Seitdem die Temperaturen Ende Juni mehrfach auf über 30 Grad gestiegen sind, herrscht in der Eisbranche gute Stimmung. Nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Hersteller schon bald wieder Sonderschichten einlegen muss, um die hohe Nachfrage zu bedienen. „Es fängt an, knapp zu werden", beobachtet Kurzawa. Die Lager leeren sich, und wenn die Hitzewelle noch einige Wochen anhält, wird mancher Hersteller wohl Sonderschichten einlegen. So wie Langnese 2010 in seinem Werk in Heppenheim. Dort liefen die Maschinen damals mehrere Wochen von montags bis samstags rund um die Uhr. Jeden Tag verließen 50 Lastwagen, vollgepackt mit 1.500 Paletten Eis, das Werksgelände. Rekord. Mehr ging nicht.
Die Manager in den Märkten der REWE Group müssen in diesen Wochen ein feines Gespür dafür entwickeln, wie viel Eis nachgefragt werden könnte und entsprechend disponieren. „Von der Zentrale können wir das nicht steuern“, sagt Cem Baskin, Beauftragter. Kurzfristig zu reagieren ist für die Kollegen vor Ort manchmal schwierig.
Denn Eis wird in den Märkten nicht jeden Tag angeliefert. So kann es passieren, dass die Marktleiter an heißen Tagen für bestimmte Sorten auch schon einmal „Ausverkauft“ melden müssen. Überhaupt der Transport. Wenn die Temperaturen steigen und alle Händler Ware ordern, werden schnell auch die Lieferkapazitäten knapp.
Auch wenn das Geschäft derzeit gut läuft - ein Rekordjahr wird 2015 kaum werden. 8,7 Liter lautet die Zahl, die dafür zu übertreffen wäre. So viel Eis schleckte jeder Bundesbürger nach Angaben des Eis Info Service des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) 2003. Damals gab es Tage, an denen Markenhersteller wie Langnese oder Schöller an einem einzigen Tag mehr Eispackungen verkauften als in einem ganzen Herbstmonat. Im vergangenen Jahr dagegen ließen sich die Verbraucher vergleichsweise selten zum Eisessen verführen. Kühles und regnerisches Wetter sorgte dafür, dass der Eiskonsum nur 7,8 Liter betrug.
Küsse und Verführungen
Keine Eissaison ohne neue Kreationen. Zu den Trendangeboten in diesem Jahr zählen nach Auskunft des BDSI unter anderem Erdbeer- Baiser-Kuss, Zarte Pistazien-Verführung, Kirsch-, Haselnuss- oder Kaffeemoment, Panna Cotta Himbeere, Heidelbeer-Sahne und Sahne-Baiser- Johannisbeere. Die Rangliste der beliebtesten Eissorten führen dagegen nach wie vor Klassiker an: Vanille, Schokolade, gefolgt von Erdbeere. „Vor allem bei Haushaltspackungen greifen die Verbraucher am liebsten zu den Klassikern. Bei Multipacks dagegen sind sie experimentierfreudiger“, beobachten Kurzawa und Baskin.
In diesen Wochen haben die beiden REWE- Manager zahlreiche Verkostungstermine mit Lieferanten von Handelsmarken. Es gilt, die Eissorten für 2016 zu bestimmen. Was wird dann in den Truhen liegen? „Das ist noch geheim“, betonen Kurzawa und Baskin. Nur so viel verraten sie: „Veganes Eis wird im nächsten Jahr ein Thema sein.“
Sortimentsanteile am Gesamtabsatz von Markeneis 2013
Speiseeismarkt Deutschland
Erst Wetterbericht, dann Eisdisponierung
Artur Bobb, Region West, als Category Management Assistent im Bereich Tiefkühlkost auch zuständig für das Thema Eis, über Warenbeschaffung, Wetter und Weltmeisterschaft
„Unser Bereich ist für die Warenbeschaffung zuständig. Wir sind also Tag für Tag damit beschäftigt, Eis für unsere Märkte zu bekommen, was diese dann montags bis freitags abrufen können.
Eis wird das ganze Jahr über nachgefragt, aber natürlich gibt es Spitzenzeiten. Sommer, Hitze oder wie im vergangenen Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft: Da verbuchen wir einen exorbitanten Anstieg der Abverkäufe. Die langjährigen Erfahrungswerte geben uns Anhaltspunkte für die Disposition. Natürlich lassen sich Hitzewellen nicht voraussagen, aber Sommerverläufe liest man schon aus den Vorjahreszahlen. Und natürlich ist eine weitere wichtige Quelle der Wetterbericht. Wir schauen im Sommer täglich vor allem auf die langfristigen Wetterprognosen, die einen Überblick über 14 Tage geben. Denn unsere Märkte bestellen etwa drei Tage im Voraus, wir wiederum müssen eine Woche Vorlauf haben, damit wir die Lagerbestände hochfahren können.
Ein Sommer kündigt sich ja peu à peu an, und so fahren wir die Lagerbestände für Eis auch peu à peu hoch. Die Hitzewelle vor wenigen Wochen stellte uns jedoch vor die Herausforderung, dass sich die Eistruhen in den Märkten leerten, die Lagerbestände aber abnahmen. Und die Lieferanten, die ja auch einige Wochen Produktionsvorlauf brauchen, allmählich Lieferprobleme bekommen, da natürlich alle Eis bestellen.
Meine Wunschtemperatur für die Warengruppe Eis? Durchgängig so 25 Grad Celsius das ganze Jahr über. Bei diesen Temperaturen essen die Leute Eis."
Mehr Multipacks
Die Hersteller von industriell hergestelltem Speiseeis (Marken- und Handelsmarkeneis) geben den Ton an im deutschen Eisgeschäft. Sie besetzen gut 80 Prozent des Marktes. Handwerkliche Eismacher, die vor allem vom Straßenverkauf leben, bringen es auf 17 Prozent. Die übrigen drei Prozent entfallen auf Softeis, das vor allem von Fastfoodketten verkauft wird. Was legen die Verbraucher am liebsten in den Einkaufswagen, wenn sie im Supermarkt oder beim Discounter Eis kaufen? Haushaltspackungen mit einem Volumen von 300 ml aufwärts. Allerdings ist die Tendenz nach Beobachtung des BDSI leicht rückläufig. Steigender Beliebtheit erfreuen sich dagegen Multipackungen. Die enthalten mehrere Impulseisartikel (Stileis, Eishörnchen, Sandwiches, kleine Becher, Riegel) für den Konsum zu Hause.
Wie häufig die Kunden im Supermarkt ein einzelnes Stieleis kaufen oder im Freibad ein Eishörnchen bestellen, ist dagegen vor allem eine Frage des Wetters. Solche Einzelverkäufe machen im Durchschnitt knapp acht Prozent des gesamten Geschäfts mit industriell hergestelltem Eis aus.
Aber bitte mit (wenig) Sahne!
Statt Sahneeis öfter mal ein Fruchteis - das empfiehlt die Verbraucher Initiative. Denn Sahneeis, womöglich noch garniert mit Schokoladensauce oder Zuckerstreuseln, ist der Dickmacher unter den Eissorten. Je nach Größe einer Portion und Inhaltsstoffen kommen rasch mehr als 200 Kalorien pro Kugel zusammen. Etwas weniger Fett ist in Milchspeiseeis enthalten. Aber auch hier kann eine Kugel bis zu 150 Kalorien enthalten, rechnet die Verbraucher Initiative vor. Die bessere Wahl sei Fruchteis.
Das sei kalorienärmer, weil der Milchzusatz fehle. Noch weniger dick mache Sorbet-Eis, das pro Kugel gerade einmal 50 bis 80 Kalorien enthalte.
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