Martin Küssner im Interview
„Es ist noch ein gutes Stück bis ins Ziel“
Lesedauer: 5 Minuten
Partner, Tochter, Miteigentümer? Das Verhältnis zwischen der FÜR SIE Handelsgruppe und der REWE Group ist vielschichtig. Die Unternehmen sind über wechselseitige Beteiligungen miteinander verbunden und arbeiten seit mehr als 40 Jahren intensiv zusammen. Im Zuge der im vergangenen Jahr begonnenen Neuausrichtung von FÜR SIE sind beide Handelsunternehmen auch personell noch enger zusammengerückt. Dr. Martin Küssner, viele Jahre Mitglied der Geschäftsleitung von REWE Deutschland und Aufsichtsrat von FÜR SIE, übernahm die Führung der Gruppe. Im one-Interview spricht er über Versäumnisse in der Vergangenheit und Chancen in der Zukunft.
one: Herr Dr. Küssner, die FÜR SIE Handelsgenossenschaft ist für viele Mitarbeiter der REWE Group wie eine Black Box: Man weiß, dass es sie gibt, aber kaum jemand kennt ihr Geschäftsmodell und hat eine Vorstellung über ihr Verhältnis zu REWE…..
Dr. Küssner: Ja, was die FÜR SIE leistet, war trotz ihrer engen geschäftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verbindung zur REWE Group bei vielen Mitarbeitern und den Kaufleuten der REWE weitgehend unbekannt. Viele Prozesse waren wenig transparent. Das soll mit der Neuausrichtung anders werden. Schließlich profitieren wir gegenseitig voneinander: Mit der Einkaufsmacht der REWE Group im Rücken kann FÜR SIE Ihren Mitgliedern gute Konditionen anbieten. Wir dagegen können flexibel und zügiger als ein großer Tanker wie REWE Geschäftsmodelle entwickeln, schnell umsetzen und in Nischen vorstoßen, weil wir eine schlagkräftige und schnell agierende Organisation besitzen.
Dr. Küssner: Ja, was die FÜR SIE leistet, war trotz ihrer engen geschäftlichen und gesellschaftsrechtlichen Verbindung zur REWE Group bei vielen Mitarbeitern und den Kaufleuten der REWE weitgehend unbekannt. Viele Prozesse waren wenig transparent. Das soll mit der Neuausrichtung anders werden. Schließlich profitieren wir gegenseitig voneinander: Mit der Einkaufsmacht der REWE Group im Rücken kann FÜR SIE Ihren Mitgliedern gute Konditionen anbieten. Wir dagegen können flexibel und zügiger als ein großer Tanker wie REWE Geschäftsmodelle entwickeln, schnell umsetzen und in Nischen vorstoßen, weil wir eine schlagkräftige und schnell agierende Organisation besitzen.
one: Dafür geraten Tanker nicht so leicht in Seenot. Kleine Schnellboote wie FÜR SIE dagegen schon. 2015 war die Situation so prekär, dass der Aufsichtsrat umfassende strategische und personelle Veränderungen beschloss. Zwei der drei Vorstände wurden ausgewechselt. Wie konnte es soweit kommen?
Dr. Küssner: Im Frühjahr 2015 war erkennbar, dass sich FÜR SIE in vielen Bereichen zu sehr auf Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht hatte.Notwendige Anpassungen im Kerngeschäft wurden versäumt. So war FÜR SIE nicht mehr in der Lage, schnell auf den Änderungen des Marktes und den Bedürfnissen der Kunden zu reagieren.
one: Zum Beispiel?
Dr. Küssner: FÜR SIE hatte über Jahre hinweg deutlich zu wenig in ihre IT-Systeme investiert, insbesondere gab es kein eigenes Warenwirtschaftssystem. Auch hatte die FÜR SIE viele heute als Standard empfundene und von Wettbewerbern bereitgestellte Serviceleistungen nicht im Angebot. Vor allem aber hat sich das Unternehmen zu lange als zentrale Durchlaufstelle von REWE-Konditionen verstanden, Ausgleichszahlungen geleistet, die keinem Regelwerk gefolgt sind und sich in Streitereien mit der REWE begeben, anstatt Defizite in der eigenen Organisation anzugehen.
Dr. Küssner: Im Frühjahr 2015 war erkennbar, dass sich FÜR SIE in vielen Bereichen zu sehr auf Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht hatte.Notwendige Anpassungen im Kerngeschäft wurden versäumt. So war FÜR SIE nicht mehr in der Lage, schnell auf den Änderungen des Marktes und den Bedürfnissen der Kunden zu reagieren.
one: Zum Beispiel?
Dr. Küssner: FÜR SIE hatte über Jahre hinweg deutlich zu wenig in ihre IT-Systeme investiert, insbesondere gab es kein eigenes Warenwirtschaftssystem. Auch hatte die FÜR SIE viele heute als Standard empfundene und von Wettbewerbern bereitgestellte Serviceleistungen nicht im Angebot. Vor allem aber hat sich das Unternehmen zu lange als zentrale Durchlaufstelle von REWE-Konditionen verstanden, Ausgleichszahlungen geleistet, die keinem Regelwerk gefolgt sind und sich in Streitereien mit der REWE begeben, anstatt Defizite in der eigenen Organisation anzugehen.
one: Inzwischen spricht man wieder intensiver miteinander?
Dr. Küssner: Unbedingt. In den vergangenen Monaten haben wir bei FÜR SIE selber und auch mit vielen Kollegen bei REWE eine Arbeitsweise entwickelt, die es möglich macht, die vielen notwendigen Themen systematisch und produktiv anzugehen. Wir arbeiten in einer Weise mit den REWE-Fachabteilungen zusammen, wie ich dies in den zehn Jahren, die ich diese Zusammenarbeit mit der FÜR SIE begleiten durfte, noch nicht erlebt habe.
one: Konkret: Welches sind die wesentlichen Herausforderungen?
Dr. Küssner: Im Getränkeregulierungsgeschäft arbeiten wir an der konditionellen Entwicklung, um auch in der Mehrweggetränkelogistik die besten Angebote zu erhalten. Bei der GVG (Getränkefachmarkt-Vermarktungs- und Einkaufsgesellschaft) müssen wir den Rollout des Getränkemarkts der Zukunft vorantreiben, um langfristig die GVG-Konditionen rechtfertigen zu können. Und im Großhandelsgeschäft mit Drittkunden sowie im Großverbrauchergeschäft müssen wir weiter an der konditionellen Entwicklung arbeiten. Vor allem aber werden wir sowohl in diesem Jahr als auch 2018 noch einmal kräftig in IT investieren müssen.
Dr. Küssner: Unbedingt. In den vergangenen Monaten haben wir bei FÜR SIE selber und auch mit vielen Kollegen bei REWE eine Arbeitsweise entwickelt, die es möglich macht, die vielen notwendigen Themen systematisch und produktiv anzugehen. Wir arbeiten in einer Weise mit den REWE-Fachabteilungen zusammen, wie ich dies in den zehn Jahren, die ich diese Zusammenarbeit mit der FÜR SIE begleiten durfte, noch nicht erlebt habe.
one: Konkret: Welches sind die wesentlichen Herausforderungen?
Dr. Küssner: Im Getränkeregulierungsgeschäft arbeiten wir an der konditionellen Entwicklung, um auch in der Mehrweggetränkelogistik die besten Angebote zu erhalten. Bei der GVG (Getränkefachmarkt-Vermarktungs- und Einkaufsgesellschaft) müssen wir den Rollout des Getränkemarkts der Zukunft vorantreiben, um langfristig die GVG-Konditionen rechtfertigen zu können. Und im Großhandelsgeschäft mit Drittkunden sowie im Großverbrauchergeschäft müssen wir weiter an der konditionellen Entwicklung arbeiten. Vor allem aber werden wir sowohl in diesem Jahr als auch 2018 noch einmal kräftig in IT investieren müssen.
Dr. Martin Küssner
„Es ist noch ein gutes Stück bis ins Ziel, aber wir haben schon viel geschafft.“
one: Die hohen IT-Investitionen waren bereits 2016 maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Ergebnis einbrach.
Dr. Küssner: Für 2017 werden wir aufgrund großer Anstrengungen im IT-Bereich voraussichtlich sogar einen Verlust ausweisen müssen. 2018 wird auch noch einmal schwierig. Ab 2019 haben wir es dann geschafft. Gleichwohl geht es uns als Genossenschaft ja nicht um Gewinnmaximierung. Wir streben einen zufriedenstellenden Ertrag an, um möglichst die besten Konditionen an unsere Mitglieder weitergeben zu können. one: Sie sind Läufer, Herr Dr. Küssner. Angenommen, die Neuausrichtung der FÜR SIE wäre ein Marathon: Bei welchem Kilometer befinden Sie sich?
Dr. Küssner: Bei Kilometer 30 würde ich sagen. Es ist noch ein gutes Stück bis ins Ziel, aber wir haben schon viel geschafft. Nur ein Beispiel: Wir haben etwa 70 000 Artikel neu gelistet. Ich vernachlässige hier einmal, dass beim Marathon die eigentliche Herausforderung erst nach Kilometer 35 beginnt.
one: Wo kann FÜR SIE wachsen?
Dr. Küssner: Wachstumsfelder finden wir hoffentlich in allen Bereichen, vor allem sicher weiter im Getränkebereich, in der Mehrweggetränkelogistik sowie in dem neuen Großhandelsgeschäft – auch wenn der Wettbewerb dort besonders intensiv ist. Gute Perspektiven bieten obendrein die Plattformen, die FÜR SIE-Mitglieder für REWE aufbauen.
Dr. Küssner: Für 2017 werden wir aufgrund großer Anstrengungen im IT-Bereich voraussichtlich sogar einen Verlust ausweisen müssen. 2018 wird auch noch einmal schwierig. Ab 2019 haben wir es dann geschafft. Gleichwohl geht es uns als Genossenschaft ja nicht um Gewinnmaximierung. Wir streben einen zufriedenstellenden Ertrag an, um möglichst die besten Konditionen an unsere Mitglieder weitergeben zu können. one: Sie sind Läufer, Herr Dr. Küssner. Angenommen, die Neuausrichtung der FÜR SIE wäre ein Marathon: Bei welchem Kilometer befinden Sie sich?
Dr. Küssner: Bei Kilometer 30 würde ich sagen. Es ist noch ein gutes Stück bis ins Ziel, aber wir haben schon viel geschafft. Nur ein Beispiel: Wir haben etwa 70 000 Artikel neu gelistet. Ich vernachlässige hier einmal, dass beim Marathon die eigentliche Herausforderung erst nach Kilometer 35 beginnt.
one: Wo kann FÜR SIE wachsen?
Dr. Küssner: Wachstumsfelder finden wir hoffentlich in allen Bereichen, vor allem sicher weiter im Getränkebereich, in der Mehrweggetränkelogistik sowie in dem neuen Großhandelsgeschäft – auch wenn der Wettbewerb dort besonders intensiv ist. Gute Perspektiven bieten obendrein die Plattformen, die FÜR SIE-Mitglieder für REWE aufbauen.
one: Wie ist die Entwicklung im Geschäft mit Friseurbedarf, also bei den FÜR SIE-Gesellschaften Coiffeur und Rondo? Diese Aktivitäten wirken ein wenig exotisch im Portfolio von FÜR SIE.
Dr. Küssner: Die ursprüngliche Idee dieses Engagement war es, dass viele Lieferanten von Friseursalons auch eine Rolle bei der Belieferung des Lebensmittelhandels spielen. Zwar gibt es unter den Friseurgeschäften einen starken Konsolidierungsprozess. Dafür kann der Friseurbedarfsgroßhandel sicher noch weiter wachsen, nicht zuletzt durch die Möglichkeiten im Online-Vertrieb. Unter Umständen müssen wir hier ein eigenes Zentrallager aufbauen. one: Wie ist die Zukunft von Ihr Platz, einer einstmals starken Marke im Drogeriebereich, die ebenfalls zum Portfolio von FÜR SIE gehört?
Dr. Küssner: Der frühere Vorstand von FÜR SIE hatte sich nach der Insolvenz der Drogeriekette die Rechte an der Marke Ihr Platz gesichert und wollte mit einem Netzwerk eigenständiger Drogeristen einen neuen Bereich aufbauen. Das war angesichts der starken Konkurrenz jedoch nicht möglich. Faktisch haben wir unser Franchisemodell Ihr Platz eingestellt, bieten aber die Nutzung der Namensrechte weiter interessierten Partner an.
Dr. Küssner: Die ursprüngliche Idee dieses Engagement war es, dass viele Lieferanten von Friseursalons auch eine Rolle bei der Belieferung des Lebensmittelhandels spielen. Zwar gibt es unter den Friseurgeschäften einen starken Konsolidierungsprozess. Dafür kann der Friseurbedarfsgroßhandel sicher noch weiter wachsen, nicht zuletzt durch die Möglichkeiten im Online-Vertrieb. Unter Umständen müssen wir hier ein eigenes Zentrallager aufbauen. one: Wie ist die Zukunft von Ihr Platz, einer einstmals starken Marke im Drogeriebereich, die ebenfalls zum Portfolio von FÜR SIE gehört?
Dr. Küssner: Der frühere Vorstand von FÜR SIE hatte sich nach der Insolvenz der Drogeriekette die Rechte an der Marke Ihr Platz gesichert und wollte mit einem Netzwerk eigenständiger Drogeristen einen neuen Bereich aufbauen. Das war angesichts der starken Konkurrenz jedoch nicht möglich. Faktisch haben wir unser Franchisemodell Ihr Platz eingestellt, bieten aber die Nutzung der Namensrechte weiter interessierten Partner an.
Unter dem Dach der FÜR SIE Handelsgenossenschaft eG haben sich 321 Mitgliedsunternehmen aus dem unterschiedlichsten Sparten des deutschen Handels zusammengeschlossen.
Gemeinsam erzielen sie wichtige Wettbewerbsvorteile, ohne ihre unternehmerische Selbstständigkeit aufzugeben. Neben dem Kerngeschäft Delkredere und Zentralregulierung bietet FÜR SIE ihren Mitgliedern Zugriff auf das Sortiment von 4300 Vertragslieferanten sowie zahlreiche Dienstleistungen aus den Bereichen Logistik, IT und Marketing. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Gruppe einen Umsatz von 2,52 Milliarden Euro (plus 64,4 Millionen Euro gegenüber 2015). Der Jahresüberschuss verringerte sich aufgrund hoher IT-Investitionen und einer Sonderabschreibung auf 1,35 Millionen Euro.
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