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ArticleId: 500magazineSie wissen, wie der Kunde tickt und heben neue Marken aus der Taufe: Die Eigenmarken-Verantwortlichen der Vertriebslinien. Was macht eine Marke erfolgreich? Wieviel Eigenmarken verträgt ein Unternehmen? Vier Experten im Interview.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/6/8/csm_04_1_Gespr_EigenmVerantw_0515_mgt_standard_17f71c0360.jpgDie Markenmacherim Interview
Lesedauer: 14 Minuten
Eigenmarken-Verantwortliche im interview
Die Markenmacher
Julia Klotz und Achim Bachhausen
Sie sind stets am Puls der Zeit, wissen, wie der Kunde tickt und heben neue Marken aus der Taufe: Die Eigenmarken-Verantwortlichen der Vertriebslinien. Was macht eine Marke erfolgreich? Wie viele Eigenmarken verträgt ein Unternehmen? Und welche Herausforderungen bringt die Zukunft?
Vier Experten geben im Interview Auskunft: Sandra Leiendecker, Funktionsbereichsleiterin Eigenmarken bei PENNY, erklärt, warum der Discount auch Industrie-Marken braucht – und wie davon die Eigenmarken profitieren. Marion Gorjub, Category Managerin Eigenmarken bei toom Baumarkt, ist überzeugt: Die Mitarbeiter in den Märkten sind ausschlaggebend für den Erfolg einer Marke. Wie Verbraucher Kaufentscheidungen treffen – und warum dabei nicht nur der Verstand eine Rolle spielt – erläutert Florian Königsbüscher, Funktionsbereichsleiter Eigenmarken bei REWE. Die touristischen Marken digital weiterzuentwickeln und noch stärker zu differenzieren – das ist das Ziel von Lars Bolle, Bereichsleiter Group Brandmanagement DER Touristik.
One: Ob Feine Welt, Naturgut, Meier's Weltreisen oder Stiltalente was ist die Erfolgsformel für einen guten Markennamen?Florian Königbüscher: Der Name muss die Marke so kurz und knapp wie möglich auf den Punkt bringen. Er sollte eingängig sein, schnell zu erfassen sein, und wenn man international unterwegs ist, auch in verschiedenen Ländern funktionieren. Wir versuchen grundsätzlich, bei der Namensfindung, aber auch bei der Markenpositionierung und beim Entwickeln von Konzepten alle Bereiche zu involvieren, die später mit einer Marke arbeiten. Denn ein ganz wichtiges Erfolgsrezept für eine Marke ist, dass sie von allen mitgetragen wird. Eine Marke zu etablieren, ist ein großes Projekt: Der Warenbereich ist involviert, die Qualitätssicherung, der Vertrieb, das Marketing, die Rechtsabteilung, die REWE-Kaufleute und viele andere Schnittstellen. Wenn alle zusammen daran arbeiten, werden alle Perspektiven beleuchtet und jeder Mitarbeiter hat das Gefühl, dass es auch „seine“ Marke ist. Und damit steht und fällt der Erfolg. Das beste Konzept hilft nichts, wenn die jeweiligen Mitarbeiter nicht dahinterstehen. Außerdem kommen wir so zu guten Ergebnissen: REWE Beste Wahl, REWE Frei von, REWE Feine Welt – diese Namen sind alle in internen Workshops entstanden.
Was ist die Formel für eine gute Marke?
Sandra Leiendecker: Das kann ich so unterschreiben, wobei es bei PENNY noch einen Unterschied gibt: Herr Königsbüscher führt acht Eigenmarken, bei PENNY haben wir 80. Da gibt es Category-Marken, die nicht mehr über den Markennamen Bedeutung tragen, sondern vor allem eine Orientierungshilfe am Regal sein sollen. Bei 20 verschiedenen Sorten Joghurt ist zum Beispiel wichtig, dass der Kunde die Produktbezeichnung und Produktabbildung schnell erfassen kann und er folglich seine Sorte findet. Dabei spielt der Markenname eine eher untergeordnete Rolle. Ich kann auf der Produktverpackung nur zwei oder drei Aspekte an den Kunden kommunizieren. Wenn ich das auf ein Dachmarken-Konzept stütze, ist der Name Programm. So ist es bei unserer Marke „Naturgut“: Wenn man den Namen hört und sieht, weiß man sofort: Da geht es um natürliche Produkte, das klingt nach etwas Gutem und Gesundem.
One: Herr Bolle, bei ihnen gibt es kein Produkt zum Anfassen. Gibt es andere Herausforderungen bei touristischen Marken im Hinblick auf den Namen? Lars Bolle: Zusätzlich zu den bereits angeführten Punkten wird uns zunehmend wichtig, wie wir mit dem Markennamen im digitalen Bereich agieren können. Dies gilt sowohl für die Verwendung der Marke im Bereich der Suchmaschinen, als auch im Hinblick auf die entsprechenden Domains. Denn ein immer größerer Teil des Reisegeschäfts findet inzwischen online statt. DER beispielsweise ist eine Marke mit sehr hoher Bekanntheit und einer hundertjährigen Geschichte. Das birgt natürlich Potenzial. Gleichzeitig ist das jedoch ein Name, den man bei Google nicht indizieren kann.
Weg vom Billig-Image: Die Handelsmarke im Wandel
One: Die Bedeutung der Eigenmarken in Deutschland wächst, die Konkurrenz zur Industrie-Marke wird stärker. Was meinen Sie: Werden die Handelsmarken die Industrie-Marken irgendwann komplett verdrängen? Geht es auch ohne Nutella, Coca-Cola und Co.?Florian Königsbüscher: Starke Marken sind beim Verbraucher besonders gut „vorverkauft“. Sie wurden zum Teil über Jahrzehnte aufgebaut und durch Kommunikation mit bestimmten Attributen aufgeladen. Dieses Image als Handelsmarke aufzubrechen, ist ein aufwändiger und kostenintensiver Prozess. Einem Menschen, der als Kind mit Nutella-Werbung aufgewachsen ist und zudem konditioniert ist auf den Geschmack des Produkts, dann eine andere Nuss-Nougat-Creme zu verkaufen, ist sehr schwierig – wenn auch nicht unmöglich. Unser Eigenmarkenanteil liegt inzwischen bei knapp 25 Prozent und wird weiter ausgebaut. Aber starke Markenartikel spielen dennoch auch in Zukunft eine wichtige Rolle. Marion Gorjub: Im Baumarkt gibt es weit weniger bekannte Marken als im LEH. Viele Verbraucher kennen die Klassiker Bosch, Compo, Alpina oder Gardena – aber dann wird es auch schon dünn. Es gibt Warenbereiche, in denen es gar keine Marken von Relevanz gibt. Dennoch sind die A-Marken für uns extrem wichtig. Das ist zum einen eine Frage von Kompetenz, das wird vom Kunden erwartet. Zum anderen lebt die Eigenmarke derzeit ja auch von der Relation zur Marke. Wir bieten die zuverlässige und preiswerte Alternative.
Sandra Leiendecker: Ohne die Marke könnten wir im Discount nicht leben. Wenn man mal einige Jahre zurückblickt, da gab es bei Aldi noch keine einzige Marke im Sortiment. Jetzt rüstet er nach, denn auch Lidl , Netto und PENNY haben sich stark mit Marken aufgestellt, um dem Kunden eine möglichst große Auswahl an zu bieten. Er bekommt ein ganzes Sortiment im Discount, während man früher erst zum Discounter gefahren ist und anschließend im Supermarkt gekauft hat, was man im Discounter nicht bekommen hat. Dennoch gibt es im Ausland andere Beispiele: Bei Aldi Nord in den USA besteht das Sortiment zu 99 Prozent aus einer Eigenmarke namens Trader Joe's. Das ist natürlich auch für uns eine Vision, den Eigenmarkenanteil sukzessive zu erhöhen. Seit der Sanierung 2011 gelingt uns das auch kontinuierlich. Inzwischen liegen wir bei einem Eigenmarkenanteil von 44 Prozent bei PENNY und möchten diesen weiter ausbauen. Und man darf nicht vergessen: Durch die Marke kann ich den Verbraucher auch zur Eigenmarke führen. Wenn der Kunde bei uns eine Schwartau-Marmelade kaufen möchte und sieht direkt daneben eine tolle Naturgut-Marmelade, die womöglich noch Bio-zertifiziert und günstiger ist, greift er vielleicht zur Eigenmarke. One: Gibt es auch Produktbereiche, die Sie nicht mit Eigenmarken besetzen? Sandra Leiendecker: Ja, zum Beispiel Wild oder teilweise auch Fischprodukte. Der Imageschaden wäre einfach zu groß, wenn hier die Qualität nicht zu hundert Prozent stimmt. Aber ansonsten bedienen wir im Discount fast alle Kategorien. Marion Gorjub: Es gibt einige Bereiche, die wir bewusst ausklammern. Zum Beispiel wird es keine Maschinen unter toom Qualitätsmarke geben. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens sind die Kundenvorbehalte gegenüber Eigenmarken bei solchen Erfahrungsgütern besonders groß – hier vertraut man auf die Marke. Und zweitens gibt es in diesem Bereich auch sehr starke B-Marken, wie Black & Decker und Ryobi, die zu ersetzen wenig Sinn macht.  One: Mit REWE Feine Welt oder PENNY Mein Fest bedienen sie auch das höherpreisige Segment. Hat die Handelsmarke ihr „Billigimage“ inzwischen abgelegt?
Sandra Leiendecker: Das Billigimage haben die Handelsmarken meines Erachtens schon lange abgelegt. Es gibt eine Studie, die zeigt, dass der Kunde sich gar nicht mehr vorstellen kann, auf Handelsmarken zu verzichten. Gerade mit unserer Marke ´Mein Fest´ gelingt es uns, dass Kunden, die keine Stammkunden sind, zu uns kommen, um sich aus diesem Sortiment zu bedienen. Florian Königsbüscher: Die Handelsmarken-Generationen haben sich immer weiter entwickelt: Angefangen hat es mit den „Weißen“, wie ja!, gut & günstig oder Tip. Es folgen die klassischen „Marken-me-toos“, also Produkte in der Qualität von Markenartikeln zu einem günstigeren Preis – bei uns war das die REWE Qualitätsmarke – , gefolgt vom Premium-Segment wie Feine Welt. Seit einigen Jahren erschließt sich der Handel auch sogenannte Mehrwertmarken und bedient kleinere Segmente. REWE frei von bedient so ein spitzeres Segment. Mit den Premium-Segmenten und Mehrwertmarken sind wir dahin gekommen, nicht mehr irgendwas zu kopieren, sondern eigenständige und vor allem auch innovative Produkte herzustellen. Das ist ein großer Anspruch, aber auch eine Riesenchance. Wenn wir mit der Eigenmarke ein Angebot schaffen, das es nur in dieser Vertriebslinie gibt, dann schaffen wir damit Profilierung und können uns vom Wettbewerber abheben. One: Wie entscheiden Sie denn, aus welchem Trend eine Eigenmarke wird?Sandra Leiendecker: Mit Ernährungstrends müssen wir uns natürlich täglich beschäftigen. Naturgut ist aufgrund eines solchen Trends entstanden. Wir haben festgestellt – unter anderem durch Beobachtungen im Ausland –, dass vegetarische, vegane und regionale Ernährung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Auf diesen Ernährungstrend müssen wir aufspringen und Platz im Regal schaffen. Das ist die Herausforderung im Discount: Unser Sortiment ist begrenzt und wir brauchen die Schnelldreher im Regal. Dazu gehören zum Beispiel Bio-Produkte noch nicht. Das ist ein Spagat.
Herausforderung für die Touristik: Differenzierung der Veranstaltermarken
Lars Bolle: Die Touristik ist da ein Sonderfall: Bei der Reisebuchung ist es eigentlich relativ egal, welche Marke der Expedient sieht, Hauptsache der Preis, die Destination, die Reisezeit, die Verlegung und die Dauer der Reise stimmen. Erst dann kommt irgendwann die Marke. Daher müssen wir uns fragen: Was müssen touristische Marken tun, um eine stärkere Relevanz zu entwickeln? Sandra Leiendecker: Aber im Urlaub sind sie doch eigentlich am nächsten dran oder? Lars Bolle: Ja und nein. In der Regel besteht ja das touristische Erlebnis aus ganz vielen verschiedenen Marken. Ich buche zum Beispiel eine Reise mit Jahnreisen, fliege dann vom Frankfurter Flughafen mit Condor oder Air Berlin, komme dann am Flughafen an, werde dort vom örtlichen Transporteur vom Flughafen ins Hotel gebracht. Und dann taucht unser Reiseleiter auf. Da ist die Frage: Empfindet er den Reiseleiter als jemanden, der Ausflüge verkauft, oder empfindet er ihn als Mehrwert? Diesen Mehrwert müssen wir schaffen und entsprechend kommunizieren. Florian Königsbüscher: Wie unterscheiden sich denn die Marken in der Touristik?
Lars Bolle: Das ist eine gute Frage. Wenn wir uns einmal die Kataloge von ITS, Jahnreisen oder Dertour anschauen, finden wir viele Überschneidungen. Die Touristik insgesamt ist geprägt von hoher Austauschbarkeit – der Kunde hat dies mittlerweile gelernt, daher stellt er in der Relevanz die Marke etwas nach hinten. Das ist für touristische Marken ein riesiges Problem, denn die Frage ist: Wofür brauche ich dann noch eine Marke? Und das ist die große Aufgabe der Touristik: der Marke wieder differenzierenden Sinn zu geben und sie auch zu nutzen, denn Potenzial haben alle unsere Marken: Sie sind bekannt, werden wiedererkannt. Nur das Produkt differenziert sich nicht genug. One: Aber ist das zum Beispiel bei Meier's Weltreisen nicht anders? Gerade bei Fernreisen in unbekannte Länder braucht es ja Vertrauen zum Veranstalter, dass der Reiseverlauf funktioniert, die Unterkünfte gut gewählt sind.Lars Bolle: Absolut. Aber einzigartige Fernreisen sind im Vergleich zum klassischen Mittelmeer-Urlaub ein Nischengeschäft. Das ist die Herausforderung: Gehe ich auf starke Differenzierung, erreiche ich nur einen relativ kleinen Teil der Kunden. Gehe ich auf Masse, muss ich etwas haben, das vielleicht über das Produkt hinausgeht, zum Beispiel Services, besondere Vorteile, die ein Kunde dieses Veranstalters hat, oder ähnliches. Florian Königsbüscher: Ist bei den Reisebüros die Kundenbindung dann stärker als bei den Veranstaltermarken? Lars Bolle: Ja, ohne Frage. Die Reisebüros haben eine sehr treue Kundschaft. Diesen Vorteil gilt es, in einem Cross-Channel-Ansatz zu nutzen und die Marke wirklich zu digitalisieren. Wir müssen überlegen: Was hilft uns in der jetzigen Situation am meisten, wie entwickeln wir welche Marke? Aktuell setzen wir sehr stark auf die Vertriebsmarke, da wir hier stärker differenzieren können und die Verbindung zum Zielgebiet herstellen können.
Die Zielgebietsbetreuer arbeiten ja schon mit der Marke DER. Dafür müssen wir jedoch intelligente Systeme schaffen, die es erlauben, Kundendaten aus dem Reisebüro ins Zielgebiet zu transferieren – und umgekehrt. Wenn der Kunde aus dem Bus aussteigt, weiß der Reiseleiter idealerweise schon das, was Frau Müller aus dem Reisebüro im Vorgespräch mit dem Kunden herausgefunden hat. One: Warum war es für die Touristik der REWE Group so wichtig, eine gemeinsame Dachmarke zu schaffen? Lars Bolle: Die Dachmarke ist aktuell vor allem im B2B-Bereich und für die Entwicklung einer Identität nach innen relevant. Hier wird Gruppenzugehörigkeit symbolisiert. Die Touristik innerhalb der REWE ist ja ziemlich anorganisch gewachsen. Die Einführung des neuen Markensystems war hier ein erster, wichtiger Schritt. Was wir noch entwickeln müssen, ist der "unfaire" Vorteil für die Endkunden, die mit uns verreisen. Haben wir integrierte Servicekonzepte über alle Veranstaltermarken? Haben wir eine Servicehotline, an die sich jeder Kunde wenden kann, egal ob er mit Dertour oder Jahnreisen verreist? Daran arbeiten wir momentan, um die Vorteile der Gruppe auch für die Endkunden stärker herauszustellen. Identität ist da der erste Ansatz. One: Auch im REWE-Vollsortiment wurde vor einigen Jahren der Marken-Wildwuchs gelichtet. Warum?Florian Königsbüscher: Wir haben nach den Vertriebs- auch die Eigenmarken zusammengeführt. Aus zwei Gründen: Intern ist es ein Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsthema, denn ich bündele meine Kommunikationsleistung. Aus externer Sicht macht die Bündelung es dem Kunden leichter. Mit einem durchgängigen Markenversprechen über verschiedene Warengruppen hinweg geben wir dem Kunden Orientierung. Unsere Maxime ist, so wenig Marken wie möglich, aber so viele wie nötig zu haben.
Viele Produkte, eine Marke: Ab wann droht die Überdehnung?
One: Wie breit kann sich eine Handelsmarke aufstellen? Kann man die Marke auch durch zu viele verschiedene Produkte überdehnen? Florian Königsbüscher: Die Botschaft der Marke „ja!“ ist ganz klar das Preisthema, das günstige Produkt, das ich kaufe. Ja!-Produkte müssen in allen Warengruppen die günstigsten sein. Hier kann man auch Nonfood-Artikel anbieten, dann bin ich immer noch stringent in der Markenbotschaft. Wenn ich bei einer Marke wie „Feine Welt“ bin, die für sinnlichen Genuss steht, dann scheiden Warengruppen wie Nearfood oder Nonfood aus. Lars Bolle: Bei uns beginnt das Markenversprechen mit der Auswahl der Hotels. Der Kunde hat bei seiner Buchung über den Veranstalter die berechtigte Erwartung, dass wir uns kümmern. Sorgfalt bei Auswahl, Betreuung und Qualitätssicherung des Produktes müssen sichergestellt werden. Marion Gorjub: Neben dem grundsätzlichen Versprechen eines sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses möchten wir unsere Kunden vor allem in die Lage versetzen, ihr Projektziel einfach, schnell und sicher zu erreichen. Das fängt schon bei der Auswahl der Produkte an. Im Gegensatz zum LEH bauen bei uns sehr viele Produkte aufeinander auf. So brauche ich zum Beispiel, wenn ich einen Raum mit einem Holzboden ausstatten will, nicht nur das Parkett oder Laminat, sondern auch die Schallschutzunterlage und die Abschlussleisten.
Hier hat der Kunde bei uns den großen Vorteil, all diese Produkte unter einer Marke und in einem optisch erkennbaren Zusammenhang leicht und schnell zu finden. Mit den beiden Sortimenten ´Stiltalent´ und ´Naturtalent´ haben wir diesen Gedanken des Convenience-DIY (Do-it-yourself, d. Red.) noch pointierter aufgenommen und noch sehr fokussiert auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet. Florian Königsbüscher: Vivess heißt auch deshalb nicht REWE, weil wir zum einen die Marke international ausrichten wollen, zum anderen, um Negativeffekte auf REWE minimieren zu können, wenn in schwierigen Produktbereichen mal etwas anbrennen sollte, weil sich zum Beispiel mit dem Produkt jemand verletzt. One: Frau Gorjub, sehen Sie diese Gefahr auch für Ihre Marken? Marion Gorjub: Natürlich tragen wir ein erhöhtes Risiko, wenn wir unseren Namen auf die Produkte schreiben, aber dafür haben wir uns 2010 bewusst entschieden und sind selbstbewusst genug, das auch guten Gewissens tun zu können. An dieser Stelle spielt aber natürlich auch die gute Beratung eine Rolle, um beispielsweise Anwendungsfehler zu vermeiden. Deshalb ist es für uns auch besonders wichtig, dass unsere Mitarbeiter gut geschult und auch voll von der Qualität der Produkte überzeugt sind. Aus diesem Grunde haben wir in diesem Jahr mit „Mein toom, meine Marke“ auch nach innen kräftig die Werbetrommel gerührt und unsere Mitarbeiter aufgefordert, unsere Produkte zu testen und zu bewerten. Florian Königsbüscher: Dabei ist es enorm wichtig, dass an allen Kontaktpunkten ein einheitliches Markenbild vermittelt wird. Die Marke darf am POS nicht anders auftreten als in der Werbung, im Handzettel oder in digitalen Medien. Sandra Leiendecker: Mit der Blockplatzierung von Penny to go vorne im Eingangsbereich ist es uns gelungen, neue Kunden zu generieren. Wir sehen anhand der Bon-Analysen, dass diese Neukunden weitergehen und Brot und Backwaren kaufen. Jetzt geht es darum, diese Kunden mittels der anderen Sortimente zu halten. Deshalb ist es extrem wichtig, was am POS passiert, welche Wahrnehmung der Kunde hat und welche Positionierung stattfindet, denn das Kaufverhalten ist stark impulsgetrieben. One: Welche Rolle spielt die Ratio bei der Kaufentscheidung? In Zeiten permanenter Berieselung durch Testberichte in Printmedien und Check-Formate im Fernsehen müsste der Verbraucher doch eigentlich nur das Beste zum besten Preis kaufen, oder? Florian Königsbüscher: Die Ratio ist wichtig, sie ist der Filter für unser Handeln. Einen großen Teil von Entscheidungen und Handlungen, die nicht die höchste Wichtigkeit haben, lagert unser Gehirn aber aus in Regionen, die sehr leistungsfähig sind, sich aber der bewussten Verarbeitung entziehen. Zum Beispiel das Binden einer Schleife: Wir sind gar nicht mehr in der Lage, bewusst aufzuschreiben wie das geht. Trotzdem kriegen wir die Schuhe zu, komplett geführt über unseren Autopiloten.
Auch beim Einkauf im Supermarkt greift unser Gehirn häufig unbewusst und unbemerkt auf abgespeicherte Muster, auf Markenbilder zurück. Ich gelange als Marke in diese Hirnregionen vor allem dann, wenn ich Emotionen anspreche. Daher sind neben einer rationalen Produktleistung, die zwingend stimmen muss, auch emotionale Aspekte wichtig, um als Produkt am Regal das Rennen zu machen. Sandra Leiendecker: Eine Marke ist dann stark, wenn sie unverwechselbar ist und eine Persönlichkeit hat. Konstanz und konsequente Kommunikation sind wichtig, um einer Marke Persönlichkeit einzuhauchen und sie zu positionieren. Lars Bolle: Das ist ein Prozess, der einen Anfang hat und kein Ende. Eine Herausforderung für jede Marke ist die Konsistenz über die Zeit und den Prozess als nie endenden zu betrachten. Da spielen Consumer Insights eine wichtige Rolle, um herauszufinden, wie sich die Kundenbedürfnisse verändern. Da gibt es viele Negativbeispiele. Nehmen wir Nokia. Das war mal ´ne tolle Marke, die aber den Anschluss total verpasst hat, weil sie es versäumt hat, sich als Marke und als Produkt weiterzuentwickeln. Was für mich die Arbeit so spannend macht, ist die Perspektive, dass man auf absehbare Zeit immer was zu tun hat. One: Haben Sie ein Lieblingsprodukt aus dem Eigenmarken-Sortiment ihrer Kollegen? Sandra Leiendecker: Ein Produkt, das ich immer bei REWE kaufe, ist das REWE Beste Wahl-Wasser, schon allein wegen der schönen neuen Flasche, und die Gourmet-Salami, die find´ ich auch super. Florian Königsbüscher: Bei PENNY kaufe ich gerne die Naturgut-Gemüsechips. Lars Bolle: Ich habe neulich noch eine Markenentscheidung getroffen für Beste Wahl, und zwar waren das die halben Pfirsiche. Dafür habe ich Delmonte im Regal stehen gelassen. Nachdem ich nun einmal das Geschmackserlebnis hatte, ist das ab jetzt meine erste Wahl. Marion Gorjub: Ich bin ein sehr treuer REWE-Eigenmarken-Käufer, quer durch alle Marken. Ich komme mit "ja!" prima klar, probiere aber aus purer Neugier neue Produkte von REWE Feine Welt. REWE Beste Wahl und REWE Bio sind der Standard im Einkaufskorb. one: Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die Herausforderung beim Thema Eigenmarken?Sandra Leiendecker: Wir alle, die wir hier sitzen, haben mit einem harten Wettbewerb zu tun. Wir wollen den Kunden langfristig an uns binden, und dazu müssen wir uns differenzieren, jedes Jahr auf´s Neue. Preise und Qualität können alle. Das ist die Herausforderung: Was kommt danach?
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