Pro & Contra Zuckersteuer
Fürsorge oder Bevormundung?
Lesedauer: 4 Minuten
Ob cremiger Nugat-Brotaufstrich oder knusprige Kekse – es ist nicht leicht, den Verlockungen des modernen Schlaraffenlands zu widerstehen. Dabei weiß jeder, dass ein Zuviel an Fett und Zucker der Gesundheit schadet. Warum also nicht ungesunde Lebensmittel mit einer „Strafsteuer“ belegen? Dann würden die Verbraucher häufiger zu Früchten oder Salaten greifen, meint Diplom-Ökotrophologin Dagmar von Cramm. Dagegen nimmt Ingo Lübke, Einkäufer/Category Manager Süßwaren bei REWE, Eltern in die Pflicht: Sie müssten ihre Kinder zu einem verantwortungsvollem Umgang mit Süßem erziehen.
Pro // Fett- oder Zuckersteuer – warum eigentlich nicht?
Wir betreiben Aufklärung, versuchen der Bevölkerung zu einem besseren Essverhalten zu motivieren – ganz klientenzentriert und unbedingt ohne Zwang. Seit 30 Jahren. Und was passiert? Wir werden dicker, bekommen Diabetes, Bluthochdruck, Arteriosklerose – und das immer früher. Denn den Verlockungen des modernen Schlaraffenlandes sind unsere Sinne einfach nicht gewachsen: Wir sind genetisch auf Mangel gepolt und greifen zu, wenn es duftet oder toll aussieht. Und alle Inhaltsstoffe penibel auf der Packung in Kleinstschrift aufgeführt sind. Auch wenn unser Kopf sagt: zu fett, zu süß, zu salzig. Verbieten? Geht nicht!Aber es gibt einen wunderbaren neuen Ansatz, der nudging“ heißt und aus den USA kommt: gesundheitsförderndes Verhalten zu fördern. Google macht es in seiner Kantine vor: M&Ms gibt es nicht mehr an zentralem Punkt in durchsichtigem Spender, sondern in der Ecke verschämt in einem blickdichten Gefäß. Die schweren Desserts sind in kleinen Portionen an den Rand gewandert, in der Mitte die tollsten Früchte aufgebaut. Alles was ernährungsphysiologisch nicht so toll ist, wird nicht verboten, sondern unattraktiver gemacht. Und es funktioniert!
Was hat das mit der Steuer zu tun? Sie macht ungesunde Lebensmittel teurer, also unattraktiver – und dadurch werden gesündere konkurrenzfähig. Zucker und Fett sind nicht verboten – nur eben kann man fürs gleiche Geld auch mal Fruchtiges oder knackige Salate kaufen. Der entscheidende Punkt für mich ist deshalb: Wofür wird die Steuer eingesetzt? Sie sollte der Verpflegung in Kitas und Schulen zugute kommen: Da werden die Weichen gestellt – hier wird Essverhalten zunehmend geprägt – und hier gibt es große finanzielle Engpässe. Dann würden wir langfristig die Vorliebe für gesünderes Essen fördern – denn der Mensch mag das, was er kennt und isst – von Anfang an.
Vielleicht könnte man auch die Präsentation gesunder Lebensmittel verbessern – oder etwas für ihr Image tun. Denn Werbegelder sind ja in der Regel für Fettes und Zuckriges da. Warum nicht die Möhre sexy machen? Ganz abgesehen von diesen Maßnahmen: Schon die Diskussion um diese Steuern veranlasst die Lebensmittelindustrie und den Handel, Produkte und Präsentation zu optimieren – im Sinne des Verbrauchers. Von alleine bewegt sich da nämlich wenig. Probieren wir es einfach aus: Noch schlimmer kann es kaum werden! Dagmar von Cramm
Diplom-Ökotrophologin und VDOE-Mitglied
http://www.dagmarvoncramm.de
Vielleicht könnte man auch die Präsentation gesunder Lebensmittel verbessern – oder etwas für ihr Image tun. Denn Werbegelder sind ja in der Regel für Fettes und Zuckriges da. Warum nicht die Möhre sexy machen? Ganz abgesehen von diesen Maßnahmen: Schon die Diskussion um diese Steuern veranlasst die Lebensmittelindustrie und den Handel, Produkte und Präsentation zu optimieren – im Sinne des Verbrauchers. Von alleine bewegt sich da nämlich wenig. Probieren wir es einfach aus: Noch schlimmer kann es kaum werden! Dagmar von Cramm
Diplom-Ökotrophologin und VDOE-Mitglied
http://www.dagmarvoncramm.de
Contra // Erziehung statt Gesetze!
Ich sehe dieses Thema von zwei Seiten: Ich bin zum einen Einkäufer und Category Manager für Süßwaren, also bei REWE verantwortlich für das Süßwaren-Sortiment. Da habe ich natürlich ein berufliches Interesse daran, dass hier nicht mit hohem administrativen Aufwand eine Steuer eingeführt wird, die aus meiner Sicht wenig nutzt. Denn Süßigkeiten sind eine Impulskategorie: Die hat der Kunde normalerweise nicht auf dem Einkaufszettel stehen, sondern packt sie spontan nach Lust und Laune in den Einkaufswagen. Der Preis steht dabei nicht unbedingt immer an erster Stelle, sondern vielmehr Marke und Qualität der Ware. Die Lenkungsfunktion einer Preissteigerung durch eine Zuckersteuer wäre also zumindest langfristig fragwürdig.Natürlich bin ich nicht nur im Beruf Einkäufer. Auch privat landet Süßes in meinem Einkaufskorb. Und dabei möchte ich mich vom Staat nicht bevormunden lassen. Im Gegenteil: Man ist als Kunde doch selbst gefordert, insbesondere wenn man Kinder hat. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern, die natürlich auch gerne naschen.
Viele Eltern nehmen sich hier zu einfach aus der Verantwortung: Es ist die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu verantwortungsvollem Umgang mit Süßem zu erziehen. Das kann ein Gesetz doch nicht ersetzen.
Wenn ich mit meinen Kids einkaufen gehe, mache ich nicht extra einen großen Bogen um das Süßwarenregal, sondern zeige ihnen ganz bewusst, wie viel Zucker in welchen Süßigkeiten steckt. Eine Süßigkeit ist und bleibt ein Genussmittel und eine Packung Kekse ersetzt nicht das Frühstück. Das klingt banal, ist aber leider nicht in jeder Familie selbstverständlich. Hier ist auch die Industrie in der Pflicht, die Grenze zwischen Genuss- und Nahrungsmittel nicht zu verwischen. Ich würde mir auch in Schulen oder am besten schon im Kindergarten mehr Präventionsangebote wünschen, die Kinder im besten Fall zu selbstbestimmten, verantwortungsvollen Verbrauchern machen. Süßes ist ja nicht per se etwas Schlechtes - auf die Menge kommt es an.
Ingo Lübke
Einkäufer/Category Manager Süßwaren, REWE
Wenn ich mit meinen Kids einkaufen gehe, mache ich nicht extra einen großen Bogen um das Süßwarenregal, sondern zeige ihnen ganz bewusst, wie viel Zucker in welchen Süßigkeiten steckt. Eine Süßigkeit ist und bleibt ein Genussmittel und eine Packung Kekse ersetzt nicht das Frühstück. Das klingt banal, ist aber leider nicht in jeder Familie selbstverständlich. Hier ist auch die Industrie in der Pflicht, die Grenze zwischen Genuss- und Nahrungsmittel nicht zu verwischen. Ich würde mir auch in Schulen oder am besten schon im Kindergarten mehr Präventionsangebote wünschen, die Kinder im besten Fall zu selbstbestimmten, verantwortungsvollen Verbrauchern machen. Süßes ist ja nicht per se etwas Schlechtes - auf die Menge kommt es an.
Ingo Lübke
Einkäufer/Category Manager Süßwaren, REWE
Brauchen wir eine Steuer auf besonders fettige und süße Produkte?
Diskutieren Sie mit und hinterlassen Sie einen Kommentar!
Diskutieren Sie mit und hinterlassen Sie einen Kommentar!
Ich finde, das ist der falsche Weg, zumal der menschliche Organismus auch nicht ganz auf Zucker verzichten kann. Wenn man aber schon Kindern gesunde Nahrungsmittel schmackhaft macht und sie konsequent in diese Richtung führt, werden diese sich später von ganz allein gesund ernähren. Eine "Strafsteuer" ist nur eine weitere Gängelung der Kunden und kann auch nicht im Sinne des Handels sein. Wie Herr Lübke schon ganz richtig erwähnt, sind Süßwarenkäufe ganz oft auch Impulskäufe - und daran wird meiner Meinung nach auch eine Steuer nichts ändern. Das sieht man ja auch sehr gut an Tabakwaren und Spirituosen - wer rauchen will, der raucht auch weiter, selbst wenn die Packung Zigaretten irgendwann mal 10 Euro kosten sollte...
Mit freundlichen Grüßen
Karin Brochhaus