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Wo und wie Flüchtlinge arbeiten dürfen
Das Potenzial nutzen
von Bettina Rees und Julia Robertz
Lesedauer: 6 Minuten
Vor dem Hintergrund der demografischen Situation in Deutschland wird der Arbeitsmarkt für Flüchtlinge deutlich zugänglicher. Ein kurzer Überblick darüber, für welche Neuankömmlinge die neuen Beschäftigungsregelungen gelten.
Die Akteure aus Politik und Wirtschaft sind sich weitgehend darin einig, das Potzenzial der Menschen, die nach Deutschland flüchten, zu nutzen: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gab bespielsweise die Losung „Integration und Teilhabe via Beschäftigung“ aus. Dazu wurde der Arbeits- und Ausbildungsmarktzugang für Flüchtlinge erleichtert. one erklärt, wer wann arbeiten darf und welche Neuregelungen es für Neuankömmlinge im deutschen Arbeitsmarkt gibt. Außerdem: weiterführende Adressen für noch mehr Infos.
1. Asylbewerber, Flüchtlinge, Geduldete... Wer ist wer? Wer darf arbeiten?
Im aktuellen Sprachgebrauch nennen wir Flüchtlinge all jene, die sich aktuell auf der Flucht befinden. Im gesetzlichen Sinne wird bei den flüchtenden oder geflüchteten Menschen - insbesondere hinsichtlich ihrer Arbeitsmöglichkeiten - unterschieden:
  • Asylsuchende/Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung: Sie haben eine Anerkennung als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge beantragt. Ihr Asylverfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen

  • Anerkannte Asylbewerber: In Deutschland kennen wir den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention und Asyl nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: Nach Artikel 16a des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland genießen politisch Verfolgte Asyl. Als Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 werden nicht nur politisch Verfolgte anerkannt, sondern auch Menschen, „denen wegen ihrer Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ in ihrem Heimatland Gefahr droht. Anders als bei Asylberechtigten muss diese Gefahr nicht vom Staat ausgehen, sondern kann auch von Parteien oder Organisationen stammen.

  • Geduldete sind Menschen, die in einer Grauzone leben. Ihr Asylantrag wurde in der Regel abgelehnt, sie können aber aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden (Krankheit, unsichere Situation im Heimatland, u.a.). Langzeitgeduldeten soll künftig erleichtert werden, ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erlangen. Neu ist auch das gesicherte Bleiberecht für den Zeitraum einer Ausbildung.
2. Wie sehen die Neuregelungen aus?
A. Mindestlohnfreie Praktika für Asylbewerber und Geduldete erfordern nun nicht mehr die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Künftig kann also die Arbeitserlaubnis für ein Praktikum leichter erteilt werden. Die Regelung gilt für:
  • Pflichtpraktika

  • Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten, die zur Orientierung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums dienen

  • Ausbildungs- bzw. studienbegleitenden Praktika mit einer Dauer von bis zu drei Monaten

  • Einstiegsqualifizierungen oder Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung
B. Bereits in Kraft getretene Erleichterungen (Auswahl):
C. Auswahl bevorstehender weiterer Änderungen und Erleichterungen (voraussichtlich ab Januar 2016)
  • Ermöglichung der Duldung für eine Ausbildung und Verlängerung der Duldung um jeweils ein Jahr bis Ausbildungsabschluss (Aufenthalt nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss zur Beschäftigung bereits heute möglich)

  • Öffnung ausbildungsbegleitender Hilfen für Geduldete, um Ausbildungsabbrüche zu verhindern
Zusammenfassung
Zugang zu Arbeit und Ausbildung im Überblick
3. Weiterführende Infos und Adressen
Empfehlenswert für potenzielle Arbeitgeber ist die Infobroschüre „Potenziale nutzen – geflüchtete Menschen beschäftigen“, die unter anderem von der Bundesagentur für Arbeit (BA) entwickelt wurde. Sie zeigt Betrieben in komprimierter Weise, wie sie vorgehen müssen, wenn sie Geflüchtete beschäftigen wollen und welche Unterstützungsmöglichkeiten die BA bietet. Als Download unter www.arbeitsagentur.de / Unternehmen / Broschüren.
Weitere Informationen gibt es hier:

Drohende Abschiebung einer Auszubildenden
Abschluss mit Fragezeichen
REWE-Kauffrau Birgit Dederichs setzt sich für eine junge Asylbewerberin ein, die derzeit eine Ausbildung zur Verkäuferin im REWE-Markt in Kaarst macht. Die junge Frau aus Albanien darf ihre Ausbildung vielleicht nicht beenden, da ihr möglicherweise eine Abschiebung droht.
Jeder Arbeitgeber, der einen Auszubildenden einstellt, ist darum bemüht, dass sein Schützling die Ausbildung beendet. So auch die REWE-Kauffrau Birgit Dederichs aus der Region West. Die selbstständige Unternehmerin hatte in diesem Jahr den mutigen Schritt gewagt, Inelda, eine junge Asylbewerberin aus Albanien als Auszubildende einzustellen. Das Problem: Die junge Frau weiß nicht, ob sie ihre Ausbildung beenden darf.

Die junge Albanerin, die eine technische Schule in Deutschland besucht hat, ist seit 19 Monaten in Deutschland. „Im Auftrag der Stadt geben wir monatlich REWE Einkaufs-Gutscheine an Asylbewerber aus.“ Auf diese Weise hat Inelda unseren Markt kennengelernt“, sagt Dederichs. Daraufhin habe ihr die junge Frau eine Initiativbewerbung zukommen lassen. „Nach zwei persönlichen Gesprächen und nachdem ich Rücksprache mit dem betreuenden Sozialamt und der Berufsschule gehalten habe, konnte ich ihr eine Zusage für einen Ausbildungsplatz zum 01. August geben“. Da jedoch Ineldas Duldung  am 22. Juli beendet war und sie erst am 10. August einen Termin beim Ausländeramt bekommen konnte, hat Birgit Dederichs kurzerhand den Ausbildungsvertrag bei der IHK ändern lassen, so dass die Ausbildung erst am 11. August beginnen konnte.

Das Problem: Bisher hat Inelda von der Ausländerbehörde lediglich eine Duldung bis Mitte Dezember bekommen. Danach droht eine Abschiebung in ihr Heimatland Albanien. „Nachdem ich mit dem Sozialamt der Stadt Kaarst Rücksprache nahm und mir mitgeteilt wurde, dass Inelda auf der Abschiebeliste steht, habe ich nun den Bürgermeister angesprochen und hoffe, mit seiner Unterstützung eine längere Aufenthaltsgenehmigung zu bewirken“, so die engagierte Kauffrau aus Kaarst.
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